Zu zweit läuft's besser.

Brocken-Challenge 2024 – Auftakt in die Ultra-Saison

Brocken-Challenge 2024 – Auftakt in die Ultra-Saison
21. Februar 2024 Marek

“Was ist wichtiger?” fragte großer Panda, “der Weg oder das Ziel?” – “Die Weggefährten”, sagte kleiner Drache.

Warum starte ich mit diesem kleinen Zitat in den Bericht zum ersten Ultra des Jahres? Weil das Gesagte soviel Wahrheit enthält und mir viel mehr bedeutet, als es ein bloßes Finish bei einer Laufveranstaltung jemals sein könnte. Wobei ich die Brocken-Challenge nicht einfach als “Laufveranstaltung” bezeichnen möchte. Das wäre schon fast despektierlich. Es ist soviel mehr, diese 80km von Göttingen auf den höchsten Gipfel des Nordens – den Brocken im Harz – unter die Beine zu nehmen.

Ein einziges Mal konnte ich die Brocken-Challenge bereits genießen. Aber das ist bereits 6 Jahre her. Seitdem hatte es nicht mehr geklappt mit einem Startplatz. Denn: die Brocken-Challenge (kurz: BC) ist ein Einladungslauf, auf den man sich Anfang November bewerben und darauf hoffen muss, dass man aus dem Lostopf gezogen wird. Da immer ein hoher Anteil an Erstteilnehmer:Innen gesetzt ist, sind die Chancen nicht sonderlich groß. Aber im letzten Jahr hatte ich Glück und bekam die Zusage, meine zweite BC zu laufen.

Ein weiterer Aspekt der BC ist der Spendencharakter: organisiert vom ASFM Göttingen werden alle Startgelder gespendet und wohltätigen Zwecken zugeführt. In den 20 Jahren sind dabei 500.000,- zusammengekommen. Das ist eine wahrlich beeindruckende Zahl und es gibt einem ein gutes Gefühl, wenn Markus beim Briefing über die Empfänger ebendieser Spenden berichtet und diese sich auch kurz vorstellen dürfen.

Überhaupt das Briefing: nicht ganz gewöhnlich startet dieses mit einer feinen Musik-Einlage von Markus und einem seiner Söhne auf dem Didgeridoo. Vieles kommt mir natürlich bekannt vor, so habe ich doch meine BC-Premiere vor 6 Jahren immer noch in guter Erinnerung. Nur die Location hat sich geändert. Janos ist mit mir gemeinsam nach Göttingen gereist, für ihn ist es aber wirklich das erste Mal und ich bemühe mich, die ganze Aktion beständig runterzuspielen und so den Druck etwas rauszunehmen. “Wir kommen da schon hoch.” oder “Ist alles nicht so schlimm…”. Manchmal lassen sich Läufer ja auch gerne ein wenig anlügen. Auch das gehört irgendwie dazu. Und ehrlicherweise sitzen mit uns da viele nicht ganz “normale” Menschen: ein bißchen verrückt muss man schon sein, um diese Herausforderung (ein weitaus schönerer Begriff dafür) in Angriff zu nehmen.

Dass das Wetter alles andere, aber nicht winterlich, werden sollte, war bereits am Abend klar. Nicht eine einzige Schneeflocke wurde uns angekündigt. Das ist durchaus ungewöhnlich im oberen Harz zu dieser Zeit, aber auch hier greift der Klimawandel um sich. Man muss es nehmen, wie es kommt. Die Spikes hätten folglich daheim bleiben können. Und natürlich sind diese Bedingungen für schnelle Zeiten hilfreich. Das sollte sich am Samstag um kurz nach 12:00 mit einem neuen Streckenrekord auch manifestieren. Sebastian flog in einer mir unerklärlichen Weise auf den Gipfel.

Janos und Marek

Und so sitzen wir nach dem nächtlichen ÖPNV-Shuttle ins Hotel pünktlich um 05:00 beim Frühstück in der FeG in Göttingen und nehmen unsere Henkersmahlzeit ein. 20min Fußweg sind es bis zum Start an der Kehr. Dort wird der Name abgehakt und ganz schnell ist es schon 06:00, als Markus an der Schranke das Kommando zum Start gibt. Ich filme die Szenerie und komme gar nicht so schnell weg, wie die Meute in den Göttinger Wald wetzt. Mit meiner Lampe bin ich fast zu gut ausgestattet, denn einige haben nur eine kleine Funzel oder auch gar nichts dabei. Das ist durchaus riskant, wenn man nicht schon am Beginn nasse Füße bekommen will.

Bis zum ersten VP in Landolfshausen sind es nur 11km, die aber auch die ersten Höhenmeter bereithalten. Und es muss schon sehr früh gewesen sein, als Pia mich fliegenden Schrittes überholt und ein hohes Tempo anschlägt. Hinter dem VP geht es erstmalig etwas länger nach oben, ich laufe kontrolliert, ohne mich großartig zu zerstören. Ein wenig Erfahrung muss doch über die Jahre bei den langen Kanten zusammengekommen sein!? Die Lampe kann man ab da auch ausschalten, denn der Tag brach an und gab eine wundervolle Aussicht auf das hügelige Harzvorland.

Bis zum 2. VP in Rollshausen kann man es gut laufen lassen. Es geht über längere Passagen stetig bergab. Und das ist gefährlich, da es einen dazu verleitet, zu stark auf die Tube zu drücken. Die Oberschenkel würden es einem danken. In dieser Passage hat die Strecke definitiv Ähnlichkeit mit einem Straßenmarathon. Ist ja nicht so, dass ich das nicht auch mögen würde. Die erste schwierige Stelle taucht bei km25 auf, als wir die Tilly-Eiche passieren müssen. Rund 4km auf den Berg und wieder runter. Nun wird es erstmals anspruchsvoll zu laufen, denn der viele Regen hat den Weg ordentlich aufgeweicht. Das macht sich besonders beim Abstieg bemerkbar, den ich nur mit viel Glück ohne Sturz in dem ganzen Schlamm überstehe. Das kostet viel Kraft und ich bin heilfroh, als wir endlich aus dem Wald rauskommen.

VP3 an der Ruhmesquelle kommt schneller als erwartet. Ich verweile erstmalig etwas länger, habe aber keinen großen Appetit. “Ihr seid alle so bescheiden.” bekomme ich zu hören, als ich nur etwas Wasser verlange. Zusammen mit Marcel mache ich mich auf den Aufstieg. Die Erinnerung an 2018, als ich hier größere Probleme hatte, ist noch sehr präsent. Doch ich bleibe ruhig und ziehe langsam nach oben, während Marcel mir davonläuft und noch ein weiterer Läufer mich kassiert. “Die Frau da ist ja irre stark!”, raunt er mir zu. Ich kann das nur bejahen. Bis zur Marathonmarke in Barbis ist es wellig. Längere Bergaufpassagen über die Felder kosten Energie. Trotzdem läuft es flüssig und ich ziehe sogar an Marcel wieder vorbei. Ca. 1km vor Barbis geht mir dann ohne Vorwarnung der Saft aus. Ich walke durch den Ort und schleppe mich gerade noch zum VP, wo ich mich erstmal sammeln muss. Micha nimmt meine Lampe an sich. Nun beginnt die eigentliche BC, also der zweite Teil des Namens: die Herausforderung. Pia gebe ich noch die Aussicht auf den Streckenrekord der Damen mit, aber sie will davon nicht wirklich etwas hören. Dann bin ich schnell alleine, weil ich die steile Rampe zum Entsafter wieder nicht laufen kann und will.

Kurz hinter Barbis

Next Stop: Jagdkopf bei km53. Der Weg dahin ist unspektakulär und zieht sich stetig leicht bergauf. Man muss es wollen, hier im Laufschritt hochzuziehen. Ich will es nicht. Und das ärgert mich ziemlich, weil hier viel Zeit in den Gehpassagen draufgeht. Namensvetter Marcel zieht mit einem anderen Läufer locker vorüber. Ich bin so langsam, dass mir tatsächlich kalt wird. Der Wind geht hier ordentlich und als ich endlich am Jagdkopf ankomme, ziehe ich mir gleich meine Jacke und meine Handschuhe über. Die Brühe erhält mich das erste Mal am Leben. Weiter geht es Richtung Lausebuche, nun folgt ein Auf und Ab und man könnte es gut rollen lassen. Könnte. Meine Oberschenkel haben etwas dagegen. Die 55km sind eben doch nicht ganz spurlos an ihnen vorüber gegangen. Ich erkenne wenig von der Strecke wieder, war doch hier 2018 schon alles schneebedeckt. Nur eines ist sicher: mehr Bäume sind es nicht geworden. Die Landschaft im Oberharz sieht wirklich fürchterlich aus. Kaum ein gesunder Baum ist noch erhalten. Ein Wahnsinn, wie sich das in nur 6 Jahren verändert hat.

“Wie schaffst du es durchzuhalten?” fragte kleiner Drache. “Manchmal” sagte großer Panda, “ist selbst der kleinste Schritt besser als gar keiner.”

Genau diese Taktik versuche ich anzuwenden. Schritt für Schritt dem Gipfel entgegen, auch wenn es nur sehr kleine sind. Ich bin gerade wieder mit mir selbst beschäftigt, als Henrik wie aus dem Nichts vor mir steht. Hatten wir nicht Oderbrück ausgemacht? Km 72? Nun steht er schon nach 59km vor mir. Er hatte sich schon Sorgen gemacht, wo ich denn bleibe. Kein Wunder, nach der Marke in Barbis hatte ich es doch wieder gut schleifen lassen. Also geht es von nun an gemeinsam los! Die Twins wieder vereint und das schon so früh im Jahr. Es hätte schlimmer kommen können, denke ich mir.

Die Lausebuche ist schnell erreicht, Micha berichtet natürlich von der kurzzeitigen Twin-Verwirrung, aber wir sind diese Stories natürlich schon lange gewöhnt. Irgendwie ist es auch lustig. Lustig finde ich meinen körperlichen Zustand weniger. Aber: das Knie, was mir noch zwei Wochen vor dem Start jegliches Laufen verboten hatte, muckte nicht und das wertete ich als positives Signal. Ultra: das heißt Probleme verwalten. Eines davon sind meine Oberschenkel. Bis zum VP in Königskrug sind es nur 6km. Wir treffen auf Daniel, der leichte Navigationsprobleme hat und mehrfach falsch abbiegt. So bleiben wir dann zusammen und klagen uns gegenseitig unser Leid. Henrik agiert als Dauermotivator und zieht und schiebt und feuert an, was das Zeug hält. Es hilft ungemein.

Am VP werden wir wieder sehr nett empfangen, ich muss einfach die bequemen Stühle ausprobieren. Henrik nutzt die Zeit für ein paar schöne Bilder. Dann wartet schon der letzte Zwischenstop in Oderbrück auf uns. Vorher geht es noch ein sehr matschige Passage zum Parkplatz herunter, die Füsse sollten einfach nicht trocken bleiben. Hier fliegt die Steffi an uns vorbei, wir können nur staunen ob der Geschwindigkeit. Ein letzter Drink muss es noch sein und dann geht der Kurs Richtung Endgegner, es sind nochmals 300 Höhenmeter bis zum Gipfel.

Wir laufen an Britta und Markus (Mr. BC) vorbei, die uns frenetisch anfeuern und auch die Brockenbahn zischt an uns vorbei nach unten. Der Weg an der Bahn ist gut laufbar (wenn man denn kann) und auch die Motivation der Wanderer gibt einem nochmal einen Schub.

Als wir auf die Brockenstraße einbiegen, ist es nur noch etwas mehr als 1km. Das Stück kennen wir beide sehr gut. Ich frage Henrik, ob wir es noch unter 8:30 schaffen würden. Und siehe da, wir sind uns einig: dit kann noch klappen. Und so werden es noch einige Laufpassagen auf diesen allerletzten Metern. Im Nebel ist nicht viel zu erkennen, aber die Tröte des Empfangskomitees ist unüberhörbar. Wir klatschen uns mit dem Team ab und die Erleichterung bricht sich langsam Bahn. Es ist geschafft. Herausforderung Brocken-Challenge ist zum zweiten Mal gemeistert!

“Bist du zufrieden?” werde ich im Anschluß oft gefragt (mich selbst frage ich das auch). Ich glaube, es ist völlig egal, mit welchen Erwartungen man an diesen Lauf herangeht. Oben anzukommen und die schöne Holzschnitzerei in Empfang zu nehmen, verpflichtet einen förmlich, zufrieden zu sein. Natürlich schaue ich auch auf Platzierung und die Zeit, dafür bin ich einfach zu sehr ein Racer. Aber hier interessiert das ziemlich niemanden und das ist auch gut so. Jeder, der im Goethesaal eintrifft, bekommt den verdienten Applaus. Völlig egal, ob man in 6h oder in 13h diese Strecke absolviert hat.

Zusammen mit Janos walken wir wieder nach Oderbrück zurück, versuchen alle auf dem Weg nach oben zu motivieren und kommen gerade auf dem Parkplatz an, als die Dunkelheit hereinbricht. Wir klatschen noch den letzten Läufer ab. Auch er wird es schaffen. Und hat damit die gleiche Herausforderung bewältigt wie alle anderen, die nur etwas schneller oben waren.

der ASV Zeuthen komplett: Rob Deafrunner holt sich den Gipfel

Was ist so besonders an der BC? Es sind eben die Weggefährten. Und damit meine ich nicht nur alle Läufer:Innen. Dazu gehören die vielen Helfer und Unterstützer und Supporter (danke Henrik!) und einfach alle, die ihren Anteil leisten, ohne die solch ein Event gar nicht möglich wäre. Sie alle machen die BC aus. Und ich weiß, dass dies nicht nur dahingesagt ist. Sogar Henrik war dankbar, dass er “die Vibes der BC” spüren konnte. Ich glaube fast, im nächsten Jahr könnten wir die Rollen sogar tauschen…

(Ein bißchen Werbung am Ende)

Zum Equipment haben wir nichts groß geschrieben. Aufgrund der frühlingshaften Temperaturen habe ich auf das bewährte Unterzieh-Shirt von adidas gesetzt. Als Schuhwerk haben normale Trailschuhe völlig ausgereicht. Spikes waren nicht nötig. Das kann sich natürlich im nächsten Jahr wieder ändern.

1 Kommentar

  1. Henrik 2 Monaten vor

    Ein toller Bericht. Die Faszination Brocken Challenge bleibt. Ich bin sehr dankbar, dass ich dabei sein durfte und meinen bescheidenen Teil zum Gelingen deines zweiten Finishs beitragen konnte. Die Menschen sind mit Herzblut dabei und das spürt man auf jedem Meter. Deine sportliche Leistung war herausragend, da kannst du stolz drauf sein.

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