Zu zweit läuft's besser.

Auf den Spuren von Paul Gerhardt – 100km durch den Märkischen Sand

Auf den Spuren von Paul Gerhardt – 100km durch den Märkischen Sand
23. Juli 2022 Marek

Die Vorbereitung auf den Mauerweglauf am 13.8. ist in vollem Gange. Ich werde bereits zum dritten Mal auf die 100 Meilen-Runde um das ehemalige West-Berlin gehen, Henrik wird es zum zweiten Mal probieren. Dafür braucht es im Vorfeld einige Kilometer im Training. Für die Generalprobe hatte ich noch eine Rechnung mit dem Paul-Gerhardt-Weg im Landkreis Dahme-Spreewald in Brandenburg offen. Der Wanderweg führt von der Berliner Nikolaikirche nach Lübben in den Spreewald und ist satte 140km lang. Er ist dem Kirchendichter Paul Gerhardt gewidmet, der im 17. Jahrhundert in Berlin, Mittenwalde und letztlich in Lübben gewirkt hat. So gibt mehrere Paul-Gerhardt-Kirchen zu bestaunen. 9 Etappen gilt es zu bewältigen, wenn man es gemütlich angehen möchte. Mein Ziel war aber klar definiert: vom Startpunkt in Lübben wollte ich die 100km bis nach Zeuthen laufen. Im letzten Jahr hatte ich zu Corona-Zeiten im April bereits einen Versuch unternommen, musste aber in Groß Köris (km55) abbrechen. Ich war schlecht vorbereitet und auch die Kälte zog mir damals den Stecker.

Was man alles so braucht auf 100km….

Die Woche zuvor wurden für den Sonntag Temperaturen von 38°C vorausgesagt, so dass ich einen Start in der Nacht für sinnvoll hielt. Da der Regio von Königs Wusterhausen nach Lübben auch nachts in gut 30min durchfährt, stand der Uhrzeit (02:00) nichts mehr im Wege. Und auch der Support war diesmal um Welten besser organisiert: ich hatte schon einige Zeit im Vorfeld mit Anni (aktuelle 24h Deutsche Meisterin, Weltrekordhalterin über 100km auf dem Laufband) über mein Vorhaben gesprochen und sie hatte sich vorgenommen, den langen Lauf in ihre EM-Vorbereitung aufzunehmen und mich zu unterstützen. Konnte eigentlich nichts mehr schiefgehen, oder?

Ich machte mich gegen 00:30 von zuhause los, um die knapp 7km zum Bahnhof in Königs Wusterhausen zu laufen (auf den Schienenersatzverkehr wollte ich mich nicht verlassen). Es war richtig frisch geworden, die 14°C fühlten sich nach den heißen Tagen irgendwie verkehrt an. Aber natürlich spielten uns diese Temperaturen in die Karten. Anni lies sich nach Groß Köris bringen und stellte dort ihr Fahrrad samt Gepäck ab. Bis hierhin wollte sie mich laufend begleiten und dann weiter radelnd mit nach Zeuthen kommen. Ganz sicher war ich mir nicht, ob das Projekt nicht wieder scheitern würde, aber wir waren guter Dinge, als wir um kurz vor 2Uhr vom Bahnhof in Lübben den Start an der Paul-Gerhardt-Kirche anvisierten. Im Gegensatz zum letzten Mal fanden wir diese auch und liefen in ruhigem Tempo aus Lübben heraus. Die ersten 25km hatte ich noch als recht langweilig in Erinnerung, insofern passte die Dunkelheit ganz gut. Es geht vorbei an einigen Teichen und auch sonst ist der Weg gut laufbar und führt über einige befestigte Wege.

Nach 16km ist Schlepzig erreicht. Hier sehen wir die ersten beiden Menschen, die in der Nacht vor ihrem Haus ungläubig auf die beiden Läufer starren, die da flotten Schrittes vorbeiflitzen. Immerhin erinnere ich mich gut an die Stellen, wo ich mich 2021 verlaufen hatte und so bleiben wir meist direkt auf dem Weg. Die Beschilderung ist sehr gut, es gibt meistens Markierungen an Bäumen und Laternen und manchmal auch schöne breite Schilder, die den Weg weisen. Es geht einige Kilometer auf dem Deich vorbei an Neu-Lübbenau, hier bricht der Tag an und es wird hell. Der Weg wird hier schon ein wenig beschwerlicher und Anni macht sogar einmal Bekanntschaft mit dem Waldboden. Die Tankstelle bei km21 lassen wir liegen, bis nach Groß Köris sollten die Vorräte reichen. Die Prognose war zumindest für mich etwas zu optimistisch, da ich nur 2×0,5l Wasser dabei hatte. Über die Schleuse in Leipsch geht es weiter in Richtung Köthen. 30km sind hier absolviert und wir sind beide noch guter Dinge.

An dieser Stelle ist ein Selfie Pflicht!

Ich hatte den nun folgenden Teil noch in guter Erinnerung. Diese Strecke bin ich mit Janos bei unserem virtuellen Rennsteig auch gelaufen. Es geht an einigen Seen vorbei und der Weg hat nun durchaus Trail-Charakter. Mit dem Fahrrad wäre ab hier kein Durchkommen mehr. Der Weg in Richtung Dahme ist nun sehr sandig, wir ahnen zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass uns der Sand weiter begleiten wird. Der Weg an der Dahme wird dann aber besser und bis Märkisch-Buchholz geht es dann über Asphalt zur Sache. Hier ist der Marathon durch und auch meine Flaschen mittlerweile leer. Anni hilft mir mit ihrem Tee aus, aber ich ärgere mich trotzdem. Dass es an einer Kreuzung grundsätzlich den schlechteren Weg weiter geht, wird langsam zum Running Gag. Kein Radweg wird benutzt, aber wir befinden uns ja auch auf einem Wanderweg! Trotzdem wird der Sand langsam zur Geduldsprobe, es kostet immer jede Menge Kraft, da durchzukommen und es macht zudem auch keinen Spaß.

Läuft doch oder?

An der Revierförsterei Hammer queren wir die Bundesstraße und setzen Kurs auf Groß Köris. Es zieht sich ordentlich und auch die Sonne kommt stellenweise heraus und brennt herunter. Ich ziehe meine Ärmlinge aus und muss ganz schön kämpfen, um den schwierigen Weg am Campingplatz zu bewältigen. Endlich kommen wir aus dem Wald heraus und feiern den Radweg an der Straße. Der Rest bis zur ersehnten Tankstelle läuft sich wieder flott. Anni holt ihr Bike und ich helfe mir 1l Cola ein, das war nötig. Die Flaschen werden aufgefüllt und weiter geht es nach Norden. Vor zwei Wochen bin ich bereits hierher gelaufen, aber der direkte Weg an der Bahn ist nur 23km lang. Wir hatten noch 45km auf dem Plan! Die langen Klamotten von Anni zahlen sich nun aus, obwohl es durchaus etwas mehr hätte sein können.

Und wieder verlassen wir schnell den schönen Hofjagdweg und kämpfen uns durch das staubige Gelände. Anni macht eine kurze Pause und ich laufe vor, verpasse dann aber eine Abzweigung und irre ohne Orientierung durch den Wald. Der GPS-Track stimmt hier hinten und vorne nicht und auch die Beschilderung lässt zu wünschen übrig. Einige Zick-Zacks später komme ich aber wieder auf den Weg. Nur wo war Anni? Vermutlich hatte sie mich zwischenzeitlich überholt und ich ziehe in sehr langsamen Tempo weiter. Der Weg ist hier ein einziger Sandhaufen und macht ein schnelles Vorwärtskommen unmöglich. In der Sonne laufe ich nun die langsamsten Splits des ganzen Tages. Zweimal rufe ich Anni an, wo sie denn abgeblieben sei und wir stellen fest, dass sie doch noch hinter mir war. Der Sand erklärt es aber. Hier hat der Fahrradfahrer einfach keine Chance.

Im läuferischen Niemandsland

Bei km63 queren wir zunächst die Bahn und dann die A13. Bis Motzen geht es über eine Panzerstraße unentwegt hoch. Auch das ist keineswegs einfach zu laufen. Ich blicke mich mehrmals um, aber von Anni ist nichts zu sehen. Dann geht es nach Motzen rein und ich informiere eine Dame mit ihrem Hund, dass sie der Mountainbikerin Bescheid geben soll, dass ich bereits durch bin. Geklappt hat es aber nicht, wie sich später herausstellte. Es geht natürlich an einer Kirche vorbei und die Strecke vorbei am See ist mir wohlbekannt von meinem ersten und einzigen olympischen Triathlon. Als es dann am Ortsausgang wieder in den Wald geht, kommt tatsächlich Anni in Sicht und schließt zu mir auf. Wir klatschen uns ab und mir ist völlig klar, warum sie soviel Zeit brauchte, um aufzuschließen. “Ich hatte einen um 20 Schläge höheren Puls als beim Laufen”.

 

Der nun folgende Abschnitt nach Mittenwalde sollte einer der Schönsten sein (wo hatte Anni bloß diese Info her?). Das genaue Gegenteil ist der Fall. Es geht einige Kilometer an der Autobahn vorbei und dann durch den Galluner Forst bis km70. Und auch hier macht uns der Sand zu schaffen. Der Wind kommt beständig aus Nordwest und macht das Unternehmen nicht einfacher. Die 5km bis Mittenwalde laufen sich aber besser weg an der Straße. Ab hier kenne ich jeden Meter der Strecke. Ausgenommen der Schlenker für die Kirche…aber das muss halt sein. Vor Ragow pausieren wir noch einmal kurz und füllen die letzten Cola-Vorräte um. Und es läuft noch immer. Ab km80 wird es dann nochmal hart. Über die Rieselfelder geht es immer gegen den Wind voran, ehe wir endlich nach Westen abbiegen können und die A13 kreuzen. Von hier sind es nur 4km nach Hause. Aber heute ist der Kopf stärker und ich will unbedingt die 100km packen. Kurz vor Königs Wusterhausen kaufen wir nochmal Cola für die letzen Kilometer. Ich frage Anni, ob wir es denn schaffen werden. “Ja, du schaffst das heute!”. Irgendwie kommen einem immer Zweifel, auch wenn der Weg plötzlich so kurz erscheint. Aber was sollte schon noch passieren? Henrik klingelt bei km90 durch und ich wimmele ihn ab. Der Funkerberg ist nochmal eine Prüfung, aber sogar der geht noch im Laufschritt.

Über die Lauseberge in Wildau geht es zur Dahme. Einer der schönsten Abschnitte der ganzen Strecke! Wir pausieren noch einmal am Ufer und ich entledige mich meiner Oberbekleidung. Die Wärme schlägt nun voll durch. Die letzten 5 Kilometer sind schwer. Es geht über die Pulverberge über einen trailigen Pfad, ich witzele über die 20 Höhenmeter meines Hausberges. Ich schicke Anni vor, die Uhr schlägt auf die 100km doch wirklich 250m vor meinem Haus um. Es ist ein erhebendes Gefühl, diese Distanz bewältigt zu haben.

 

Was nehmen aus dem Unternehmen mit? Für die Rahmenbedingungen lief es überraschend problemlos. Ich konnte relativ konstant durchlaufen und schaue dem Mauerweg etwas positiver entgegen. Der Paul-Gerhardt-Weg ist zum Laufen bedingt  empfehlenswert, zum Wandern aber mit Sicherheit. Das Fahrrad sollte man  unbedingt daheim lassen und sich auch etwas mehr Zeit nehmen, als wir es heute mit den finalen 11:25h getan haben. Gerade im Sommer ist der Weg in Teilen sehr sandig und schwer zu begehen. Das gilt es zu beachten. Der Abschnitt nach Berlin zur Nikolaikirche ist übrigens nicht mehr ausgeschildert, aber der war für mich auch weniger von Bedeutung, da ich den Weg durch die Pendelei ins Büro sehr gut kenne und man auch nicht mehr von einem Wanderweg sprechen kann.

Mein großer Dank geht an Anni, die mich großartig unterstützt hat (und für die 45km Radbegleitung wesentlich härter waren als 55km mit mir zu laufen). Wahnsinn, was du drauf hast, das ist eine ganz andere Liga, in der du spielst und läufst. Wir sehen uns am 13.8. in Berlin, wenn es heißt, nicht 100 Kilometer, sondern 100 Meilen zu bewältigen. Ich freue mich drauf.

2 Kommentare

  1. Henrik 2 Jahren vor

    Saustark, bei diesen Temperaturen und dazu noch auf diesem so gar nicht spannenden Weg – da muss man erstmal 100 Km wegschnupfen. Respekt, dass du durchgezogen hast, das zeugt von eiserner Disziplin. Ob 100k im Training nun unbedingt erforderlich sind, darüber lässt sich trefflich streiten. Aber für den Kopf war es sicher gut. Wo ist man auf dem Mauerweg nach 100 Km? In Potsdam?

  2. Autor
    Marek 2 Jahren vor

    Das weißt du ja jetzt, wo man nach 100km auf dem Mauerweg ist 🙂

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