Rennsteiglauf Supermarathon die Vierte

Das schönste Ziel der Welt!

Satte 3 Jahre sind seit meinem letzten Ausflug auf den legendären Rennsteig im Thüringer Wald schon vergangen. 2020 bin ich noch mit Janos virtuell die Strecke in Brandenburg gelaufen, aber 2021 ging die Oktober-Ausgabe an mir vorbei. Grund genug, sich diesmal rechtzeitig anzumelden und Nägel mit Köpfen für meine 4. Teilnahme zu machen. Halbmarathon, Marathon, Supermarathon – es kommt ja letztendlich immer nur eine Distanz in Frage, sonst lohnt sich die Anreise ja fast nicht.

Die Vorzeichen verschlechterten sich leider die Wochen vorher mehr und mehr. Nach dem bösen C. im Januar bin ich nicht mehr richtig in Fahrt gekommen und die leidige Erkältung, die ich schon seit Wochen mit mir rumschleppe, meldete sich am Freitag lautstark, als wir mit dem ICE Kurs in Richtung Eisenach setzten. Vereinskollege und Coach Tommy hatte sich entschieden, nach 6 Jahren Abstinenz auch wieder auf den langen Kanten zu gehen. So konnten wir in unseren Vereinsfarben am Freitag Abend beim Italiener am Markt noch gemeinsam die Kohlenhydratspeicher füllen, bevor die natürlich viel zu kurze Nacht gegen 04:00 auch schon wieder beendet war.

Der Marktplatz in Eisenach vor dem Start

Mir ging es wirklich bescheiden, als wir auf dem Marktplatz noch bekannte Gesichter herzen und uns gegenseitig motivieren. Janos, Felix, Enrico, Gaston, Katja…man könnte meinen, es sind wieder alle gekommen. Der Schneewalzer und das Rennsteiglied rufen bei den Teilnehmern so früh noch keine Begeisterung hervor und dann geht es auch schon los. Durchkommen, das war meine einzige Devise, alle anderen Ziele hatte ich lieber vorher ad acta gelegt.

Die Strecke war mir wohlbekannt, so dass ich diesmal nur versuchen wollte, taktisch klug zu laufen. Sonst ist das nicht gerade meine größte Stärke. Den Puls so weit we möglich im unteren Bereich halten, kann das klappen? Die ersten Kilometer bis zum Inselsberg (km25) verfliegen immer schnell, es geht satte 950 Höhenmeter hoch, wobei aber nur der letzte Kilometer wirklich steil ist. Tommy läuft immer 200m vor mir und nach 15km kommen wir wieder zusammen. Wir treffen zwei Ersttäter aus der Nähe von Köln und quatschen mit ihnen. So erfahre ich, dass ich zumindest einen von ihnen beim TAR wiedersehen werde. Kurz vor dem Gipfel verliere ich die Jungs dann und bin fortan alleine unterwegs. Die Zeitmessung oben zeigt eine 02:22 an – ich hätte gedacht, dass ich doch ein paar Minuten fixer unterwegs bin. Aber alles ist im Rahmen, den steilen Abschnitt runter komme ich flink und problemlos runter und der kommende Teil ist leicht abschüssig, so dass ich hier ohne größere Anstrengung laufen kann.

Es ist wirklich frisch, die 10°C am Start scheinen nicht weiter nach oben zu gehen und in höheren Lagen pfeift der Wind heftig. Ins Schwitzen kommt man also nicht. Die meiste Flüssigkeit verliere ich über die Nase – da war ja noch was, aber ich versuche, die Nebengeräusche so gut es geht zu ignorieren. Das klappt bis zur Ebertswiese bei km37 richtig gut. Ich werde angesagt, das tut auch gut und bleibe stur bei meiner Verpflegungstaktik: ordentlich Tee und ein paar Bananenstücke. Mehr brauche ich nicht. Neben mir versucht sich ein Radler an dem steileren Anstieg nach dem VP und ich bin gehend sogar schneller. Die Marathonmarke ist schnell passiert, danach wird die Strecke mit einigen Rampen etwas gemeiner. Niemand läuft diese mehr hoch. Das 50km-Schild verpasse ich irgendwie, als mich Janos bei einer Pipi-Pause überholt. Wie immer hat er sich das Rennen besser eingeteilt, aber mir geht es verglichen mit den Jahren zuvor wirklich noch gut. Kurz vor dem Grenzadler läuft mir der Falk entgegen. “Den Laufstil kenne ich doch!”. Das motiviert mich nochmal richtig und in Oberhof geselle ich mich auf Platz 59 ein. Ich bin 17min hinter meiner Bestzeit und rechne kurz hoch, dass die 7h-Marke ohne Weiteres machbar ist, wenn ich so weiter mache. Ich halte mich nicht lange auf, nach dem Pausentee geht es wieder hoch und auch der folgende Anstieg geht überraschend flüssig.

Der große Beerberg hört sich schwieriger an, als es eigentlich ist. Der Anstieg ist weder steil noch besonders lang, bevor man zum höchsten Punkt der Strecke kommt. Vorher passiere ich noch den “VP Schnaps” von Edwin. Hier gibt es alles, um sich richtig abzuschießen, der Weihrauch verleiht diesem Ort eine mystische Atmosphäre. So verlockend das Bier auch sein mag: ich ziehe durch und gehe kein Risiko bei der Verpflegung ein. Den VP kennen wir noch vom Transalpine Run. Auch hier stand Edwin immer ein paar Kilometer vor dem Ziel. Herrlich!

Dann kommt auch schon die Schmücke in Sicht, von hier sind es keine 10km mehr und es geht (fast) nur noch runter. 06:05 stehen auf dem Chronometer. Nach dem Wurzeltrail stoßen die Wanderer zu uns auf die Strecke. Die Anfeuerungen sind extrem motivierend, auch wenn ich das Tempo der letzten Jahre auf dem Downhill heute nicht gehen kann (und will). TAR-Mitstreiter Hans zieht vorbei, die Platzierung spielt so gar keine Rolle mehr vor dem letzten Anstieg. Auch wenn man hier noch einige Plätze nach vorne rücken könnte, da kaum einer hochläuft.

Vor mir läuft Axel Teichmann, ein ehemaliger Profi-Biathlet und in der Region anscheinend sehr bekannter Sportler. An den Platzierungen ändert sich aber nun nichts mehr, als ich endlich auf die Zielgerade einbiegen kann und im Trubel der Finisher verschwinde. Ich nehme mir wie immer noch 15min Zeit und setze mich mit dem Zielgetränk an den Zaun, um die einlaufenden Teilnehmer zu beobachten. Es ist einfach schön, die Erleichterung und die strahlenden Gesichter zu erblicken, es wird sich umarmt, gejubelt und auch Freudentränen fließen. All diese Emotionen sind so nachvollziehbar, weil man eben erst selbst auf dieser kleinen Reise durch den Thüringer Wald war.

Was bleibt von meinem 4. Rennsteig-Finish? Ich bin absolut im Reinen mit mir, was das Ergebnis von 06:51 anbetrifft. Klar fehlen da knapp 25min auf die Bestzeit, aber hier und heute bin ich mir sicher, dass ich mit vertretbarem Aufwand das Optimale erreicht habe. Es war kein Rennen im roten Bereich und auch das stimmt mich positiv: anscheinend bin ich doch in der Lage, auch einmal taktisch zu laufen und das Finish über alles zu stellen. Dafür bekommt man am Rennsteig ein großartiges Erlebnis geschenkt, das noch einige Zeit nachwirkt. Was es für die weitere Saison bringt, wir werden es sehen. Jetzt heißt es erstmal wieder 100% gesund und fit zu werden, die großen Aufgaben stehen noch bevor.

Klassentreffen auf dem Rennsteig

Nachdem wir 2016 das erste Mal auf dem Rennsteig zugegen waren, wollten wir es dieses Jahr beim Supermarathon nochmal wissen. Die Premiere glich damals doch eher einem über 70km langen Leidensweg mit vielen (un)freiwilligen Zwischenstops als einem richtig gelungenen Ultra-Rennen. Gesagt – und nur zur Hälfte getan: Henrik konnte in den letzten zwei Wochen die Transvulcania-Blessuren nicht wegstecken und hatte sowohl mit den Nachwehen als auch mit starker Auslastung im Job zu kämpfen. Das passte nicht zusammen, also entschieden wir gemeinsam am Donnerstag: nur ein Twin wird auf den Rennsteig gehen. Und das war dann eben meine Wenigkeit.

 

Der Rennsteig…

muss erstmal erreicht werden. Für die Supermarathonis lautet der Startort: Eisenach! Ich schiffte mich bei Stefan und seiner UA-Crew ein, die pünktlich am Freitag Nachmittag von Berlin in Richtung Eisenach “flog”. Während der Autofahrt hatte ich jedenfalls einen konstant höheren Puls als auf dem Gipfel des Großen Beerbergs (Stefan erzählte uns erst später, dass er bei Sixt keine Autos mehr bekommt). Geplant hatte ich eine Übernachtung im Gymnasium in Eisenach, die UA-Crew nahm mich aber in ihr bequemes Quartier (ca. 40km von Eisenach entfernt) mit auf, so dass ich nach der Startnummernabholung und einem feinen italienischen Essen nur kurz, aber richtig gut schlafen konnte. Im Traum lief ich die Strecke schonmal ab, unterwegs allerdings verlor ich meine Startnummer. Ein schlechtes Omen? Das geplante Frühstück in der Schule schenkten wir uns spontan, der Kaffee an der Tanke reichte uns, mein obligatorischer Cliffbar-Riegel und das Brot vom Vortag dienten mir als Energie-Grundlage. Genug zu futtern gibt es ja eh immer auf der Strecke!?

 


Der Rennsteig…

hält einige Traditionen bereit, denen man nicht entkommen kann. Dazu gehört auch das Rennsteig-Lied, das kurz vor dem Start ertönt und von allen Kehlen lautstark geträllert wird. Die Minuten bis dahin vergingen ziemlich unaufgeregt. Janos fand ich sofort, Christian stand Gewehr bei Fuß und auch mein Lauf-Mentor Falk “überfiel” mich rechtzeitig, um meine Taktik abzuklopfen und mir die Nervosität zu nehmen. Er hatte sich doch tatsächlich um 03:30 in Oberhof in den Bus gesetzt, um die Rennsteig-Läufer zu supporten! Seine Anwesenheit sollte sich noch als Glücksfall für mich herausstellen. Der Hubschrauber kreiste bei fantastischem blauen Himmel und dann ging es auch schon los auf die ersten Kilometer in Richtung Rennsteig.

 

Der Rennsteig…

wird nicht auf den ersten 25km entschieden. Das sagen wirklich alle alten Hasen und es stimmt ohne Frage. Eine gute Taktik muss man sich also bereitlegen. Für die ersten 25km zum Inselsberg hatte ich mir 02:15 vorgenommen. “Pack da mal noch 10min rauf” riet mir Falk vor dem Start. Das erschien mir dann doch etwas zu konservativ, zumal wir vor 2 Jahren ziemlich genau mit dieser Zeit durchgingen und ein wenig Polster wollte ich schon herauslaufen. Die ersten Kilometer war ich mir sehr unsicher, ob die Beine wirklich bereit waren für gute 75km. Es war teilweise ganz schön anstrengend, aber es geht ja auch durchweg hoch. Janos lief sehr schnell los und ich sah seinen wirklich eleganten Laufstil, wollte aber nicht zu sehr drücken, um aufzuschließen. Warum auch – ich wollte partout mein eigenes Rennen machen. Nach 7km beim ersten VP stand Falk und ich rief ihm zu, dass ihm doch beim nächsten Mal meinen Rucksack geben würde. Mit den zwei Softflasks und dem Trinkvorrat war es schon recht schwer – und auch völlig unnötig. Auch das hatte mir Falk vorher gesagt, ich wollte es aber nicht wahrhaben. “Komm, schmeiß her das Ding” – und schon war ich ihn los. Gleich viel angenehmer! Eine Softflask nahm ich noch in die Hand und behielt sie auch bis ins Ziel. Im Nachhinein klopfte ich mir für diese Entscheidung auf die Schulter. Enrico lief vorbei, wir plauderten noch etwas über seinen Transvulcania, bevor er von dannen zog. Auch Annika Krull (am Ende 2.) lief den einzigen Trail bei km18 vor mir hoch und verschwand aus langsam aus meinem Blickfeld. Es war merklich leerer auf der Piste als vor 2 Jahren. Kein schlechtes Zeichen, dachte ich mir, das Tempo kann jetzt so langsam nicht sein.

 


Der Rennsteig…

hält nur wenige Ausblicke auf der Laufstrecke bereit. Einer davon findet sich auf dem Großen Inselsberg. Natürlich nur, wenn man etwas Zeit mitbringt und nicht sofort wieder den Abstieg runterfliegt. Bis zum Inselsberg bloß nicht abschießen, lautet die oft gehörte Devise. Wer hier zuviel Körner aufbraucht, hat sogut wie verloren. Ich hatte den Anstieg zum Glück steiler in Erinnerung und kam für meine bescheidenen Verhältnisse gut hoch. Kurz hinter dem Gipfel erwartete mich auch schon der Falk. Ich sollte schön ruhig runterlaufen, mich gut verpflegen und dann den nächsten Teil mit verhaltenen 5min/km angehen. “Rennst du da jetzt wieder hoch?” fragte ich ihn, obwohl ich die Antwort schon kannte. Das Ganze hat er dann wirklich noch mehrmals durchgezogen (in Jeans!). Aber seine Hinweise und Motivation gaben mir die Sicherheit, dass das heute was werden könnte, mit mir und dem Rennsteig.

 


Der Rennsteig…

hat mit Trailrunning wenig zu tun. Da muss man schon ehrlich sein. Es folgte nun ein 3km-Beton-Abschnitt, an den ich null Erinnerung hatte. So ging es mir noch ein paarmal später. Ich vermute, es liegt daran, dass man in schwierigen Momenten einfach keinen Blick für die Strecke hat und nichts speichert. Der Wanderweg ist zum großen Teil eine Wald-Autobahn auf breiten Forstwegen, erst im zweiten Teil wird es ein wenig anspruchsvoller, aber immer gut laufbar. Vor 2 Jahren hatte ich schon einen Hänger auf diesem Abschnitt und horchte ständig in mich herein, das sollte nicht wieder passieren. Aber es lief weiter fluffig. Bei km35 gesellte sich Rene aus Berlin zu mir. Unser Tempo war quasi identisch und wir plauschten eine Weile zusammen. Er will im Herbst mit auf den TAR gehen – da hatten wir natürlich ein Gesprächsthema! Es sollte auch mein schnellster Split an diesem Tage werden. Wir nahmen den VP an der Ebertswiese bei km37,5 mit (Heidelbeer-Suppe!) und zogen nach der Halbzeit zusammen los.

 


Der Rennsteig…

wird auch nicht auf dem folgenden Abschnitt entschieden. Rene machte Druck und mir erschien das Tempo doch einen Tick zu schnell. Bis zu den Neuhöfer Wiesen bei km45 geht es leicht hoch und läuft sich nicht so einfach weg. Ich kam die Anstiege aber etwas besser hoch und lief fortan wieder alleine weiter. Dass es weiterhin ganz brauchbar lief, machte ich daran fest, dass von hinten kaum jemand aufschloss. Der VP bei km45 war mir noch gut in Erinnerung – hier brachte ich bei meiner Rennsteig-Premiere einige Minuten zu. Heute waren es nur ein paar Sekunden.

 

Der Rennsteig…

ist ein Ultra und mit knapp 1900 Höhenmetern auch kein einfacher. Dessen sollte man sich bewußt sein, wenn man nun versucht, das Rennen zu entscheiden. Bis zum Grenzadler gibt es einige Downhills, die dazu verleiten, schnell zu laufen. Ich fühlte mich weiterhin passabel, muskulär war gar nichts zu spüren, also drückte ich doch etwas auf’s Gaspedal. Das führte dazu, dass ich an den leichteren Anstiegen einige kassieren konnte. Km50 – hier saß ich damals völlig fertig am Schild und wollte das Rennen Rennen sein lassen. Heute flog ich förmlich am Schild vorbei. Dann kam Janos in mein Blickfeld. War er doch zu schnell angegangen? Er hatte ein richtiges Tief und ich versuchte ihn zu motivieren, an mir dranzubleiben. Aber wie schon bei der Harzquerung, wo ich in seiner Situation war, ging es einfach zu diesem Zeitpunkt nicht und ich zog vorbei. Zum Glück erholte er sich von dem Tief sehr schnell und kam am Ende nichtmal 4min hinter mir ins Ziel! Auch an Phillip (Sieger 50k in Grünheide) lief ich vorbei. Wir plauschten noch später am Bahnhof in Erfurt über das Rennen.

 

Bild: rennsteiglauf.de


Der Rennsteig…

bietet eine Ausstiegsmöglichkeit mit Zeitnahme am Grenzadler in Oberhof. Wer meint, für die kommenden 20km bis nach Schmiedefeld nicht mehr gewappnet zu sein, kann hier alle Fünfe gerade sein lassen. Einen Kilometer vorher erkenne ich schon Falks Konterfei. Er begrüßt mich euphorisch. Was passiert hier gerade? Er scheint vollauf zufrieden mit der Zeit und rechnet mir vor, dass es bei dem Tempo auf 06:15-06:20 rausläuft. Ich will das aber partout nicht hören, so recht traue ich dem Braten noch nicht. Denn der höchste Punkt am Großen Beerberg wartet ja noch! Der VP ist schön gemacht, man wird namentlich aufgerufen, an Position 39 bin ich zu dem Zeitpunkt. Falk rät mir, mich langsam an jeden Vordermann ranzusaugen und so step by step noch ein paar einzusammeln. Und das klappt tatsächlich auf dem ersten Anstieg hinter dem Grenzadler.

 

Der Rennsteig…

wird auf den letzten 20km entschieden. Wer gut über den Großen Beerberg kommt und im Anschluß gut nach Schmiedefeld runterbrettern kann, der hat alles richtig gemacht. Hier wird es erstmals richtig schwer für mich. Ich erwarte die ganze Zeit das Schild “Höchster Punkt der Strecke”, aber es kommt einfach nicht. Oder ich übersehe es, wer weiß. Auf dem Aufstieg “verliere” ich ca. 10min auf meine Durchschnittspace. So what. Aber dann ist es endlich geschafft, der kleine neue Umweg in Richtung Schmücke läuft sich super und ich werde mit bester Laune am VP in Empfang genommen. “Wollen Sie ein Bier?” – “Erst im Ziel!”. Das erscheint mir doch sehr riskant und ein wenig ist ja noch zu laufen. Kurz hinter Schmücke bin ich damals auf Henrik aufgelaufen, die Stelle ist mir gut in Erinnerung. Es geht runter, zur Abwechslung auch mal auf einigen Trails. Und die Beine geben noch etwas her, also versuche ich, das Tempo zu forcieren. Ja, es war mittlerweile sehr warm, aber ich hatte komischerweise zu keinem Zeitpunkt mit den Temperaturen zu kämpfen.

 

So bin ich 2016 noch ins Ziel gekommen.


Der Rennsteig…

hält es für alle Helden bereit: “das schönste Ziel der Welt”. Nun, es ist auch nur einer der vielen Zielbögen dieser Welt. Aber auf den letzten 10km des Supermarathons wird man förmlich dahin getragen: die Wanderer kommen auf die Strecke und man wird unglaublich angefeuert, nicht stehenzubleiben und das Ding auch gut nach Hause zu bringen. “Läufer!” schallt es sekündlich vor mir, es wird sofort Platz gemacht, Kinder klatschen ab und es schallt “du siehst gut aus” oder “richtig klasse Leistung, nicht mehr weit”. Ich genieße das vollends und fliege gefühlt herunter. Ja, der letzte Anstieg ist fies, aber schocken kann es mich nicht mehr. Schmiedefeld kommt 3km vor dem Ziel in Sicht und nach den unzähligen Geraden und Kurven hört man den Sprecher. Ich laufe an meinen Vordermann heran, muss aber tatsächlich nochmal kurz gehen, als ich neben ihm bin. Dann geht es rein auf die Zielgerade. Die Uhr stoppt, ich freue mich riesig über die 06:27 und setze mich mit der Medaille an den Zaun. Versuche, das Ganze kurz zu verarbeiten. Dann kommt auch schon Janos rein und wir beglückwünschen uns gegenseitig (mir ist nicht klar, wie er das hinbekommt, nach einem Ultra wie frisch geduscht auszusehen). Das Finisher-Bier und -Shirt hole ich mir aber diesmal ab, Christian kommt etwas später rein und berichtet von “70km Leiden”. Ja, es ist kein Spaziergang, egal wie schnell man unterwegs ist. Mit Falk und seiner Crew tingele ich im Anschluß noch plaudernd durch die Menge, bevor mich der “Versehrten-Bus” mit runter nach Schmiedefeld nimmt und ich meine Heimreise antrete.

 


Der Rennsteig…

ist ein Rennen, bei dem man vorher nie genau weiß, wie es ausgeht. Auch diesmal war ich mir lange sehr unsicher ob des Ergebnisses. Es war gut, dass ich mich vorher auf keine Rechnung eingelassen habe. Nur ein gutes Rennen zu machen und zu schauen, was dabei am Ende rauskommt – diese Devise habe ich mir (natürlich) von Falk abgeschaut. Mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass die Erfahrung auf dem Rennsteig die wichtigste Komponente ist. Nicht umsonst werden viele im Laufe der Jahre immer schneller.

 

Der Rennsteig…

hat Suchtcharakter. Egal, wie es diesmal ausging, viele melden sich gleich für das nächste Jahr an. Mich hat das Rennsteig-Fieber dieses Jahr auch voll erfasst. Es war einfach schön, mit sovielen tollen Menschen dieses Lauf-Erlebnis zu feiern. Ich habe das sehr genossen. Danke Rennsteig, danke Ihr Lieben! Bis zum nächsten Jahr und dann natürlich wieder zu zweit!

 

P.S. Die vielen hübschen Bilder sind alle vom Foto Team Müller.

Gut Runst!

Vor dem Start in Eisenach

Vor dem Start in Eisenach

Das ist der traditionelle Gruß von Wanderern auf dem Rennsteig, dem ältesten und meistbegangenen Weitwanderweg Deutschlands. Vor fast einem halben Jahrhundert kam jemand auf die Idee, hier einen Lauf zu veranstalten und seitdem ist der Rennsteig wohl auch der meistbelaufene Wanderweg. Legenden ranken sich um den Rennsteiglauf und ein fast unheimlicher Hype sorgte dafür, dass sich mehr als 18.000 Teilnehmer über alle Strecken zur 44. Ausgabe angemeldet hatten. Für uns sollte es nicht weniger als die Königsdistanz sein, der “Supermarathon” über 72,7 km von Eisenach nach Schmiedefeld. Nach dem Wings for Life World Run vor zwei Wochen sollte das ein ganz anderes Rennen werden. Und das wurde es.

Der Optimismus hielt sich noch in Grenzen

Wir gaben uns das volle Programm und nächtigten in der Gemeinschaftsunterkunft in einer Eisenacher Schule. Es sollte nicht die einzige “harte” Erfahrung des Wochenendes bleiben. Schon hier und bei der Startnummernausgabe bemerkten wir die Begeisterung der Helfer, von denen mehr als 1.600 am Wochenende im Einsatz waren. Die Kloßparty ließen wir Kloßparty sein. Viel Schlaf bekamen wir nicht, denn um 6 Uhr fällt der Startschuss für Ultramarathonläufer auf dem Marktplatz in Eisenach. Die Zeit ist gut gewählt, denn die Mittagshitze wollten wir uns möglichst ersparen. Wir trafen noch so einige Bekannte im Startbereich und machten Selfies, das dämpfte die Aufregung. Das Rennsteiglied lief in der Schleife -auch das war hart-, dann knallte es schon und etwa 2.000 Ultras wetzten Richtung Rennsteig.

Das Höhenprofil ist schlimmer, als es aussieht (Bild: rennsteiglauf.de)

Wir hatten uns die Strategie zurechtgelegt, die ersten Hälfte nicht schneller als 5:30 min/Km zu laufen und möglichst bis Km 54 beim “Grenzadler” zusammenzubleiben. Und man höre und staune, das hat gut funktioniert. Das Streckenprofil spricht Bände. Es geht bis Km 25 etwa 700 HM hinauf. Nie so richtig steil, sondern immer quälend langsam. Bis zum Großen Inselsberg passierte eigentlich nicht viel. Wir liefen relativ locker, wie das eben bei einem ansteigenden Kurs so möglich ist. Nach dem Selfie verloren wir uns kurz, weil Marek die Abstiege viel vorsichtiger anging. Dafür war er aber bergauf optimistischer unterwegs. Der Strecke konnten wir -bis zum Ende- nicht viel abgewinnen. Der Trail-Anteil war relativ gering, zum großen Teil ging es nur über endlose Forstwege mit wenigen schönen Ausblicken auf den Thüringer und Frankenwald.

Selfie-Stop auf dem Großen Inselsberg bei Km 25

Bei Ultraläufen kommen die Tiefs – früher oder später. Schon nach 30 Km war ich an der Reihe und schlurfte Richtung Ebertswiese. Wir waren dementsprechend nun etwas langsamer unterwegs. Halbzeit auf besagter Ebertswiese in etwas über 3,5h – Volltreffer! Hier ging ich aufs Ganze und kippte mir einen Becher Haferschleim rein, Marek traute sich nicht. Bis etwa einen Kilometer hinter der Marathonmarke ging es nun weiter hoch und wir gingen die Anstiege nun hoch, so zügig, wie es eben “ging”. “Wie heißt dieser Berg?” fragte ich einen Überholer. “Drecksberg!” Auf dem ausnahmsweise etwas steileren Anstieg zur Neuhöfer Wiesen verloren wir uns und ich konnte Marek nicht mehr sehen. Also begab ich mich erstmal allein auf die weitere Reise. Martina aus dem Laufen gegen Leiden-Läuferrudel nordicwalkte die 35 Km-Strecke und machte ein schönes Bild, als ich sie überholte. Die Laune war jetzt wieder gut, auch wenn die Beine schon schwer waren.

Allein hinter der Marathonmarke - danke Martina für das Bild

Allein hinter der Marathonmarke – danke an Martina für das Bild

Bis zum Grenzadler geht es nochmal gute 100 Höhenmeter hinauf. Hier tat ich mich wieder sehr schwer und kämpfte nun mit dem 6 min/Km-Schnitt. 100 Meter laufen, 100 Meter gehen, es war ein skurriles Treiben. Manche Läufer liefen gefühlte 15 Mal an mir vorbei. Das 50 Km-Schild war eine gewisse Erleichterung und ich konnte nun wieder zulegen. Nichtsahnend, dass Marek nur wenige hundert Meter hinter mir lief und den Abstieg zum Grenzadler ebenso für einen gewaltigen Spurt nutze. Ich war nicht mehr so ganz orientiert und lief einem Läufer hinterher, der allerdings das Rennen hier beendete. Die nachgerufene Bemerkung der Polizistin “der will auch raus” bewahrte mich vor einem größeren Umweg. Ich wollte das Hoch so lange wie möglich ausnutzen und spurtete nach Tee und Cola gleich weiter. Nach “Spurt” sah es aber für Außenstehende wohl nicht aus.

Die magische 50 mit Marek

Die magische 50 mit Marek

Bis etwa Kilometer 58 machten Körper und Geist mit. Ich lukte immer auf die Wanderschilder, um die Entfernung zum Gipfel des Großen Beerbergs abschätzen zu können. Der letzte Gipfel! Die gut 2 Kilometer Aufstieg auf dem ätzenden Forstweg zogen mir dann aber den Stecker. Der tiefste Tiefpunkt war erreicht und ich wurde von so einigen Läufern kassiert, die ich noch nach dem Grenzadler überholt hatte. Das ist Ultralaufen – es geht verdammt schnell auf und ab in Körper und Kopf. Auf den “Gipfel” des Beerbergs wies ein Schild hin und ich stolperte weiter, allerdings weigerten sich die Beine, wieder zuzulegen. Eine ganz bittere Passage war das und ich schaltete in den Nur-noch-ankommen-Modus. Es tut nicht mal mehr weh, wenn die Läufer vorbeifliegen. Schön wäre es gewesen, wenn die Kilometerschilder am Wegesrand nun runtergezählt hätten. Stattdessen verwirrte man die Ultraläufer mit aufsteigenden Markierungen für den Halbmarathon.

Blick auf die Uhr, nachdem Marek vorbeiflog

Und dann kam, womit ich überhaupt nicht gerechnet hatte. Marek lief lockeren Schrittes und mit dem Smartphone filmend an mir vorbei. Für einen Moment überlegte ich, ob ich ihn fragen sollte, ob er mit mir zusammen bleibt, aber er hatte so einen Speed drauf, dass ich ihn mit “Lauf zu!” weiter drängte. Im Nachheinein betrachtet war das doof. Aber nach 65 Kilometern ist man zu logischen Entscheidungen nicht mehr fähig. Ich war mir sogar sicher, dass er noch an die 7 Stunden ranlaufen könne. Enttäuscht war ich, dass selbst die etwas steileren Abstiege richtig schwer waren, die mir eigentlich gut liegen. Jetzt sollte doch der Endspurt kommen? Er kam auch, aber noch nicht für mich.

Der Zielbogen, der keiner war – wie gemein

Bis zum letzten Verpflegungspunkt Kreuzwege geht es tatsächlich noch mal hoch, lächerliche 30 Höhenmeter. Aber aus denen wird nach dieser Strecke der gefühlte Col du Tourmalet. Ich überholte im Hochgehen(!) noch zwei Läufer und -endlich- ging es auf einem breiten Weg runter nach Schmiedefeld. Erklären kann man das nicht, warum der Körper kurz vor Ende eines Ultralaufs nochmal umschaltet. Die Walker machten artig Platz und applaudierten jedem Ultraläufer. “Noch ein Kilometer, dann kannste Bier trinken” rief mir ein Junge zu. Ich konnte jetzt schon wieder lachen und freute mich auf den Zieleinlauf. Der fiel dann wesentlich unspektakulärer aus als erwartet, aber das war mir sowas von egal. Nach fast 7,5 Stunden hielt ich die Uhr an. “Erleichtert” wäre eine Untertreibung für die Beschreibung meiner Gefühlslage nach diesem Ritt über etwa 73,5 Km. Marek traf ich nur wenige Momente später, er war erst 3 Minuten früher über die Ziellinie gekrochen:

Auf allen Vieren über die Ziellinie

Endlich geschafft!

Endlich geschafft!

Wir hatten ernsthafte Probleme, wieder aufzustehen.

Wir hatten ernsthafte Probleme, wieder aufzustehen.

Der Rennsteiglauf ist eine richtig fiese Angelegenheit. Die Newcomer müssen wohl Lehrgeld zahlen. Wir hatten uns die Sache nicht ganz so hart vorgestellt. Aber die Streckenführung mit langgezogenen An- und Abstiegen und auch das im Laufe des Rennens immer wärmere Wetter ließen nicht mehr zu. Und wir könnten nun behaupten, dass bei besserer Renneinteilung… machen wir aber nicht. Wir wollten einen schönen Vorbereitungslauf für den Transalpine-Run und der ist geglückt. Für Marek war es der längste Lauf bisher. Wir haben das Teamplay gut durchgezogen bis zum Marathon. Die Begeisterung der Region und der Helfer für den Rennsteiglauf ist unglaublich. Momentan können wir uns trotzdem nicht vorstellen, das Abenteuer nochmal zu wagen. Aber was schert Läufer ihr Geschwätz von gestern. In diesem Sinne…

Gut Runst!

Glückliche Finisher