LSS_5Wo kauft ihr eure Laufschuhe? Das Internet als Bezugsquelle nimmt zwar stetig zu, aber die breite Mehrheit der Läufer wendet sich an das Laufschuhgeschäft des Vertrauens. Dort läuft dann gewohnte Programm. Man möge doch barfuß auf das Laufband paar Schritte bei langsamer Geschwindigkeit laufen. Der Berater zeichnet einen Clip der Abrollbewegung der Füße auf, den er dem beeindruckten Läufer dann in Zeitlupe vorspielt. Diese Analysetechnik hat das Ziel, die Abrollbewegung des Fußes in die Kategorien “supinierend”, “neutral pronierend” und “überpronierend” einzuteilen. Auf der Basis dieser Entscheidung wird dem Läufer ein “Stabilschuh” oder ein “Neutralschuh” empfohlen. Der Stabilschuh enthält eine mehr oder weniger ausgeprägte sog. Pronationsstütze auf der Schuhinnenseite, die der übermäßigen Eversion, also der vermeintlich zu großen Drehung des Fußes um seine Längsachse, entgegenwirken soll. Die Beratung auf der dieser Grundlage erfolgt täglich tausendfach in den Laufschuhgeschäften.

Die Bloggerfraktion des Laufschuhsymposiums

Die Bloggerfraktion des Laufschuhsymposiums

Auf dem Laufschuhsymposium, das die Runnersworld zum zweiten Mal im Rahmen der ISPO abgehalten hat, wurde dieses Prinzip der Laufschuhauswahl und -Klassifizierung (mal wieder) zu Grabe getragen. Mal wieder, weil das nicht die erste Grabrede dieser Art war. Benno Nigg, Professor für Biomechanik der Universität Calgary, läutete mit seinem Vortrag die Totenmesse für die Pronation als “gefährliche Variable” ein. Er begründete anhand wissenschaftlicher Studien, dass es keinen Zusammenhang zwischen der Verletzungshäufigkeit und der Pronation des Fußes gebe. Vielmehr zeigten Studien, dass Verletzungen mit dem gefühlten Komfort des Laufschuhs korrelieren. Prof. Brüggemann von der Deutschen Sporthochschule Köln nahm den Faden sogleich auf und versuchte sich an der Demonstration eines wissenschaftlichen Ansatzes, wie der “Komfort” messbar gemacht werden könne. Grundlage dafür könnten die Kräfte sein, die auf das Knie wirken. Überhaupt, das Kniegelenk sei der viel wichtigere Ausgangspunkt, um die Wirkung eines Schuhs auf den Bewegungsapparat und damit die Ursache von Laufverletzungen beurteilen zu können. Die Grundidee dabei ist, die “bevorzugte/habituelle Bewegung” des Kniegelenks durch den Laufschuh nicht zu verändern und damit zu stören. In einer Demonstration gelang es Brüggemann, zumindest bei beiden Probanden einen messbaren Zusammenhang zwischen der bevorzugten Kniebewegung und dem Komfort des Schuhs herzustellen. Die Methode ermittelt den “Preferred Movement Path” durch simple Kniebeugen.

(c) Brooks RunningWirklich neu sind die Erkenntnisse nicht. Bis die Hersteller diese konzeptionell verwerten, dürfte es aber noch Jahre dauern. Seit den ersten Grabreden ist nichts Nennenswertes passiert. Man bedenke, wie lange man brauchte, um den Einfluss der Dämpfung einzuschätzen. Brooks versucht sich zusammen mit der Wissenschaft an einem Prinzip namens “Stride Signature“, das den bevorzugten Bewegungsablauf als Basis der Laufschuhentwicklung sieht. Im “Transcend” kam das Prinzip erstmals zur Anwendung. Grund genug für den Laufschuhkäufer, sehr skeptisch zu sein, sobald man auf das Laufband gebeten wird. Ich kann mich an einen Laufschuhkauf vor ca. 10 Jahren in Berlin erinnern. Der Verkäufer, ein ehemaliger Leistungssportler, erklärte mir ungläubigem Laufeinsteiger, ich solle einfach die Augen schließen, ein paar Schritte gehen und den Schuh nehmen, der sich komfortabler anfühlt. Ob er schon damals ahnte, was die Wissenschaft sehr viel später nachweisen würde? Ein Laufband mit Videoanalyse gab es in seinem Laden jedenfalls nicht.