Trailrunning auf dem Brienzergrat – oder auch nicht

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Ein Grat ist die oberste, oft scharfe Kante eines Bergrückens. Wer ihn entlangwandert, muss aufpassen, nicht auf eine Seite hinunterzufallen.

Brienzergrat_RT_02Wer redet denn von Wandern? Laufen wollen wir! Im RunnersWorld Laufkalender 2014 (der hängt ja schließlich wegen der schönen Bilder) zierte den Monat April wieder ein prächtiges Bild vom Brienzergrat. Nun bin ich am Wochenende mit Lauffreundin Katja-Maria endlich dazu gekommen, ins Berner Oberland zu fahren und diesen traumhaften Trail zu laufen. Ein wenig Vorbereitung bedarf diese Tour allerdings schon. Denn oberhalb des Brienzer (ausgesprochen: “Briejenzer”) Sees wartet die längste und wohl spektakulärste Gratwanderung der Alpen auf Wanderer und Trailrunner. Wir haben uns für die Variante ohne Schnörkel entschieden und starteten nach einer Übernachtung im Berghaus Rothorn Kulm vom Brienzer Rothorn (2.350m üNN) Richtung Harder, der Hausberg der Gemeinde Interlaken. Auf das Rothorn muss man nicht hochsteigen. Die kultige Brienzer Rothorn Bahn fährt noch mit Dampfloks. Allein die einstündige Auffahrt ist ein Erlebnis, wenn auch ein nicht ganz billiges. Hier oben lebt eine ansehliche Kolonie etwa 170 Steinböcken, die nicht gejagt werden dürfen.

Brienzergrat_RT_07Nachdem ich in der Vorwoche erfolglos versucht hatte, einen Betonpfeiler niederzurennen, war ich leider nicht im Vollbesitz meiner Kräfte. Vor allem die Arme schmerzten nach den sehr heftigen Prellungen. Das behinderte uns leider erheblich. Schon nach dem Chruterenpass mussten wir nämlich klettern, nachdem wir zunächst den Wanderweg nach unten eingeschlagen hatten. Das kostete leider schon viel Kraft, so dass wir nur langsam vorankamen. Vom Rothorn bis zum Augstmatthorn, also in westliche Richtung, ist der Gratweg kein ausgewiesener Wanderweg. Wer bis zum Harder will, sollte zwei Drittel der Zeit bis Augstmatthorn und ein Drittel bis Harder Kulm einplanen. Ist der Weg laufbar? Im Prinzip schon. Es sind ca. 20 kleinere und größere Gipfel zu erklimmen und der Weg ist meist recht steil. Aber zumindest zwischen diesen Gipfelchen kann man langsam laufen. Wirklich schmal und eine Prüfung für die Schwindelfreiheit wird der Weg nur an wenigen Stellen – auch wenn es auf den Bildern schlimmer aussieht. Klettern muss man aber auch mal. Besonders an der Ostflanke des Tannhorns bekommt die Tour Klettersteigcharakter. Da ging mir ganz schön die Düse. Ein gutes Profil unter den Trailschuhen ist Pflicht. Brienzergrat_RT_10Die Abstiege sind gut machbar, nur nass darf der Weg nicht sein. Dann hört der Spaß sehr schnell auf. Die Tour sollte keinesfalls nach einem nächtlichen Regenguss angegangen werden. Leider hatten wir uns gegen Stöcke entschieden. Die kann man aber sehr gut gebrauchen. Ab Augstmatthorn wird der Weg breiter und fester. Ein richtig idyllischer Waldweg folgt bis zur Harder Kulm, auf dem man wieder heizen kann. Allerdings ist der mit viel Wurzelwerk gespickt und geht ständig auf und ab. Hier muss man unverändert konzentriert laufen, um nicht auf den letzten Meter noch zu stürzen. Wer noch Reserven hat, läuft die 5 Km und 700 HM bis Interlaken runter. Alle anderen nehmen die Harderbahn.

Brienzergrat_RT_05Der Gratweg hat gute 21 Km und ca. 1.200 Höhenmeter. Da wir im Sinne unserer Sicherheit sehr gemütlich unterwegs waren und nur wenige Abschnitte gelaufen sind, haben wir dafür gute acht Stunden benötigt. Für den Abstieg nach Interlaken nochmal gute 50 Minuten. Man kommt auch nicht so richtig voran, weil man immer wieder stehenbleibt und sich an dem Panorama nicht sattsehen kann. Eine betörende Landschaft mit unbeschreiblichen Ausblicken entschädigt für die Strapazen, die man mit dem Brienzergrat auf sich nimmt.

Es lohnt sich.