Satte 3 Jahre sind seit meinem letzten Ausflug auf den legendären Rennsteig im Thüringer Wald schon vergangen. 2020 bin ich noch mit Janos virtuell die Strecke in Brandenburg gelaufen, aber 2021 ging die Oktober-Ausgabe an mir vorbei. Grund genug, sich diesmal rechtzeitig anzumelden und Nägel mit Köpfen für meine 4. Teilnahme zu machen. Halbmarathon, Marathon, Supermarathon – es kommt ja letztendlich immer nur eine Distanz in Frage, sonst lohnt sich die Anreise ja fast nicht.
Die Vorzeichen verschlechterten sich leider die Wochen vorher mehr und mehr. Nach dem bösen C. im Januar bin ich nicht mehr richtig in Fahrt gekommen und die leidige Erkältung, die ich schon seit Wochen mit mir rumschleppe, meldete sich am Freitag lautstark, als wir mit dem ICE Kurs in Richtung Eisenach setzten. Vereinskollege und Coach Tommy hatte sich entschieden, nach 6 Jahren Abstinenz auch wieder auf den langen Kanten zu gehen. So konnten wir in unseren Vereinsfarben am Freitag Abend beim Italiener am Markt noch gemeinsam die Kohlenhydratspeicher füllen, bevor die natürlich viel zu kurze Nacht gegen 04:00 auch schon wieder beendet war.
Mir ging es wirklich bescheiden, als wir auf dem Marktplatz noch bekannte Gesichter herzen und uns gegenseitig motivieren. Janos, Felix, Enrico, Gaston, Katja…man könnte meinen, es sind wieder alle gekommen. Der Schneewalzer und das Rennsteiglied rufen bei den Teilnehmern so früh noch keine Begeisterung hervor und dann geht es auch schon los. Durchkommen, das war meine einzige Devise, alle anderen Ziele hatte ich lieber vorher ad acta gelegt.
Die Strecke war mir wohlbekannt, so dass ich diesmal nur versuchen wollte, taktisch klug zu laufen. Sonst ist das nicht gerade meine größte Stärke. Den Puls so weit we möglich im unteren Bereich halten, kann das klappen? Die ersten Kilometer bis zum Inselsberg (km25) verfliegen immer schnell, es geht satte 950 Höhenmeter hoch, wobei aber nur der letzte Kilometer wirklich steil ist. Tommy läuft immer 200m vor mir und nach 15km kommen wir wieder zusammen. Wir treffen zwei Ersttäter aus der Nähe von Köln und quatschen mit ihnen. So erfahre ich, dass ich zumindest einen von ihnen beim TAR wiedersehen werde. Kurz vor dem Gipfel verliere ich die Jungs dann und bin fortan alleine unterwegs. Die Zeitmessung oben zeigt eine 02:22 an – ich hätte gedacht, dass ich doch ein paar Minuten fixer unterwegs bin. Aber alles ist im Rahmen, den steilen Abschnitt runter komme ich flink und problemlos runter und der kommende Teil ist leicht abschüssig, so dass ich hier ohne größere Anstrengung laufen kann.
Es ist wirklich frisch, die 10°C am Start scheinen nicht weiter nach oben zu gehen und in höheren Lagen pfeift der Wind heftig. Ins Schwitzen kommt man also nicht. Die meiste Flüssigkeit verliere ich über die Nase – da war ja noch was, aber ich versuche, die Nebengeräusche so gut es geht zu ignorieren. Das klappt bis zur Ebertswiese bei km37 richtig gut. Ich werde angesagt, das tut auch gut und bleibe stur bei meiner Verpflegungstaktik: ordentlich Tee und ein paar Bananenstücke. Mehr brauche ich nicht. Neben mir versucht sich ein Radler an dem steileren Anstieg nach dem VP und ich bin gehend sogar schneller. Die Marathonmarke ist schnell passiert, danach wird die Strecke mit einigen Rampen etwas gemeiner. Niemand läuft diese mehr hoch. Das 50km-Schild verpasse ich irgendwie, als mich Janos bei einer Pipi-Pause überholt. Wie immer hat er sich das Rennen besser eingeteilt, aber mir geht es verglichen mit den Jahren zuvor wirklich noch gut. Kurz vor dem Grenzadler läuft mir der Falk entgegen. “Den Laufstil kenne ich doch!”. Das motiviert mich nochmal richtig und in Oberhof geselle ich mich auf Platz 59 ein. Ich bin 17min hinter meiner Bestzeit und rechne kurz hoch, dass die 7h-Marke ohne Weiteres machbar ist, wenn ich so weiter mache. Ich halte mich nicht lange auf, nach dem Pausentee geht es wieder hoch und auch der folgende Anstieg geht überraschend flüssig.
Der große Beerberg hört sich schwieriger an, als es eigentlich ist. Der Anstieg ist weder steil noch besonders lang, bevor man zum höchsten Punkt der Strecke kommt. Vorher passiere ich noch den “VP Schnaps” von Edwin. Hier gibt es alles, um sich richtig abzuschießen, der Weihrauch verleiht diesem Ort eine mystische Atmosphäre. So verlockend das Bier auch sein mag: ich ziehe durch und gehe kein Risiko bei der Verpflegung ein. Den VP kennen wir noch vom Transalpine Run. Auch hier stand Edwin immer ein paar Kilometer vor dem Ziel. Herrlich!
Dann kommt auch schon die Schmücke in Sicht, von hier sind es keine 10km mehr und es geht (fast) nur noch runter. 06:05 stehen auf dem Chronometer. Nach dem Wurzeltrail stoßen die Wanderer zu uns auf die Strecke. Die Anfeuerungen sind extrem motivierend, auch wenn ich das Tempo der letzten Jahre auf dem Downhill heute nicht gehen kann (und will). TAR-Mitstreiter Hans zieht vorbei, die Platzierung spielt so gar keine Rolle mehr vor dem letzten Anstieg. Auch wenn man hier noch einige Plätze nach vorne rücken könnte, da kaum einer hochläuft.
Vor mir läuft Axel Teichmann, ein ehemaliger Profi-Biathlet und in der Region anscheinend sehr bekannter Sportler. An den Platzierungen ändert sich aber nun nichts mehr, als ich endlich auf die Zielgerade einbiegen kann und im Trubel der Finisher verschwinde. Ich nehme mir wie immer noch 15min Zeit und setze mich mit dem Zielgetränk an den Zaun, um die einlaufenden Teilnehmer zu beobachten. Es ist einfach schön, die Erleichterung und die strahlenden Gesichter zu erblicken, es wird sich umarmt, gejubelt und auch Freudentränen fließen. All diese Emotionen sind so nachvollziehbar, weil man eben erst selbst auf dieser kleinen Reise durch den Thüringer Wald war.
Was bleibt von meinem 4. Rennsteig-Finish? Ich bin absolut im Reinen mit mir, was das Ergebnis von 06:51 anbetrifft. Klar fehlen da knapp 25min auf die Bestzeit, aber hier und heute bin ich mir sicher, dass ich mit vertretbarem Aufwand das Optimale erreicht habe. Es war kein Rennen im roten Bereich und auch das stimmt mich positiv: anscheinend bin ich doch in der Lage, auch einmal taktisch zu laufen und das Finish über alles zu stellen. Dafür bekommt man am Rennsteig ein großartiges Erlebnis geschenkt, das noch einige Zeit nachwirkt. Was es für die weitere Saison bringt, wir werden es sehen. Jetzt heißt es erstmal wieder 100% gesund und fit zu werden, die großen Aufgaben stehen noch bevor.
3 Kommentare
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Ich ziehe so dermaßen meinen Hut vor deiner Leistung. Sie wird umso mehr bewundernswert, wenn man den Lauf mal mitgemacht hat und ein paar Sekündchen weiter hinten angekommen ist. 🙂
Gute Regeneration. Bin eben schon in Lunas gelaufen, weil die Schuhe mit den Blasen kollidieren.
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Mein Lieber, das ist schon sehr souverän und abgeklärt, wie du den Rennsteig weggeschnupft hast. Mal eben locker vom Hocker ohne spezifische Vorbereitung sub7 – musste erstmal bringen. Gut, du kannst bald jeden Stein mit Namen nennen. Aber 73 Kilometer müssen erstmal gelaufen werden. Ich bin sehr gespannt auf das, was da noch kommt in diesem Jahr. Bei zwei dicken Dingern werde ich ja live on stage sein. Chapeau!