Endlich wieder Seen!
Das zugegebenermaßen etwas platte Wortspiel haben wir uns nicht selbst ausgedacht, sondern die Organisator*innen des Schweriner Seen Trails 2022. Bei allen anderen Dingen rund um dieses Event haben sie sich jedoch selbst übertroffen.
About last Saturday in Schwerin:
Samstagmorgen 8:00 Uhr in der Landeshauptstadt von Mecklenburg-Vorpommern fanden sich gut 150 Mutige ein, die die “große Runde” um die Schweriner Seen in Angriff nehmen wollten. Groß ist hier nicht untertrieben, stolze 61 Km sind zu absolvieren. Und auch “Trail” ist nicht danebengegriffen. Es geht einen großen Teil der Strecke nicht auf Asphalt zur Sache. Sicherlich nicht vergleichbar mit den Trails auf Gran Canaria, aber hey – endlich wieder Trail!
Marek hatte sich schon früh angemeldet und ich habe mich in meinem üblichen Übermut kurzfristig entschlossen. Natürlich ohne zu schauen, wie weit es eigentlich von München nach Schwerin und wie die Strecke beschaffen ist. Sind ja auch Nebensächlichkeiten. Viel wichtiger war, dass wir uns an unserem Geburtstag treffen konnten und ein wenig überrascht waren wir selbst darüber, uns so schnell nach Gran Canaria wiederzusehen und vor allem: gemeinsam an einem Wettkampf teilzunehmen.
Start und Ziel sind beim Schweriner Seen Trail nicht identisch. Los geht es vor dem Schweriner Schloß. Vom Basecamp in der Turnhalle am Seeufer sind etwa 2,5 Km im Rahmen des “warmen Starts” vom versammelten Feld zu laufen. So kann man sich etwas einrollen. Das Ziel ist “am Kran” am Seeufer, auch ein tolles Setting, denn auf den letzten Metern läuft man unter diesem Industriedenkmal durch.
Um kurz vor Acht geben Frederik und Birger vom Orgateam noch ein Race Briefing. Die neuralgischen Punkte der Strecke werden erklärt, und auch auf die Nachhaltigkeitsmaßnahmen wird eingegangen. Alles, was wir dazu gesehen haben, ist vorbildlich. Es gibt Shirts nur auf Bestellung zu kaufen. Die Medaille ist aus Holz. Die Verpflegung fleischlos. Die Laufcommunity zeigt, dass es gar nicht so schwierig ist. Eine große Meute von “Laufen gegen Leiden” honorierte das mit der Teilnahme am SST.
Wir heizten pünktlich um 08:30 Uhr los und gegen den Uhrzeigersinn am Ostufer hoch. Marek sortierte sich sofort an dritter Position ein, ich hielt mich etwas mehr zurück und trabte etwa in 4:45er Pace auf dem Radweg. Eine Top 10-Platzierung sollte für Marek drin sein, vielleicht sogar mehr?
Der erste richtige Trail folgte nach 10 Kilometern und hatte es in sich. Teils folgte nur ein Singletrail dem Ufer und auf dem lagen oft umgestürzte Bäume. Es durfte geklettert werden. Nicht schlimm, aber das kostete immer etwas Kraft und Pace. In einem Bach kurz vor dem zweiten VP zog es mir dann fast den Schuh aus, weil es ja unbedingt auf kürzestem Wege darüber gehen musste. Es folgte ein Acker mit schön tiefen Traktorspuren. Trail war angekündigt und Trail wurde geliefert.
Nach der Halbmarathon-Marke konnte ich auf dem etwa 7 Kilometer langen Radweg nochmal drücken, bevor die Oberschenkel ihr Klagelied einstimmten. Ein Ehepaar rief mir zu, dass ihnen mitgeteilt wurde, es seien “nur noch 35 Kilometer”. Das stimmte, ich fand das sehr niedlich. Die Halbzeit näherte sich also und damit die nördliche Spitze des Schweriner Sees. Ein breiter, gut laufbarer Waldweg war meine vorerst letzte gute Phase.
Dann musste ich rausnehmen und zwei Läufer passieren lassen. Das Gel wirkte gar nicht mehr und ich hatte überhaupt keinen Appetit auf meine Riegel. An den bisherigen drei Verpflegungen hatte ich nur ein paar Bananenstückchen gegessen. Unter dem Strich reicht das halt nicht. Ich musste echt kämpfen, um einigermaßen würdevoll zur Verpflegung bei Km 37 zu kommen. Dort machte ich dann etwas länger Halt, gönnte mir Cola und Schnittchen. Janos flog regelrecht vorbei.
Das übliche Tief vor der Marathon-Marke hatte also wieder zugeschlagen, was ich vor allem auf die hohe Pace auf den ersten 20 Km mit schwacher Verpflegung zurückführte. Die Singletrails am Westufer waren nicht weniger anspruchsvoll und ich stellte mich ziemlich an, um über die Bäume zu klettern. Andere sprangen einfach drüber. So einige Läufer überholten mich, aber mehr als eine Sechser-Pace konnte ich bis zur Marathon-Marke nicht aufbieten.
Es folgten einige unangenehme Steigungen, bevor der Weg teilweise auf einer Panzerstraße entlang führte. Die Verpflegung bei Km 45 war gut besucht, jetzt war richtig Action auf der Strecke. Ich gönnte mir einiges an Cola und konnte auf einigen Abstiegen wieder Gas geben, wobei mir der HOKA Clifton 8 hier größere Schwierigkeiten machte und ein Trailschuh wirklich besser geeignet gewesen wäre. Auf dem Weg zu Km 50 schmiss ein Gärtner seine Sträucher mitten auf den Trail. Man muss nicht alles verstehen.
Psychologisch wichtig war das 50 Km-Schild. Ich konnte jetzt wieder den einen oder anderen Läufer einsammeln und hatte mich etwas gefangen. Stehenbleiben war keine gute Idee, da ich dann immer nur schwer wieder in Gang kam. Ich labte mich an der Cola, die mir jetzt wirklich half. Zur Verpflegung bei Km 53 wurden wir den Paulsdamm hochgeschickt. Das war eine gute Gelegenheit, nochmal zwei Plätze gutzumachen, denn so richtig hochlaufen wollte hier niemand.
Inzwischen waren auch die 33 Km-Läufer*innen auf der Strecke, das gab etwas Selbstbewusstsein, da das der hintere Teil des Feldes war und ich gut überholen konnte. Birger sprach bei Km 58 nochmal Mut zu und man konnte den Moderator auf der gegenüberliegenden Seite schon hören. Das half ungemein. Ich richtete mich ein und ließ den Läufer gewähren, den ich am Berg kurz zuvor kassiert hatte. Es rollte wirklich fluffig ins Ziel, einmal durch den Kran und “Thorsten” wurde begrüßt. Thorsten war der ursprüngliche Inhaber meiner Startnummer.
Marek wartete schon 15 Minuten auf mich und besorgte uns das Zielbier. Ich habe mich sehr gefreut, dass es ohne größere Probleme gelaufen ist und wir beide die 61 Km souverän weggeschnupft hatten. Die Locals wissen halt doch besser, wie dieses Brett am cleversten zu laufen ist. Das hat richtig Spaß gemacht, wir haben sehr entspannte Leute getroffen und sind mit dem Ergebnis mehr als zufrieden.
Da ist dann das Wortspiel wirklich verzeihlich.