Vom Versuch, ein Triathlet zu werden

Es muss an einem kalten Wintertag in diesem Februar gewesen sein. Zu dem Zeitpunkt war klar, dass 2018 ein laufarmes Jahr ohne große Höhepunkte werden würde. Damit mich nicht die läufer-typische “ohne-Laufen-geht-es-nicht”-Krise erfasst, beschloss ich einfach, mich für 2 Triathlons anzumelden: den Sprint in Berlin und – man muss sich ja entwickeln – die olympische Distanz (OD) in Kallinchen im brandenburgischen Zossen, sehr wohnortnah und daher quasi prädisteniert. Nach meinen ersten beiden Sprints in Hamburg und in Berlin mit dem MTB lieh ich mir im März von Michael sein Rennrad. Damit müßte es doch fixer auf der Radstrecke gehen. So dachte ich. Die erste Pleite kam schon in Berlin: aufgrund der Windschattenfreigabe waren nur normale Rennrad-Lenker erlaubt. Da Michael früher mal so richtig profimäßig unterwegs war, hatte er einen Zeitfahr-Lenker montiert. Das Rennen war schon vor dem Start für mich beendet. Wer weiß, vielleicht hätte ich mir das mit der OD dann doch nochmal durch den Kopf gehen lassen. Tat ich aber nicht.

Und so kam der 27.08. schneller als mir lieb war. Nach einer ruhigen Woche fühlte ich mich durchaus fit und war zuversichtlich, dass ich die Sache doch ordentlich über die Bühne bringen kann. Abends zuvor liefen noch die “Ninja Warriors” im TV. Ein wenig gelächelt habe ich über den Ultra-Läufer, der schon alles Verrückte geschafft hat und dann am ersten Hindernis, der Drehscheibe, wie ein nasser Sack ins Wasser fiel. Ich ahnte nicht, dass er mir beim Triathlon immer wieder vor mein geistiges Auge kam. Er war für den Sport nicht gemacht – und ich war es nicht für den Triathlon. Das ging mir die ganze Zeit durch den Kopf und trotzdem habe ich mich durchgebissen. Zu mehr hat es einfach nicht gereicht am Sonntag. Die Enttäuschung war dementsprechend groß, mittlerweile kann ich drüber lachen. Was war passiert?

An Material (Triathlon ist ja durchaus eine kleine Materialschlacht) hatte ich alles dabei, als wir gemeinsam am Sonntagmorgen um 07:30 in Kallinchen einfuhren. Bis auf meine GPS-Uhr. Ein erster kleiner Dämpfer, aber was solls, geht auch ohne die Technik. Rad war fix eingecheckt und wir chillten noch etwas im Strandbad. Da es recht frisch war (19° Wasser), waren Neos erlaubt und ich war so ziemlich der einzige, der mit freiem Oberkörper am Start stand. Vielleicht habe ich mich da gleich etwas beeindrucken lassen. Nach dem ersten Gewusel wurde es leerer um mich herum. Ach, das war ja klar, dass ich nicht vorne mitschwimmen kann. Die Orientierung machte mir schwer zu schaffen. Links, rechts, Brustschwimmen. Nach der ersten Runde ruft mir Britta “22min” zu und ich war etwas geknickt, dass ich so langsam war. Nungut, dann eben eine schnelle zweite Runde! Dass ich zu dem Zeitpunkt schon ganz hinten war, wurde mir nicht bewusst. Und es lief doch ganz gut. Nur das Zick-Zack nervte. An der ersten Boje schwamm neben mir jemand, also ich war nicht Letzter! Dass dann das DRK-Boot immer verdächtig nah bei mir war, wunderte mich dann doch etwas. Irgendwann war es dann doch geschafft und ich blickte mich ungläubig um – da war niemand mehr hinter mir! NIEMAND. Ich konnte es kaum fassen, als mir Britta das auch noch bestätigte. Was war passiert? Unglaubliche 53min hatte ich gebraucht. Ich lief mit dem Vorletzten zum Wechsel und konnte die Zeitmessung doch tatsächlich vor ihm erreichen!

Danach war ich so geknickt, dass ich schon ans Aufgeben dachte. Außerdem war mir verflucht kalt. Beim Umziehen zitterte ich wie verrückt. Mein Rad musste ich nicht suchen – es war ja das Einzige, was noch in der gesamten Wechselzone stand! Schon ein komisches Gefühl, aber was will man machen. Irgendwie wuchtete ich mich aufs Rad, klickte mich ein und strampelte los. Sonne, wo war bloß die Sonne? Zum Glück fror ich nicht weiter und konnte eine kleine Unaufmerksamkeit am Anfang abfangen, bevor ich im Straßengraben gelandet wäre. Gepasst hätte es zu diesem Tag. Ich grübelte die ganze Zeit über das Schwimmen und kam überhaupt nicht rein. Die ersten waren schon auf der letzten Runde und kassierten mich mühelos. Die ganze Zeit wollte ich endlich mal Gas geben, aber irgendwas zwischen nicht-Können und nicht-Wollen hat es verhindert. Der Glaube an die eigene Leistungsfähigkeit ging vorher im Motzener See baden. “Ziel bitte rechts fahren!” – ja, ich musste aber nach links auf noch eine Runde, auch wenn es die Helfer nicht glauben wollten. Ich auch nicht. Habe ich die letzte Runde wirklich noch beschleunigt? Ich werde es nie in Erfahrung bringen, auf jeden Fall konnte ich tatsächlich noch einen Mann überholen. Ob dieser Magenkrämpfe oder einen schleichenden Plattfuss hatte, ließ sich nicht mehr zweifelsfrei klären. Es muss damit zu tun gehabt haben.

Als ich dann in die Wechselzone rollte, rief mir ein Ordner zu: “hast wohl noch Kaffee getrunken unterwegs!?”. Ich war so perplex, dass ich nur irgendwas wie “nee, gab nur Bier” gestammelt habe. Das hat mich dann nochmal richtig runtergezogen. Aber ich freute mich aufs Laufen und alle anderen Helfer waren ausnahmslos positiv und motivierend drauf, vielleicht habe ich auch nur den seltsamen (und leider auch unpassenden) Humor des Herrn nicht mehr aufnehmen können. Mir persönlich würde so etwas aber nie über die Lippen kommen, gerade wenn der letzte Sportler reinkommt. Ich hätte ja auch einen Platten haben und deshalb nicht früher ankommen können. Insgesamt war aber auch die Radrunde eine einzige Enttäuschung. Zwar habe ich keine Nettozeit (ohne Wechsel), aber hier hatte mir auch dank des Materials wesentlich mehr erhofft. Mit ein paar Pendelfahrten zur Arbeit ist es halt nicht getan. Das schonmal als Erkenntnis.

Und Laufen? Mir ging es nur noch darum, den letzten Platz zu verhindern. Dass ich das einmal erleben sollte! Aber so war es nunmal. Auch wenn die Einsicht hart war, nahm ich nochmal alles zusammen und wetzte los. 3 Runden mit einem kleinen Anstieg waren zu bewältigen. Die Siegerehrung lief in vollen Touren, wie konnte ich ernsthaft vorher glauben, hier mithalten zu können? “Bis zum nächsten Jahr” hieß es auf meiner zweiten Runde fast immer. “Ich komme nochmal vorbei” entgegnete ich immer. “Ja, kein Problem, wir warten hier auf alle.” Einfach toll, was die Helfer dort leisten. Ein ganz großer Pluspunkt einer insgesamt starken Organisation. Und auch wenn es mir wie eine halbe Ewigkeit vorkam, das Ziel kam näher und ich beschleunigte tatsächlich nochmal auf den letzen 500m. Meine Jungs liefen die Zielrunde mit (haben sie wirklich “man, ist das schnell!” gesagt??) und ich jubelte mich ins Ziel. Ich war physisch und geistig total fertig und trotzdem glücklich, dass ich das zu einem würdigen Ende gebracht hatte. An diesem Tag zählte nur das Finish.

So richtig erklären kann ich mir die Leistung auch heute noch nicht. Vielleicht muss ja die bittere Erkenntnis, dass es einfach nicht zu mehr gereicht hat, auch noch etwas reifen. Eine Zeit von 03:03:48 über eine OD. Vorher hätte ich drüber gelacht. Jetzt aber freue ich mich über das Erreichte und versuche, die vielen Erfahrungen in neue Energie umzusetzen. Der Versuch, ein Triathlet zu werden – an diesem Tage ist er gescheitert. Aber deswegen noch lange nicht begraben.