“Wir machen wieder unser traditionelles Foto!” Brigitte und ich haben eine schöne Tradition, die 2014 auf Gran Canaria begonnen hat. Immer, wenn wir gemeinsam auf der Strecke sind und uns begegnen, machen wir ein gemeinsames Selfie. Das hat zwar seit der Premiere beim Transgrancanaria 2014 nie mehr geklappt. Aber wir hören nicht auf, es zu versuchen. So auch wieder bei den Davos X-Trails.
Ich habe wunderbare Erinnerungen an den K42 im Jahr 2015 -mein schnellster Bergmarathon ever- und den K78 im Jahr 2017 mit dem Triathleten. Leider hat sich der Swissalpine nach 2017 selbst zerlegt und aus einem traditionsreichem Trail-Event ohne Not das Konzept radikal verändert. Gerade der Verlust des K78 war tragisch – das war ein Kultlauf. Ein schneller Ultratrail, den wir 2017 in unter 9,5h absolvierten. Die Pandemie hat dem neuen Swissalpine den Rest gegeben, so dass es zum Glück im Jahr 2021 “back to the roots” hieß. Die Veranstaltung wurde umbenannt und bewegte sich wieder auf den bekannten Strecken. Als längste Distanz fungiert nun der Diamond Run über 68 Km und drei Gipfel. Daneben werden die Strecken Gold (42 Km) sowie Silber (23 Km) und Bronze (10 Km) angeboten.
Die Anreise nach Davos gestaltet sich mit dem Swiss Runners Ticket sehr einfach. Innerhalb der Schweiz fährt man also kostenfrei mit der Bahn nach und ab Davos. Und die Rhätische Bahn allein ist ein Erlebnis. Start und Ziel sind in Davos im Stadion, eine perfekte Location für das Event. Am Freitagnachmittag traf ich in Davos ein, holte meine Startnummer und checkte im Hotel ein. Mit Brigitte, Didi und Schweizer Läuferinnen saßen wir beim Pastaessen, um dann pünktlich ins Bett zu gehen, wie immer kein Auge zuzumachen und dann um 7:00 Uhr am Samstagmorgen auf die Strecke zu gehen.
Schön kühl war es beim Startschuss und es ging auf dem Asphalt raus aus Davos ins Dischmatal. Langsam, aber stetig kletterten wir hoch zum Scalettapass. Das ist schon anstrengend, weil man viele Körner verbraten kann auf einer kurzen Strecke. Ich versuchte mich zurückzuhalten und mich von Anfang an gut zu verpflegen. Das Feld war noch gut beisammen, als die ersten 300 Höhenmeter ins Land gingen. Mit dem Support der Hornbläser und weniger Zaungäste waren wir recht schnell am Scarlettapass und stürzten uns runter auf den Panoramatrail.
Der Name ist Programm, wie man auf dem Bild erkennen kann. Hier wurde ganz schön Druck gemacht und da der Weg leicht runter führt, wollten das gerne viele laufen. Für meinen Geschmack war es stellenweise sehr schmal. Der Veranstalter hatte gewarnt, dass der Trail an einigen Stellen abgebrochen ist. Als nicht so guter Scharfseher hielt ich mich deshalb zurück und ließ einige Läufer*innen passieren.
Im Großen und Ganzen lief der Panoramatrail fluffig und der zweite Gipfel mit dem höchsten Punkt (2.739 m) lag schon vor uns. Auf dem Sertigpass pausierte ich ein paar Minuten, genoss die Szenerie und freute mich über einen weitgehend harmlosen Aufstieg. Ich war noch ganz gut im Plan, was mein Ziel von unter 10 Stunden anging. Jetzt ging es erstmal runter und nur der erste Teil des Abstiegs ist etwas technisch. Ich blieb ruhig und trudelte ins Tal, ohne großes Risiko einzugehen. Ich war noch nicht sicher, wie der Fuß auf die lange Belastung reagieren würde. Und sonderlich trittsicher nach der langen Pause war ich nicht.
Etwa 6 Km zieht sich der Abstieg runter auf 1.900 m, der auf breiten Forststraßen bis zum VP weitergeht. Hier stoppte ich bereits mehrmals an den Tränken, um mein Cap nasszumachen und mich abzukühlen. Denn es wurde nun sehr warm und die Sonne war unerbittlich. Unten angekommen darf man sich entscheiden. Umbuchen auf den GOLD, dann geht es weiter talwärts Richtung Sertig Dörfli oder weiter auf den großen Runde des Diamond Runs. Der Rennarzt fragt jeden Diamond-Läufer persönlich, wie es geht und ob man sich fit für die große Runde fühlt. Da man aber eine Weile runtergelaufen ist und es einem entsprechend gut geht, dürfte kaum jemand die Option auf Umbuchung angenommen haben. So auch ich nicht.
Aber ich hatte die “Extra-Runde” unterschätzt. Es sind nicht nur 25 Km zusätzlich, es wurde sofort ein anderes Rennen. Gleich am ersten Hang merkte ich, dass das heute noch sehr hart werden wird. Gute 5 Km galt es nun zur Fanezfugga hochzuklettern. Zum Glück war es nun bewölkt und die Sonne machte eine Pause. Ich war sehr langsam unterwegs und musste mich auf den laufbaren Passagen zurückhalten. Die fehlenden Grundlagen, sie machten sich spätestens hier bemerkbar. Und es war noch nicht mal Halbzeit! Nach der Abzweigung des GOLD-Runs war es nun einsamer auf der Strecke. Ich verlor so einige Positionen, bis ich endlich auf dem Gipfel war. Beim Uphill war ich nicht wirklich konkurrenzfähig. Oben befand sich sogar ein VP. Ich füllte -wie immer- meine beiden Softflasks mit Iso und gönnte mir die erste Cola des Tages.
Wieder waren es nun 5 Km, die bis zum nächsten VP zu laufen waren. Der Downhill nach Monstein war so semi. Ich merkte meine Beine schon heftig und unter dem rechten Fuß machte sich eine Blase breit. Zudem kam nun die Sonne zurück. Wenn ich vorher noch nicht gejammert hatte, nun war es soweit. Sonderlich anspruchsvoll war es nur stellenweise, aber wenn man so lange keine Downhills trainiert hat, kommen einem ein paar Geröllpassagen wie der Berliner Höhenweg vor. Ich wurde auf dem Weg bis Monstein von 2-3 Läufern überholt. Ich war mit den Murmeltieren allein auf weiter Flur.
Brigitte hatte mir geschrieben, dass sie in Sertig Dörfli durch sei – es wurde also wieder nichts mit unserem Foto. Ich war viel zu langsam unterwegs und würde noch mindestens 90 Minuten bis zum VP brauchen. Unruhig machte mich das aber keineswegs. Weiterhin blieb ich bei meiner no-risk-Strategie. Inzwischen stiegen wir wieder auf, die letzte längere Steigung bot nochmal 400 HM. Die Nachmittagssonne tat ihr Übriges und ich hatte so meine Probleme. Weniger mit Kühen als mit den Höhenmetern. Danach geht es kupiert rein ins Davoser Tal. Viele kleine Gegenanstiege lassen nicht den Eindruck aufkommen, dass es tendenziell runtergeht. Der Abschnitt war mein schwächster und folgerichtig musste ich immer wieder Läufer passieren lassen.
Es war eine gefühlte Ewigkeit, bis wir endlich rum waren und in Sertig Dörfli einliefen. Hier war schon nichts mehr los, die Zuschauer waren längst abgezogen und nur wenige diamantene Läufer*innen hielten sich auf. Nur noch 11 Km bis ins Ziel. Die Strecke war mir nun wohlbekannt. Und man sollte sie keineswegs unterschätzen. Es geht auf einem schönen Waldweg ins Tal, aber gefühlt geht es nur hoch. Ich war ziemlich durch und schob mich mit Run & Walk ins Tal. Spaß machte das nicht mehr, aber jetzt aufhören wäre ja auch blöd. Nach etwas mehr als 11 Stunden erreichte ich das Stadion und freute mich sehr über ein gelungenes Comeback auf dem Ultratrail.
Der weite Anfahrtsweg hat sich also gelohnt, obwohl es wieder nicht geklappt mit unserem Foto auf der Strecke. Vielleicht hat sich die Tradition inzwischen aber insofern geändert, als es immer beim Versuch bleiben wird. Wir wissen es nicht und werden es bestimmt im nächsten Jahr wieder versuchen. Wir haben die Davoser Trails gerockt und da tut es als Entschädigung das Foto unter dem Zielbogen. Gruezi, Davos!