Zu zweit läuft's besser.

Aber wir waren angekommen.

Aber wir waren angekommen.
25. September 2021 Henrik

Intro

Die Erwartungen waren hoch, zu hoch. Jedenfalls die an unsere sportliche Leistung. Mit dem Gesamtplatz 81 konnten wir nicht mal annähernd an 2018 anknüpfen. Aber diese Woche in den Alpen bei unserem 3. gemeinsamen Transalpine Run zeigte uns sehr deutlich, dass es auf anderes ankommt. Die bisher härteste Alpenüberquerung liegt hinter uns. Sie war anders, nicht nur aufgrund der schwierigen coronabedingten Situation. Aber nicht minder schön und schon gar nicht minder emotional. Geschenkt gab es nur eines: traumhaftes Wetter über 7 Tage. Darüber hinaus haben wir uns das Finish in Prad Schritt für Schritt erarbeiten müssen. Warum das für uns viel wertvoller als locker durchgejoggte 250 Km waren, versuchen wir hier ein wenig zu skizzieren. Und mit eindrucksvollen Bildern zu untermalen. Eines war aber wie immer: der TAR – eine Woche im emotionalen und körperlichen Ausnahmezustand.

Pünktlich zum Check-in-Tag am Freitag hatte das Wetter gedreht. Wochenlang Regen in den Alpen hatten uns das Schlimmste befürchten lassen und dementsprechend dicke Sachen waren im Gepäck. Das Gepäck samt Marek musste aber erstmal von Berlin nach Süden. Die direkte Fahrt mit der Bahn fiel dem GDL-Streik zum Opfer und den Mietwagen hatte Marek aus Versehen für eine Woche später gebucht. Da blieb dann nichts anderes mehr übrig, als Marek einfliegen zu lassen. Von München lief es dann jedoch problemlos und fast routiniert erledigten wir den Checkin in der Schule. Die Pastaparty hieß ab sofort Pastaplausch und das erste Briefing mit viel Sponsorengedöns verfolgten wir nicht sehr aufmerksam. Der Spaziergang nach Baad im Kleinwalsertal ins Hotel tat gut. Erstmals die Ausrüstung packen, Verpflegung beschriften, Klamotten sortieren. Eigentlich fühlten wir uns ganz gut für Nummer 3.

Hirschegg – Lech

Wir durften im Block 2 um 9:30 Uhr starten und konnten so noch das Geschehen entspannt verfolgen. Plauderten noch mit so einigen Bekannten und reihten uns ganz vorn ein. PLAN B-Chef Heini Albrecht wirkte angespannt: “Wir sind noch lange nicht in Prad” ließ uns aufhorchen. Trotz 3G-Konzept stand das Event auf wackligeren Füßen als gedacht. Umso mehr freuten wir uns über den Startschuss – rock’n roll! Logisch, dass gleich die schnellsten Kilometer des TARs folgten, schließlich ging es es zunächst bergab und dann einigermaßen flach an der Breitach ins Tal nach Baad. Anstieg 1 zum Gemstelpass war noch harmlos, aber schon hier deutete sich an, was die nächsten Tagen analog folgen würde: Marek bei guter Luft und Henrik kraft- und mutlos. Die V1 war dann doch nicht auf der Widdersteinhütte, sondern erst unten am Hochtannbergpass auf dem großen Parkplatz. Eigentlich geschenkt, aber wenn es nicht gut läuft, sind es doch diese Details, die unnötig verunsichern.

Am Körbersee vorbei kamen wir langsam ins Rollen und liefen kontrolliert runter nach Schröcken. Auf Almhöhe stand eine Tränke, an der Henrik nur das Cap nass machte. Die V2 stand dann bereits auf der Straße talwärts, gerade mal 4 Kilometer nach der V1. Da wir uns gerade verpflegt hatten, rannten wir durch. Die nächste Dummheit. Denn mit jedem Meter runter wurde es wärmer und die Glocke traf Henrik wie eine Wand. Schon auf den ersten Metern des zweiten Anstiegs, als uns Sebastian Hallmann und Flo Reichert entgegenkamen, schlug die Wärme durch. Es ging gar nichts mehr, Wasser alle, warm, heiß, Beine Blei, mimimi. Wir wurden erstmals durchgereicht. Und wenn nicht nach zwei sehr langen Kilometern noch ein Wasserfall gekommen wäre, in den sich Henrik in voller Montur reinsetzte: wer weiß, ob wir in Lech angekommen wären. Dabei folgten ja noch die heiklen Passagen der Etappe.

Der Aufstieg zur Mohnenfluhscharte barg noch einige seilversicherte Klettereien. Oooooops, das stand nicht im Reiseführer. Wir zogen uns dann leider auch gegenseitig etwas runter, so dass wir die Etappe inzwischen nur noch auf Ankommen liefen. Dementsprechend hart war dann die letzte Rampe, wo wir erstmals Rennleiter Martin begrüßen konnten. Die 6 Kilometer nach Lech taten schon weh. Erst, als der Belag auf Asphalt wechselte, konnten wir unser gewohntes Tempo aufnehmen. Nach 5:17h liefen wir als 17. der Master Men ins Ziel. Hui, das mussten wir erstmal sacken lassen. Aber wir waren angekommen. Letztes sollte unser Credo für die weiteren Etappen werden.

Lech – St. Anton

Henriks “Trauma-Etappe” wurde nicht ganz so heiß erwartet von uns. Hier knickte er 2019 auf dem Abstieg vom Rüfikopf um und lief den TAR 2019 noch mit einer angerissenen Kapsel ins Ziel. Deshalb wollten wir es hier ruhig angehen lassen und reihten uns recht weit hinten im Startblock A ein. Gleich nach dem Start staute sich das Ganze gute 10 Minuten auf dem ersten Singletrail. Die Taktik ging trotzdem auf, so dass wir uns die gut 800 Höhenmeter im Hauptfeld nach oben schoben. Oben erwartete uns die aufgehende Sonne und Schwimmlehrer Dirk.

Wir blieben konservativ beim Runterlaufen -Stichwort Umknicken- und hielten uns zurück. Ab der V1 am Flexenpass, die wir nach etwas mehr als 2 Stunden passierten, zog Marek dann etwas an. Wir fühlten uns nicht schlecht, aber halt auch nicht besonders gut. An den Hängen Höhe der Alpe Rauz rutschte Marek dann sogleich weg und machte Bekanntschaft mit dem Matsch. Und dann setzte auch schon der Anstieg des Grauens zur Ulmer Hütte ein. Die Sonne knallte auf den Berg und es drohte sich das Schauspiel der Etappe 1 zu wiederholen.  Es war zäh wie Kaugummi. Und zwar Hubba Bubba. Eigentlich ist das kein besonders anspruchsvoller Berg. Der Weg ist breit und nicht besonders steil, Skipiste halt. Und trotzdem wollte es nicht so recht laufen. Jeder Meter war eine Qual und selbst auf den letzten Höhenmetern kurz vor der Hütte musste Henrik nochmal verschnaufen. Mehr als eine Stunde verbrachten wir auf dem Anstieg. Das war einfach indiskutabel und dementsprechend angefressen verpflegten wir uns auf der V2. Nach 3:30h waren wir dort eingetroffen und damit schon ziemlich durchgereicht – mal wieder. Es geht dann recht steil runter zum Speichersee, bevor ein letzter Stich hoch zur Bergstation des Galzig doch noch mal 100 Höhenmeter bereithält. Die gingen schon wieder besser.

Der Downhill nach St. Anton ist gut zu laufen und macht richtig Spaß. Trotzdem wurden wir die angezogene Handbremse einfach nicht los. Das Team Pitztal mit Stephanie Lieb und Reini Wohlfahrter flog dermaßen schnell an uns auf dem Weg zum Tagessieg vorbei, dass sie uns nicht mal bemerkt hatten. Es zog sich und wir mussten so einige schnellere Downhiller vorbeiwinken. Es ging sehr fair zu, überhaupt, alle Teams verhielten sich sehr sportlich. Nicht ein einziges Mal hatten wir Probleme beim Überholen bzw. beim Vorbeilassen von schnelleren Teams. Und als dann endlich St. Anton in Sicht kam und wir vor dem Arlberg Well ins Ziel liefen, waren fast 5 Stunden vergangen. Wir waren tatsächlich mehr als eine halbe Stunde langsamer als Bianca und Henrik 2019. Mit kaputtem Fuß, wohlgemerkt. Dass das nicht unsere Etappe ist, war uns vorher sonnenklar. Aber wir waren angekommen.

St. Anton – Galtür

Auf neuen Pfaden folgte der TAR 2021 nun dem Weg nach Galtür. Wir freuten uns auf die erste “längere” Etappe, immerhin waren 34 Km eingeplant garniert mit stolzen 2.450 Höhenmetern. Zwei heftige Anstiege trieben uns aber bereits vor dem Start um 8:00 Uhr die Sorgenfalten auf die Stirn. Immerhin durften wir etwas länger einrollen auf dem Weg vorbei am Kartellstausee. Hier gab es viel Forstweg und laufbares Terrain. Wir versuchten nun immer wieder, kleinere und nicht so steile Anstiege zu laufen. Das kostete viel Kraft, aber gab uns das Gefühl, zumindest einigermaßen mitzuschwimmen. Bis zur Darmstädter Hütte lief es solide. Hatten wir uns langsam akklimatisiert?

Die 300 Höhenmeter bis zum Kuchenhöchli waren schon wieder anstrengender. Sie führten über das erste Schneefeld des TARs und dann über eine kurze Kletterei. Wir blieben ruhig, auch wenn hier schon wieder so einige Teams vorbeikletterten. Der folgende Abstieg war am Anfang recht technisch und das gefiel den Running Twins ebenso wenig wie das, was kurze Zeit später geschah: ein Team überholte uns auf dem noch recht technischen Abschnitt und Sekunden später krachte einer der beiden auf die spitzen Steine und rutsche bäuchlings den zum Glück nicht sehr steilen Hang hinunter. Wir stoppten sofort und sahen nach dem Verletzten, der inzwischen saß und heftig aus der Hand blutete. Und wer denkt, so ein Erste-Hilfe-Set braucht man sowieso nicht, wurde nun eines Besseren belehrt. Marek versuchte sich mit dem Verbinden der Schnittwunde. Der arme Junge hatte aber auch sonst heftige Schmerzen. Inzwischen hatte ein weiteres Team gehalten und den Rettungssanitäter darunter hatte der Himmel geschickt. Es wurde kurz debattiert und nach Rücksprache mit der Rennleitung wurde die 112 alarmiert – der Heli musste ran. Inzwischen waren auch Wanderer an der Unfallstelle und wir wussten den Verletzten gut versorgt. An Weiterlaufen war für ihn nicht zu denken, aber wir wurden nun nicht mehr gebraucht und machten uns wieder auf den Weg.

Der Schock saß aber auch bei uns tief. Es waren nur Sekunden. Es kann jeden treffen. Und mit diesen Gedanken eierten wir runter ins Tal. An Pace war nicht zu denken und wir sinnierten noch eine ganze Weile darüber, was da oben passiert ist. Und waren heilfroh, dass es uns nicht erwischt hat. Viele Teams haben angehalten und gefragt, ob sie helfen können. Und als wir auf dem Forstweg im Tal den Helikopter sahen, haben wir gespürt, dass die TAR-Familie heute näher zusammengerückt ist. Noch mehr, dass es für uns in diesem Jahr nur ums Ankommen ging. Eine ganze Weile rollten wir gemütlich ins Tal und wunderten uns, wo denn die V2 bleibe. Das Wasser war alle und selbst Henriks Gelflasche war aufgebraucht. Wir hatten leider den Plan nicht genau studiert, denn wie uns ein anderer Läufer später sagte, sei die V2 erst auf dem Abstieg. Und so wurde es für uns ein sehr langer und langsamer Weg hinauf. Marek schob, Marek zog, und wir beschlossen, uns die nächste Etappe doch etwas genauer anzuschauen. Auf steinigem Terrain folgte der Abstieg zur langersehnten V2. In aller Ruhe tankten wir auf und zogen weiter. Was gab es heute noch zu gewinnen?

Gar nichts mehr. Die langen Forstwege mit noch einigen Höhenmetern meisterten wir zügig und auf dem abschließenden Downhill nach Galtür ließen wir es doch noch mal für unsere Verhältnisse krachen. Es machte einfach Spaß zu laufen. Zum ersten Mal hatten wir bei diesem TAR das Gefühl, dass nicht jeder Meter hart erarbeitet werden muss. Marek feierte noch den Trail über die Wiese. Nach 6:34h hüpften wir über die Ziellinie. Wir waren etwas fertig mit uns. Aber wir waren angekommen.

Galtür – Klosters

Die erste Marathonetappe wartete auf die Trailrunner! Zum ersten Mal 3 VPs, dazu viele laufbare Kilometer auf dem Profil – war das jetzt endlich unser Tag? Wenn wir den letzten Anstieg zum Älpeltijoch mal wegdenken, dann traf das schon mehr die Erwartungen. Aber schön der Reihe nach. Bis zur V1 am Silvrettastausee waren wir sehr gut unterwegs. Es war angenehm kühl und viel zu laufen auf breiten Wegen. Der Weg führte dann etwa 3 Km runter, ehe es steil in den Berg auf das Hochmadererjoch ging. Auch hier war leider schnell der Ofen aus. Die brutalen Rhythmuswechsel machten vor allem Henrik zu schaffen, der immerhin ein paar schöne Landschaftsfotos auf dem Aufstieg machte.

Der Höhenweg zur mini-V2 war angenehm laufbar und auch der bewölkte Himmel kam uns entgegen. Wir fassten etwas Mut und dementsprechend in Ordnung war der zweite Aufstieg auf das Carnäirajoch. Nicht schnell, nicht langsam, wir fanden zumindest etwas Rhythmus und kamen ganz gut runter ins Schlappintal. Ein paar schnelle Kilometer zur V3 ließen uns richtiggehend euphorisch werden. Zwischen himmelhochjauchzend und zum Tode betrübt liegen beim TAR nicht viele Meter. Wir stärkten uns gut, füllten alle Flaschen auf und dachten eigentlich, dass es noch ein paar Kilometer so weiter geht. Leider hatten wir beide uns nicht so richtig den letzten Anstieg zum Älpeltijoch angeschaut und so waren wir erstmal überrascht, dass es gleich nach der V3 hochging und uneins, wieviel Höhenmeter denn noch kommen mögen.

700 Höhenmeter waren aber noch zu bewältigen. Der Akku war aber bereits leergesaugt. Und so wurde es wieder eine zähe Angelegenheit. Etwa auf der Hälfte des Bergs überholte uns TAR-Legende Holger Schulze, der seit der dritten Etappe allein unterwegs war. Die letzten 100 Höhenmeter verliefen nochmal gefühlt auf einer Rampe. Nein, gerade Henrik hatte gar nichts mehr zuzusetzen. Als endlich Martins Kuhglocke ertönte, waren 90 Minuten im Anstieg vergangen. Wie froh wir waren, endlich oben zu sein, zeigt das Selfie sehr eindrücklich.

1.250 negative Höhenmeter folgten nun noch nach Klosters. Und wieder fragten wir uns, was es heute noch zu gewinnen gebe. Selbst auf den später folgenden breiten Forstwegen konnten wir nichts mehr zulegen und ließen noch zahlreiche Teams passieren. Zum ersten Mal tat irgendwie alles weh, Zehen, Knie, Schulter. Wir wollten nur noch ins Ziel kommen und unsere Wunden am “Ruhetag” lecken. Auch das war nochmal harte Arbeit. Fast 8 Stunden standen auf der Uhr, als uns Sven Simon mit etwas mitleidigem Blick in Klosters begrüßte. Auch dieser Ritt musste erstmal sacken. Der letzte Anstieg hat uns fast gekillt. Aber wir waren angekommen in der Schweiz.

Klosters – Madrisa

Am Vorabend hatten Heini und Uta informiert, dass die 8. Etappe in Prad gestrichen wurde. So richtig böse waren wir nicht darüber, da unser Zustand durchaus in die Kategorie “angeschlagen” passte. Und nun der Bergsprint. Ein sehr schönes Format, was etwas Spielraum für Taktik lässt. Wir waren froh, einmal nicht morgens aus dem Hotel auschecken zu müssen. Um 11:04:30 Uhr war unser Slot.

Heini selbst klatschte alle Starter ab und bei wieder mal strahlendem Sonnenschein machten wir uns auf den Weg auf die Madrisa. Unser Plan war banal: wir bleiben zusammen und laufen nur kontrolliert hoch, um unsere Kräfte zu schonen. Etwas unterschätzt hatten wir dabei, dass es schon sehr warm war. Der Weg führte etwa 5 Kilometer noch nicht hoch, sondern sogar abwärts. Über eine spektakuläre Hängebrücke wurden wir an den Berg geführt. Schnell wurde uns klar, Marek fühlte sich wesentlich besser und konnte heute Gas geben. Deshalb gaben wir unsere Taktik nach 3 Km auf und trennten uns.

Henrik war schnell so warm, dass er sich zum Fotopoint bereits des Shirts entledigt hatte. Der Weg hoch war tatsächlich überraschend anspruchslos. Im Normalzustand wären wir sicher einigermaßen konkurrenzfähig gewesen. Und so war Marek dann 10 Minuten früher oben, was für das Selbstbewusstsein sicher nicht abträglich war. Die Stimmung auf der Madrisa war gelöst, es gab gutes Mittagessen, für uns war es ein gelungener Bergsprint. Zuviel Körner hatten wir heute jedenfalls nicht investiert.

Klosters – Scuol

Wenn den Trailrunnern die Muffe ging, dann sicher vor der “Königsetappe”. Fast 47 Km mit 4 VPs führten über einen Gipfel ins südliche Scuol. Ein 1.500 HM-Anstieg eröffnete die Etappe hinauf zum Zadrell-Pass auf 2.759m. Das war eine Ansage. Wir waren sicher, dass uns das Profil entgegenkommt, und damit lagen wir sehr richtig. Das lange Anlaufen klappte super, wir waren erstmal bei diesem TAR auf dem Level unterwegs, das wir uns vorgestellt hatten. Die Sonne hielt sich zurück und wir kamen gut voran. Auf den matschigen Wiesen hinter dem Berghaus Vereina konnten wir einige Teams überholen.

Leider konnten wir unseren guten Aufstieg nicht mit einem guten Downhill zur V2 krönen. Der Abstieg war dermaßen steinig und technisch, dass wir nur langsam vorankamen. Gefühlt flogen alle vorbei, die wir beim Aufstieg eingesammelt hatten. So richtig konnten wir die Angriffslust der ersten Kilometer nicht runterbringen. Andererseits jetzt auf Risiko zu gehen, das passte nicht zu unserem Ziel. Die V2 war dann eine Erleichterung. Ein Talwechsel später fanden wir uns auf einem herrlichen Höhenweg wieder, der allerdings auch wieder Sonne mitbrachte. Wir trailten in unserem Tempo runter Richtung V3. Locker war das keineswegs und Henrik brachte es nach einer Unkonzentriertheit sogar fertig, den Sand zu erkunden.

Sogar ein paar Straßen durften wir noch laufen. An der V3 wartete dann die herrliche Abkühlung am Brunnen und ganz viel Iso/Cola/Energydrink. Wir schauten uns an und kamen zur Erkenntnis, dass das heute unsere beste Etappe werden wird. Bis Scoul waren es aber noch 15 Kilometer. Und die waren keineswegs nur Forststraßen runterbrettern. Die V4 schien auf dem Plan ziemlich überflüssig, aber als wir nochmal in den Hang stiegen und uns ziemlich quälten bei den Gegenanstiegen, war die letzte Verpflegung sehr willkommen. Der Weg direkt am Badesee vorbei glich schon ein wenig Folter. Henrik zog es ernsthaft in Erwägung, sich da in voller Montur reinzulegen. Marek führte uns die letzten 5 Km auf Forstwegen und Straßen runter nach Scuol und auch das tat nochmal weh. Unsere Uhren zeigten 48 Km, als der Bahnhof in Sicht kam und der Running Twins-Zug nach guten 7,5h einrollte. Wir waren sehr glücklich, dass die Königsetappe geschnupft war.

Scuol – Prad

Der letzte Streich nach Italien war nicht als Auslaufen geplant. Der längste Anstieg der Tour und insgesamt nochmal 44 Kilometer deuteten ein finale furioso an. Als Ziel wurde nicht Prad City sondern “Sacramento City” ausgegeben, eine ehemalige Westernstadt, die mehrmals abgebrannt war. Ausgebrannt dürften wohl ziemlich alle Finisher gewesen sein an diesem denkwürdigen Tag. Das Wetter machte auch am 7. Tag in Folge keine Zicken und wir durften bei wolkenlosem Himmel starten. 1.800 HM am Stück konnten aber niemanden mehr so richtig schocken. Der Rennleiter gab die Parole aus, wer startet, kommt ins Ziel. Die Cut-offs wurden bereits vor dem Start gestrichen.

Wir rollten ganz ordentlich im Hauptfeld mit und schoben uns hoch auf die Fuorcla da Rims. Die V1 auf der Lischanhütte war nicht unbedingt nötig, aber wir wichen auf der letzten Etappe nicht von unserer Strategie ab, jede Möglichkeit zum Auftanken mitzunehmen. Es war ziemlich zapfig und Henrik holte sogar Mütze und Handschuhe raus, bevor die letzten Höhenmeter anstanden. Das Panorama oben war einfach gigantisch, kein Foto kann das näherungsweise wiedergeben. Wir ließen es uns nicht nehmen, auch den Martin aufs Foto zu nehmen und liefen runter.

Eigentlich ging es ja nur noch abwärts! Der Höhenweg ab Ausgang Uina-Schlucht bis zum Ziel war bereits 2019 Teil der Strecke und so fühlten wir uns da oben sehr wohl. Marek machte nochmal richtig Dampf und wenn wir den Mut und das Tempo auch nur annähernd auf den ersten 6 Etappen auf den Trail gebracht hätten, es wäre, es hätte, es müsste – who cares!

In Schlinig hüpften wir auf italienisches Staatsgebiet und genossen den ersten Iso-Espresso an der V3. Jetzt ging alles sehr schnell. Runter nach Glurns konnte uns niemand folgen. Erst nach der allerletzten Verpflegung mussten wir wieder rausnehmen. Es ging nochmal fies hoch nach Prad. Dazu eine ordentliche Wärmeglocke im Tal, die letzten Kilometer hätten wirklich etwas entspannter verlaufen können. Ein letzte Tränke, nochmal ein paar Straßen durch Prad, irgendwie war es dann fast surreal, dass es nun gleich vorbei sein würde. Nochmal 7 lange Stunden auf den Trails waren vergangen, als wir das Ding ins Ziel brachten und uns endlich die hart erarbeitete Medaille umhängen lassen durften.

Outtro

Es war ein ganz anderer TAR als 2018. Das musste erstmal sacken, weshalb dieser Bericht auf sich warten ließ. Etwas Überheblichkeit gepaart mit einer viel zu unspezifischen Vorbereitung -Henrik hatte im Mai ein paar Höhenmeter trainiert- und einer unerwartet alpineren und anspruchsvollen Strecke mögen dazu beigetragen haben. Wir waren trotzdem stolz auf das Finish. Bei keinem Transalpine Run darf man das als selbstverständlich hinnehmen.

Wir waren ein starkes Team, auch wenn die Stärken diesmal ungleich verteilt waren. Wir haben alles rausgehauen. Vielleicht war der Schuss vor den Bug ganz gut und hat uns wieder etwas geerdet und uns darauf besinnen lassen, worauf es ankommt. Gemeinsam das Ziel erreichen, für den anderen einstehen und sehr intensive Momente zu durchleben. Freude, Schmerz, Erleichterung, Glücksgefühle, Tränen, Verzweiflung, Flow liegen bei wohl keinem anderem Etappenrennen so nah beieinander wie beim TAR. Und es war nicht nur das untrennbare Band zwischen uns, das gestärkt wurde. Wir hatten in diesem Jahr das Gefühl, endgültig in der TAR Familie angekommen zu sein. Am 3. September 2022 wird die Geschichte fortgeschrieben. Wir haben keine Rechnung offen oder etwas gutzumachen.

Wir fahren dann wieder zur TAR Familie.

2 Kommentare

  1. Martin 3 Jahren vor

    Wieso kommentiert hier neimand, dass das völlig geiler Scheiss ist?

    Also: Geiler Scheiss. Well done, Jungs.

  2. Marek 2 Jahren vor

    Danke Martin, war wirklich geiler Scheiss. Sehr zur Nachahmung empfohlen 🙂 Und warum hier keiner kommentiert: nunja, wir schreiben das Ganze eh seit längerem nur noch für unsere Biographie. Insofern ist das nicht weiter schlimm.

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