Nachdem wir 2016 das erste Mal auf dem Rennsteig zugegen waren, wollten wir es dieses Jahr beim Supermarathon nochmal wissen. Die Premiere glich damals doch eher einem über 70km langen Leidensweg mit vielen (un)freiwilligen Zwischenstops als einem richtig gelungenen Ultra-Rennen. Gesagt – und nur zur Hälfte getan: Henrik konnte in den letzten zwei Wochen die Transvulcania-Blessuren nicht wegstecken und hatte sowohl mit den Nachwehen als auch mit starker Auslastung im Job zu kämpfen. Das passte nicht zusammen, also entschieden wir gemeinsam am Donnerstag: nur ein Twin wird auf den Rennsteig gehen. Und das war dann eben meine Wenigkeit.
Der Rennsteig…
muss erstmal erreicht werden. Für die Supermarathonis lautet der Startort: Eisenach! Ich schiffte mich bei Stefan und seiner UA-Crew ein, die pünktlich am Freitag Nachmittag von Berlin in Richtung Eisenach “flog”. Während der Autofahrt hatte ich jedenfalls einen konstant höheren Puls als auf dem Gipfel des Großen Beerbergs (Stefan erzählte uns erst später, dass er bei Sixt keine Autos mehr bekommt). Geplant hatte ich eine Übernachtung im Gymnasium in Eisenach, die UA-Crew nahm mich aber in ihr bequemes Quartier (ca. 40km von Eisenach entfernt) mit auf, so dass ich nach der Startnummernabholung und einem feinen italienischen Essen nur kurz, aber richtig gut schlafen konnte. Im Traum lief ich die Strecke schonmal ab, unterwegs allerdings verlor ich meine Startnummer. Ein schlechtes Omen? Das geplante Frühstück in der Schule schenkten wir uns spontan, der Kaffee an der Tanke reichte uns, mein obligatorischer Cliffbar-Riegel und das Brot vom Vortag dienten mir als Energie-Grundlage. Genug zu futtern gibt es ja eh immer auf der Strecke!?
Der Rennsteig…
hält einige Traditionen bereit, denen man nicht entkommen kann. Dazu gehört auch das Rennsteig-Lied, das kurz vor dem Start ertönt und von allen Kehlen lautstark geträllert wird. Die Minuten bis dahin vergingen ziemlich unaufgeregt. Janos fand ich sofort, Christian stand Gewehr bei Fuß und auch mein Lauf-Mentor Falk “überfiel” mich rechtzeitig, um meine Taktik abzuklopfen und mir die Nervosität zu nehmen. Er hatte sich doch tatsächlich um 03:30 in Oberhof in den Bus gesetzt, um die Rennsteig-Läufer zu supporten! Seine Anwesenheit sollte sich noch als Glücksfall für mich herausstellen. Der Hubschrauber kreiste bei fantastischem blauen Himmel und dann ging es auch schon los auf die ersten Kilometer in Richtung Rennsteig.
Der Rennsteig…
wird nicht auf den ersten 25km entschieden. Das sagen wirklich alle alten Hasen und es stimmt ohne Frage. Eine gute Taktik muss man sich also bereitlegen. Für die ersten 25km zum Inselsberg hatte ich mir 02:15 vorgenommen. “Pack da mal noch 10min rauf” riet mir Falk vor dem Start. Das erschien mir dann doch etwas zu konservativ, zumal wir vor 2 Jahren ziemlich genau mit dieser Zeit durchgingen und ein wenig Polster wollte ich schon herauslaufen. Die ersten Kilometer war ich mir sehr unsicher, ob die Beine wirklich bereit waren für gute 75km. Es war teilweise ganz schön anstrengend, aber es geht ja auch durchweg hoch. Janos lief sehr schnell los und ich sah seinen wirklich eleganten Laufstil, wollte aber nicht zu sehr drücken, um aufzuschließen. Warum auch – ich wollte partout mein eigenes Rennen machen. Nach 7km beim ersten VP stand Falk und ich rief ihm zu, dass ihm doch beim nächsten Mal meinen Rucksack geben würde. Mit den zwei Softflasks und dem Trinkvorrat war es schon recht schwer – und auch völlig unnötig. Auch das hatte mir Falk vorher gesagt, ich wollte es aber nicht wahrhaben. “Komm, schmeiß her das Ding” – und schon war ich ihn los. Gleich viel angenehmer! Eine Softflask nahm ich noch in die Hand und behielt sie auch bis ins Ziel. Im Nachhinein klopfte ich mir für diese Entscheidung auf die Schulter. Enrico lief vorbei, wir plauderten noch etwas über seinen Transvulcania, bevor er von dannen zog. Auch Annika Krull (am Ende 2.) lief den einzigen Trail bei km18 vor mir hoch und verschwand aus langsam aus meinem Blickfeld. Es war merklich leerer auf der Piste als vor 2 Jahren. Kein schlechtes Zeichen, dachte ich mir, das Tempo kann jetzt so langsam nicht sein.
Der Rennsteig…
hält nur wenige Ausblicke auf der Laufstrecke bereit. Einer davon findet sich auf dem Großen Inselsberg. Natürlich nur, wenn man etwas Zeit mitbringt und nicht sofort wieder den Abstieg runterfliegt. Bis zum Inselsberg bloß nicht abschießen, lautet die oft gehörte Devise. Wer hier zuviel Körner aufbraucht, hat sogut wie verloren. Ich hatte den Anstieg zum Glück steiler in Erinnerung und kam für meine bescheidenen Verhältnisse gut hoch. Kurz hinter dem Gipfel erwartete mich auch schon der Falk. Ich sollte schön ruhig runterlaufen, mich gut verpflegen und dann den nächsten Teil mit verhaltenen 5min/km angehen. “Rennst du da jetzt wieder hoch?” fragte ich ihn, obwohl ich die Antwort schon kannte. Das Ganze hat er dann wirklich noch mehrmals durchgezogen (in Jeans!). Aber seine Hinweise und Motivation gaben mir die Sicherheit, dass das heute was werden könnte, mit mir und dem Rennsteig.
Der Rennsteig…
hat mit Trailrunning wenig zu tun. Da muss man schon ehrlich sein. Es folgte nun ein 3km-Beton-Abschnitt, an den ich null Erinnerung hatte. So ging es mir noch ein paarmal später. Ich vermute, es liegt daran, dass man in schwierigen Momenten einfach keinen Blick für die Strecke hat und nichts speichert. Der Wanderweg ist zum großen Teil eine Wald-Autobahn auf breiten Forstwegen, erst im zweiten Teil wird es ein wenig anspruchsvoller, aber immer gut laufbar. Vor 2 Jahren hatte ich schon einen Hänger auf diesem Abschnitt und horchte ständig in mich herein, das sollte nicht wieder passieren. Aber es lief weiter fluffig. Bei km35 gesellte sich Rene aus Berlin zu mir. Unser Tempo war quasi identisch und wir plauschten eine Weile zusammen. Er will im Herbst mit auf den TAR gehen – da hatten wir natürlich ein Gesprächsthema! Es sollte auch mein schnellster Split an diesem Tage werden. Wir nahmen den VP an der Ebertswiese bei km37,5 mit (Heidelbeer-Suppe!) und zogen nach der Halbzeit zusammen los.
Der Rennsteig…
wird auch nicht auf dem folgenden Abschnitt entschieden. Rene machte Druck und mir erschien das Tempo doch einen Tick zu schnell. Bis zu den Neuhöfer Wiesen bei km45 geht es leicht hoch und läuft sich nicht so einfach weg. Ich kam die Anstiege aber etwas besser hoch und lief fortan wieder alleine weiter. Dass es weiterhin ganz brauchbar lief, machte ich daran fest, dass von hinten kaum jemand aufschloss. Der VP bei km45 war mir noch gut in Erinnerung – hier brachte ich bei meiner Rennsteig-Premiere einige Minuten zu. Heute waren es nur ein paar Sekunden.
Der Rennsteig…
ist ein Ultra und mit knapp 1900 Höhenmetern auch kein einfacher. Dessen sollte man sich bewußt sein, wenn man nun versucht, das Rennen zu entscheiden. Bis zum Grenzadler gibt es einige Downhills, die dazu verleiten, schnell zu laufen. Ich fühlte mich weiterhin passabel, muskulär war gar nichts zu spüren, also drückte ich doch etwas auf’s Gaspedal. Das führte dazu, dass ich an den leichteren Anstiegen einige kassieren konnte. Km50 – hier saß ich damals völlig fertig am Schild und wollte das Rennen Rennen sein lassen. Heute flog ich förmlich am Schild vorbei. Dann kam Janos in mein Blickfeld. War er doch zu schnell angegangen? Er hatte ein richtiges Tief und ich versuchte ihn zu motivieren, an mir dranzubleiben. Aber wie schon bei der Harzquerung, wo ich in seiner Situation war, ging es einfach zu diesem Zeitpunkt nicht und ich zog vorbei. Zum Glück erholte er sich von dem Tief sehr schnell und kam am Ende nichtmal 4min hinter mir ins Ziel! Auch an Phillip (Sieger 50k in Grünheide) lief ich vorbei. Wir plauschten noch später am Bahnhof in Erfurt über das Rennen.
Der Rennsteig…
bietet eine Ausstiegsmöglichkeit mit Zeitnahme am Grenzadler in Oberhof. Wer meint, für die kommenden 20km bis nach Schmiedefeld nicht mehr gewappnet zu sein, kann hier alle Fünfe gerade sein lassen. Einen Kilometer vorher erkenne ich schon Falks Konterfei. Er begrüßt mich euphorisch. Was passiert hier gerade? Er scheint vollauf zufrieden mit der Zeit und rechnet mir vor, dass es bei dem Tempo auf 06:15-06:20 rausläuft. Ich will das aber partout nicht hören, so recht traue ich dem Braten noch nicht. Denn der höchste Punkt am Großen Beerberg wartet ja noch! Der VP ist schön gemacht, man wird namentlich aufgerufen, an Position 39 bin ich zu dem Zeitpunkt. Falk rät mir, mich langsam an jeden Vordermann ranzusaugen und so step by step noch ein paar einzusammeln. Und das klappt tatsächlich auf dem ersten Anstieg hinter dem Grenzadler.
Der Rennsteig…
wird auf den letzten 20km entschieden. Wer gut über den Großen Beerberg kommt und im Anschluß gut nach Schmiedefeld runterbrettern kann, der hat alles richtig gemacht. Hier wird es erstmals richtig schwer für mich. Ich erwarte die ganze Zeit das Schild “Höchster Punkt der Strecke”, aber es kommt einfach nicht. Oder ich übersehe es, wer weiß. Auf dem Aufstieg “verliere” ich ca. 10min auf meine Durchschnittspace. So what. Aber dann ist es endlich geschafft, der kleine neue Umweg in Richtung Schmücke läuft sich super und ich werde mit bester Laune am VP in Empfang genommen. “Wollen Sie ein Bier?” – “Erst im Ziel!”. Das erscheint mir doch sehr riskant und ein wenig ist ja noch zu laufen. Kurz hinter Schmücke bin ich damals auf Henrik aufgelaufen, die Stelle ist mir gut in Erinnerung. Es geht runter, zur Abwechslung auch mal auf einigen Trails. Und die Beine geben noch etwas her, also versuche ich, das Tempo zu forcieren. Ja, es war mittlerweile sehr warm, aber ich hatte komischerweise zu keinem Zeitpunkt mit den Temperaturen zu kämpfen.
Der Rennsteig…
hält es für alle Helden bereit: “das schönste Ziel der Welt”. Nun, es ist auch nur einer der vielen Zielbögen dieser Welt. Aber auf den letzten 10km des Supermarathons wird man förmlich dahin getragen: die Wanderer kommen auf die Strecke und man wird unglaublich angefeuert, nicht stehenzubleiben und das Ding auch gut nach Hause zu bringen. “Läufer!” schallt es sekündlich vor mir, es wird sofort Platz gemacht, Kinder klatschen ab und es schallt “du siehst gut aus” oder “richtig klasse Leistung, nicht mehr weit”. Ich genieße das vollends und fliege gefühlt herunter. Ja, der letzte Anstieg ist fies, aber schocken kann es mich nicht mehr. Schmiedefeld kommt 3km vor dem Ziel in Sicht und nach den unzähligen Geraden und Kurven hört man den Sprecher. Ich laufe an meinen Vordermann heran, muss aber tatsächlich nochmal kurz gehen, als ich neben ihm bin. Dann geht es rein auf die Zielgerade. Die Uhr stoppt, ich freue mich riesig über die 06:27 und setze mich mit der Medaille an den Zaun. Versuche, das Ganze kurz zu verarbeiten. Dann kommt auch schon Janos rein und wir beglückwünschen uns gegenseitig (mir ist nicht klar, wie er das hinbekommt, nach einem Ultra wie frisch geduscht auszusehen). Das Finisher-Bier und -Shirt hole ich mir aber diesmal ab, Christian kommt etwas später rein und berichtet von “70km Leiden”. Ja, es ist kein Spaziergang, egal wie schnell man unterwegs ist. Mit Falk und seiner Crew tingele ich im Anschluß noch plaudernd durch die Menge, bevor mich der “Versehrten-Bus” mit runter nach Schmiedefeld nimmt und ich meine Heimreise antrete.
Der Rennsteig…
ist ein Rennen, bei dem man vorher nie genau weiß, wie es ausgeht. Auch diesmal war ich mir lange sehr unsicher ob des Ergebnisses. Es war gut, dass ich mich vorher auf keine Rechnung eingelassen habe. Nur ein gutes Rennen zu machen und zu schauen, was dabei am Ende rauskommt – diese Devise habe ich mir (natürlich) von Falk abgeschaut. Mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass die Erfahrung auf dem Rennsteig die wichtigste Komponente ist. Nicht umsonst werden viele im Laufe der Jahre immer schneller.
Der Rennsteig…
hat Suchtcharakter. Egal, wie es diesmal ausging, viele melden sich gleich für das nächste Jahr an. Mich hat das Rennsteig-Fieber dieses Jahr auch voll erfasst. Es war einfach schön, mit sovielen tollen Menschen dieses Lauf-Erlebnis zu feiern. Ich habe das sehr genossen. Danke Rennsteig, danke Ihr Lieben! Bis zum nächsten Jahr und dann natürlich wieder zu zweit!
P.S. Die vielen hübschen Bilder sind alle vom Foto Team Müller.
6 Kommentare
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Mag sein, die Unterstützung am Rand hilft. Ja, klar motiviert sie. Sehr, sehr gerne. Gelaufen bist du das Ding! Eingeteilt hast du es dir! Insich hören, wie es geht und das dann umsetzten. Das hat vergangenen Samstag hervorragend geklappt. Sei stolz auf dich! Das macht einen guten Lauf, einen guten Ultra aus. Richtig, richtig gut! (y) 😉
Und nächstes Jahr sind wir zusammen auf der Strecke! Du überholst berghoch? Du läufst hintenraus zu? Genau der richtige Rhytmus! Jeder wird seinen Lauf laufen, so wie du und Janos Samstag und – vielleicht sind wir dann auch zusammen im Ziel! Ich würd mich freuen.
Behalte die Renneintielung im Kopf. Genieß das Gefühl so einen klasse Lauf gelaufen zu sein!
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Autor
Lernen, lernen, lernen. Es wird noch eine ganze Weile dauern, bis ich die Dinge verinnerlicht habe, die für einen guten Ultra notwendig sind. Du hast mir auch diesmal wieder sehr geholfen und ja – das hat ganz ganz sicher zu diesem gelungenen Rennen beigetragen. Viele Situationen sind mir eben noch so neu, dass es eine große Hilfe ist, wenn dir jemand mit Erfahrung und Ahnung sagt, wie man am besten vorgehen kann. Es war so toll, dass ihr alle da gewesen seid, ich habe das echt genossen. Ich freue mich schon auf die 2019-Ausgabe!
DANKE!
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Schon beim zweiten Versuch eine Meisterleistung. Das ist wirklich beeindruckend. Alles richtig gemacht, nicht zu schnell angegangen, aber zügig und kontrolliert. Und die kritischen Stellen mit einer Souveränität gemeistert, als hättest du das schon 100 Mal gemacht. Aber natürlich waren die Voraussetzungen auch exzellent, du bist in blendender Verfassung. Wird im nächsten Jahr sicher schwer zu toppen. Ich konzentriere mich dann besser auf Falks Rolle in diesem Jahr und reiche das Wasser.
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Autor
Gutes Rennen – ja, Meisterleistung – sicher nicht. Ich wollte gut durchkommen, das hat geklappt. Natürlich wird das schwer zu toppen, für eine Zeit um die 6h musst du natürlich einiges mehr an Risiko gehen. Und der Einsatz ist hoch, wie man ja an Justus und Meerbach gesehen hat. Das habe ich bewußt vermieden. Wer weiß, vielleicht im nächsten jahr anders, aber das sehen wir dann. Und als Wasserreicher bist du mir doch zu schade. Wir gehen ZUSAMMEN auf den Steich!
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Hi Marek, wieder ein toller Bericht und gute Laufleistung. Du hast ja auch tolle Bekannte und vor allem super Wetter. Ich musste immer lange begreifen, warum sehr viele gern beim Rennsteiglauf teilnehmen wollen?! Aber durch Dein Bericht kann ich zum größten Teil schon sie verstehen und finde auch für mich reizvoll. Eins freue ich mich vor allem diese Fotos, die Dich beim Lauf zu sehen können. Wie ich Dich gut kenne, bist Du meist ohne Fotoapparat unterwegs . Wirklich super Zeit für diese Distanz…
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Autor
Ja Robert, für Fotos war diesmal so gar keine Zeit! Das überlasse ich mal den Profis. Und ja, der Rennsteig sollte natürlich auch auf deiner Bucket-List stehen. Es gefällt dir ganz sicher da. Muss ja nicht gleich der Ultra sein.
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