Marek:
Warum denkst du denn, kannst du das schaffen?
Diese Frage stellte mir mein erstaunter Chef am Freitag vor dem TAR, als ich ihm von der bevorstehenden Herausforderung berichtete. Ich hatte darauf keine Antwort parat. Wie auch – für mich gab es soviele Unbekannte vor diesem Rennen, dass ich mich des Öfteren selber gefragt habe, was zum Teufel ich dort eigentlich zu suchen habe.
Ich möchte gar nicht soviele Gedanken aus sportlicher Sicht loswerden. Es war wie erwartet ein ganz dickes Brett für mich, geschuldet der mangelnden alpinen Erfahrung und der viel zu lückenhaften Vorbereitung in den Bergen. Das war jedoch keine Überraschung. Die 7 Tage zusammengenommen, war es sicher die größte sportliche Herausforderung, die ich jemals gemeistert habe. Das allein erfüllt mich mit Stolz. Natürlich kann man danach immer lamentieren und rechnen. Was wäre, wenn… doch es führt nur zu der Erkenntnis, dass es letztendlich überhaupt keine Rolle spielt, ob man nun 80., 100. oder wie in unserem Falle an Position 120 des Gesamtklassements gelandet sind. Wir haben die Medaille und das Shirt. Wir sind ins Ziel in Brixen gelaufen. Auf nichts anderes haben wir die kompletten 7 Tage fokussiert hingearbeitet. Ende des sportlichen Fazits.
Was bleibt aber hängen nach dieser Woche? Vor allem eine emotionale Achterbahnfahrt, die mein Vorstellungsvermögen völlig gesprengt hat. Alleine das Privileg zu haben, in dieser atemberaubenden Landschaft zu laufen, war für mich bis zum Ende in gewisser Weise vollkommen unwirklich. Des Öfteren starrte ich fassungslos das Panorama der Berge und Täler an und konnte nicht glauben, was ich da gerade mache. Ohne Henrik würde ich jetzt nicht hier stehen – diesen Gedanken hatte ich einige Male, war es doch mein Bruder, der diesen Traum von unserer ersten TAR-Teilnahme letztendlich unermüdlich vorangetrieben und niemals gezweifelt hat, dass wir das gemeinsam schaffen können.
Die letzte Phase unserer #roadtoTAR begann am 13. August mit unserem Sieg auf dem Berliner Mauerweg. Sportlich gesehen war der Erfolg für den TAR relativ bedeutungslos – doch er hat uns unglaublich motiviert und bestärkt, unser Projekt erfolgreich zu beenden. Auch wenn wir nicht zusammen über den Mauerweg gelaufen sind, so haben wir hier bereits erfahren können, welche enge Bindung wir zueinander haben und wie wir uns gemeinsam in schweren Situationen unterstützen können – auch wenn man sich nicht immer gegenübersteht oder nebeneinander läuft. Die folgende Woche war geprägt vom Verlust unseres größten Unterstützers. Noch am selben Morgen haben wir uns versprochen, auf einem der Alpen-Gipfel einen dankenden Gruß nach oben zu schicken.
Wenn ich eine Erkenntnis aus dieser unglaublich schönen Woche mitnehme, dann ist es diese: Grenzen entstehen zuerst im Kopf. Ich weiß nicht, ob ich körperliche oder andere Grenzen in dieser Zeit überschritten habe. Staatsgrenzen waren auf jeden Fall dabei 🙂 Es gab in den mehr als 45h Laufzeit nicht eine einzige Sekunde, wo ich nicht daran geglaubt habe, dass wir unser Ziel erreichen können. Wir haben nicht gezweifelt, wir haben es einfach gemacht. Mit keinem anderen Partner könnte ich mir eine Teilnahme am TAR vorstellen. Dass Henrik mir beim Trailrunning sportlich klar überlegen ist, wussten wir beide. Aber es gibt kaum ein Team, was ein identisches Leistungsvermögen aufweisen kann. Die Kunst ist, den Unterschied durch andere Faktoren zu egalisieren. Und das haben wir zweifelsohne perfekt hinbekommen. Wir lagen in dieser Woche oft am Boden (Henrik gar 12 Km vor dem Ziel!) und sind jedesmal wieder aufgestanden, auch wenn es manchmal sehr schwer fiel. Für diese Erfahrungen bin ich unendlich dankbar. Ich nehme soviel mit, dass ich das alles gar nicht aufschreiben oder in Worte fassen kann. Über allem steht die Erinnerung an eine unfassbar schöne Woche, vielleicht die Woche meines Lebens, wer weiß.
Soviel danke sagen kann ich gar nicht, aber ich versuche es zumindest. Danke an meinen Bruder für das Möglichmachen dieses Events und für die lehrreichen Erfahrungen. Danke an meine und unsere Familie, die uns immer unterstützen und motivieren. Ein Satz des 10-maligen Finishers fällt mir dabei ein (er hat diesen nach dem härtesten Aufstieg des TARs auf der 6. Etappe im Video gesagt): “viele Menschen existieren nur ihr Leben lang, aber sie leben nicht.”
Henrik:
Was tun wir hier?
fragt Marek in einem Clip in den Minuten vor dem Start in Garmisch in die Kamera. Und gibt auch gleich die Antwort “Wir wissen es nicht.” Das stimmte natürlich nur zum Teil.
In den drei Wochen vor dem TAR wurde ich immer gelassener und sicherer, dass wir das schaffen werden. WAS BITTE sollte uns denn umhauen? Natürlich, Marek fehlte alpine Erfahrung und Technik. Die konnten wir nicht herbeizaubern. Ich vertraute einfach darauf, dass er schnell lernen würde. Und ich bin ja eigentlich auch ein Ultratrail-Rookie. Etappenläufe? Nie gemacht. Trotzdem wollte ich unbedingt, dass wir diese TAR-Magie erleben und uns dieses Finishershirt anziehen. Ich ahnte mit jedem Tag der Vorbereitung mehr, dass es körperlich und emotional wuchtig werden würde. Auf das Körperliche konnte ich mich einigermaßen einstellen -die Etappen 1, 3 und 4 hatte ich im Training abgelaufen-, aber für die Emotionen gab es keine Vorbereitung.
Dass wir unsere Mutter zwei Wochen vor dem Startschuss verloren haben, hat uns bestärkt, jetzt erst recht auf die 250 Km zu gehen. Gewissermaßen waren wir auf einer gemeinsamen Mission. Zum einen war das für uns das Signal, dass das Leben WEITERGEHT, zum anderen, dass das LEBEN weitergeht. Machen wir also das, was sich nach Leben anfühlt – Freude, Schmerz, Grenzen erfahren, Glück fühlen. Es klingt so platt, aber all das gab es komprimiert in dieser einen Woche.
Es ging auf und ab mit Körper und Kopf, während wir die erste Etappe noch mit angezogener Handbremse geschnupft hatten, hatten wir auf dem Weg nach Imst schon Blut geleckt und uns vom Rennfieber anstecken lassen. Auf den Hängen des Pitztals verließ uns der Mut wieder. Unfassbare 10,5 Stunden kämpften wir auf der Königsetappe. Aber wir kämpften gemeinsam und das gab mir das Urvertrauen – wir lassen uns nicht aufhalten. Der Gletscher verkam fast zu einer Randnotiz auf dem Ritt über die Berge. Auf den Etappen 5 und 6 konnte ich den Flow richtig genießen, um dann kurz vor Brixen mit dem dämlichen Sturz nochmal das ganz große Gefühlschaos heraufzubeschwören. Marek blätterte immer wieder in den Ergebnissen, aber mich interessierte nur, dass wir weiterhin unverletzt im Rennen waren.
Es bleibt eine unvergessliche Woche, deren Geschichten wir noch lange erzählen werden. Den TAR muss man erlebt haben, um die Magie dieses Etappenlaufs fühlen zu können. Es ist eben nicht nur das Laufen, es sind die Menschen, die mir jeden Tag das Herz aufgehen ließen. Seien es die anderen Teilnehmer, die sofort anhalten und sich erkundigen, ob es gutgeht, seien es die Supporter, ohne die so ein Unterfangen undenkbar ist, seien es die Helfer, Streckenmarkierer, Cheerleader (oh ja), Köche, Docs, Herbergsmuttis… diese Woche hat mein Leben vielleicht nicht verändert. Aber eine wundervolle Episode angehangen. Und mich bestärkt, genau so etwas immer wieder zu tun.
Der größte Dank geht an meinem Bruder und Teampartner. Dafür, dass er sich einfach eingelassen hat auf diese Idee. Über die Alpen zu rennen, die er nur aus dem Fernsehen kannte. Verrückt. Wie das Leben.
So Schön geschrieben. Es berührt mich sehr. Ihr dürft so stolz sein. Ihr seit grandios. Danke das ihr uns auf diese Reise mitgenommen habt.
Danke Caro! Es freut uns sehr, dass du so mitgefiebert und uns so auf dieser Reise begleitet hast.
Sehr emotional. Hab ein bisschen Tränen in den Augen gehabt, als ich Euren Bericht gelesen habe. Mehr muss ich – glaube ich – nicht sagen…
Danke Julia! Niemanden interessieren wirklich die harten Fakten dieses Events. Daher haben wir uns auf das Wesentliche beschränkt – die Emotionen und die Erinnerungen, die hängenbleiben nach diesen 7 Tagen TAR. Diese Woche wird unvergesslich bleiben.
Eine überragende Leistung und ein Event, das seinesgleichen sucht! Toll, habt ihr das gemacht. Und Eure Mom ist sicher super stolz auf euch! Danke für diesen Einblick.
So wird es sein Caro. Danke für die Glückwünsche! Und ja, solch ein Event gibt es in dieser Form sicher kein zweites Mal. Daher liebäugeln wir schon jetzt mit einer erneuten Teilnahme :-).
Endlich der langersehnte Bericht.
Es zeigt, wie wunderbar Ihr zwei seid.
Ihr habt den TAR gerockt. Und in Euren zwei Berichten hier so emotional geschrieben. Danke Euch, daß Ihr uns dran teilhaben lasst.
Sehr gerne Brigitte. Wir freuen uns ja wie kleine Kinder, wenn ihr mitlest und mitfiebert. Das gibt einfach eine Riesenmotivation, die Stöcker in bestimmten Situationen nicht den Hang runterzuwerfen oder den Teampartner damit zu traktieren :-).
mir fehlen ein wenig die Worte Marek & Henrik, so emotional, so mitreißend, so lebensbejahend; danke für das Teilen dieser wenigen Eindrücke eures bravourösen Ritts über die Alpen
Danke Gerald und ja – wir lieben das Leben! Du weißt ja aus eigener Erfahrung, was es bedeutet, sich ein großes Ziel zu setzen und sich einen Traum zu erfüllen. Ein steiniger Weg, der aber am Ende in diesen 7 Tagen reichlich belohnt wurde.
ihr lasst mich hier einfach mit Tränen in den Augen und im Gesicht vor dem Rechner sitzen…
Wo fange ich an? Eine Achterbahnfahrt der Gefühle beim Lesen. Es tut mir unendlich leid für euch, dass ihr eure Mama verloren habt. Es stimmt mich zuversichtlich, dass ihr euch eurer besonderen Bindung bewusst seid. Ich bin stolz auf euch, dass ihr dieses Abenteuer miteinander ins Ziel gebracht hat. Es macht mich neugierig darauf, was von euch beiden noch so kommt.
Einen ganz großen Drücker von mir für euch und zum Teil unbekannterweise für eure Familien.
Ich freue mich auf eine Wiedersehen!!
Danke Kathi! Das mit dem Wiedersehen haben wir ja schnell hinbekommen 🙂 Wir werden sehen, was von uns beiden noch so kommt. Jetzt braucht es erstmal ein wenig Abstand und Pause (gibt ja noch einige andere “Projekte”), bevor wir wieder auf die Bildfläche kommen werden. Der TAR hat uns aber einvernehmlich darin bestärkt, das zu tun, worauf es im Leben ankommt: LEBEN. Und deshalb würden wir es auch immer wieder tun!
Ihr gebt mit diesem Bericht einen sehr guten Einblick, was einem bei diesem Wettkampf erwartet, vor allem emotional. Ganz stark was ihr beide abgeliefert habt, und das trotz der privaten Umstände. Eure größte Unterstützerin war immer dabei.
Herzlichen Glückwunsch zu diesem Finish und eurer fantastischen Leistung. Großer Respekt!
Danke René, du hast vollkommen recht: der sportliche Aspekt ist der eine, der emotionale der andere Teil der Geschichte. Und letzterer hat uns weit mehr beansprucht, als wir das jemals vorher für möglich gehalten hätten.
Respekt. Rießigen Respekt für diese Leistung!
Ihr habt den Traum gelebt und habt gelebt. Und könnt wahnsinnig stolz auf euch sein!
Sind wir Markus. Gefällt uns – Träume leben. Wollen wir das nicht alle und schaffen es meistens doch nicht?
Sehr schöner Bericht.
Danke für`s mitnehmen.
Viele Grüße
Marco
Sehr gerne Marco. Als Naturliebhaber kannst du ja sehr gut beurteilen, was wir da so getrieben haben in den Alpen.
Das Lesend läuft die Woche noch einmal wie ein Film ab. Es war total toll mit euch einen Teil der Zeit verbracht zu haben.
Danke dafür!
😉
Den Dank geben wir gerne zurück! Das war richtig schön, dass wir auf unserer TAR-Premiere zwei so erfahrene Läufer an unserer Seite hatten (beim Futtern, nicht beim Laufen – da wart ihr ja weit voraus). Und das Ganze ohne jede Starallüre oder Voreingenommenheit. Das war ganz großer Sport von euch beiden, wir wissen jetzt, wo wir in 10 Jahren sein wollen (das meine ich ernst). Ein Glücksfall, euch getroffen zu haben und danke fürs Mitnehmen!
tiefer Respekt und Gratulation zur Überwindung dieser Strapazen!
Danke Daniel! Die Strapazen sind ja meistens schon kurz nach dem Zieleinlauf verdrängt :-).
Ich könnte hier ganz viel schreiben, denn diese Leistung und dieses Erlebnis hat es verdient. Ich beschränke mich aber auf ein Wort:
G R O S S A R T I G !
Danke Chefin! Weniger ist manchmal mehr :-). 2017 musst du mit Henrik antreten, um die Master-Mixed-Wertung zu gewinnen!
IHR MACHT MIR ANGST!
1A Bericht 🙂
AuCh das ihr trotzdem bzw. gerade wegen den nicht so erfreulichen Umständen vor dem Rennen eine solche Mentale Leistung vollbracht habt spricht für eure Bindung!
Hoffe wir laufen uns mal wieder über den Weg??
(TAR17 😉 )
Vielen Dank Benjamin! War echt cool, dass soviele von euch dabei waren und man ständig jemanden in den blauen Shirts sehen konnte. Den Familien-Rekord kann euch wohl so schnell keiner nehmen, oder?
Mir fehlen die Worte, darum einfach nur: Glückwunsch! zu eurer Leistung und Danke! für den bewegenden Bericht.
Andreas, danke! und nochmals danke! Wird sicherlich noch die eine oder andere Gelegenheit geben, dass wir mal persönlich berichten können. Vom TAR 2016, dem schönsten und gleichzeitig härtesten Lauf unseres Lebens.
Respekt Respekt, mehr sage ich nicht. 🙂
Musst du auch nicht Steffen. Danke!
Eine wirkliche sehr bewegende Zusammenfassung eines unglaublichen Abenteuers. Herzlichen Glückwunsch nun endlich auch von mir! Es war sehr schön, eben diesen Beitrag zu lesen, aber auch aufregend, euch auf den sozialen Kanälen bei dieser Tour zu folgen. Schön, dass ihr ihr dieses Abenteuer trotz der widrigen Vorgeschichte angegangen seid. Es tut mir sehr leid.
Danke Nadin. Obwohl es jetzt schon 6 Wochen her ist, denken wir immer noch sehr gerne daran zurück. Und das wird sich auch nicht mehr ändern 🙂 Das war in der Tat eine unvergessliches Abenteuer.