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Eine erste größere gemeinsame Standortbestimmung hatten wir uns beim Wings For Life World Run in München am vergangenen Wochenende erhofft. Neben dem Supermarathon auf dem Rennsteig am 21.05. bot sich der Lauf an, um im Wettkampfmodus einige schnelle Kilometer unter die Beine zu bekommen. Zudem wartet das Event, das in vielen Städten weltweit gleichzeitg gestartet wird, mit einem einmaligen Konzept auf: der Lauf ist erst beendet, wenn das Catcher Car dich einholt. Dieses startet 30 min nach dem Start und wird sukzessive schneller. Die Startgelder werden für die Rückenmarkforschung verwendet, um dem langfristigen Ziel der namensgebenden Wings for Life-Stiftung, die Querschnittslähmung heilbar zu machen, näherzukommen.

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Der Wettergott hatte für das Wochenende leider ein wenig übertrieben. Während wir vor zwei Wochen noch mit einstelligen Temperaturen kombiniert mit Sturm und Hagel zu kämpfen hatten, war am Sonntag keine Wolke am Himmel zu vernehmen und das Quecksilber überschritt schon am Vormittag die 20°-Marke. Im Vorfeld hatten wir uns Gedanken über die machbare Distanz gemacht und waren optimistisch im Bereich 40-50km hängengeblieben. Dass dieses Ziel nicht annähernd realistisch war, mussten wir schon vor dem Start in der Mittagshitze zähneknirschend hinnehmen. Und wir sollten nicht die einzigen bleiben, die deutlich unter den Erwartungen zurückblieben. Wir wollten aber wenigstens RUNNING Company-Chefin Bianca bei ihrem Lauf solange wie möglich unterstützen, um ihr nach dem unglücklichen 2. Platz im letzten Jahr einen eventuellen Sieg bei den Frauen zu ermöglichen.

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Pünktlich um 13 Uhr geht es dann auf die Strecke, die erst 10 Km quer durch den Olympiapark und im Anschluss in Richtung Nordwesten aus München heraus führt. Doch unser Plan scheitert noch schneller, als wir das befürchtet hatten. Das Anfangstempo pendelt sich knapp über 4 min/km ein und mit jedem Meter reift die Erkenntnis, dass diese Taktik in der Sonne nicht lange gutgehen kann. Henrik lässt nach nur 7 Km abreißen und auch ich kann Bianca bei Erreichen der 15 Km-Marke nicht mehr folgen. Die ständigen Tempowechsel, die kurvige und durchaus wellige Strecke im “Allacher Schotter” machen mir neben den Temperaturen und der nur unzureichenden Wasserversorgung schwer zu schaffen. Meine Hoffnung, dass wir durch das zügige Anlaufen etwas Abstand zu der Verfolgerin hergestellt haben, zerschlägt sich viel zu schnell: die Gruppe um die spätere Siegerin Karin Freitag (AUT) ist direkt hinter ihr.

bei km10 noch in Front

bei km10 noch in Front

Henrik kämpft bei km10

Henrik kämpft bei km10

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Ab dem Zeitpunkt hatte ich mit dem Lauf eigentlich meinen Frieden geschlossen. Ich trotte in gemütlichem Tempo aus der Stadt raus und versuche etwas Kraft zu sammeln, um nicht komplett einzugehen. Aber es will nicht gelingen. Jeder Kilometer zieht sich wie Kaugummi. Die Blaskapelle beim Halbmarathon kann mich nicht wirklich aufmuntern. Hier bin ich zwar noch halbwegs im Soll für eine Marathon-Sub3h, aber dran glauben tue ich nicht mehr. Einige Gartenbesitzer halten ihre Wasserschläuche auf die Strecke und ermöglichen eine kurzzeitige Erfrischung vor dem nahestehenden Hitzetod. Die Sonne knallt nun unerbittlich und jeder noch so kleine Schatten wird ausgenutzt. Die VP alle 5 Km sind bei diesen Bedingungen alles andere als ausreichend. Als Olaf bei Km 24 vorbeigeht, ist es endgültig vorbei mit meiner Motivation. Ich bleibe stehen und halte nach Henrik Ausschau. Er müsste doch bald da sein (und mit ihm hoffentlich das Catcher Car)!

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Aber Henrik zeigt sich nicht. Er wird später bei der 30 Km-Marke das Rennen beenden. Dann also doch weiter. Red Runner Olaf ist gut sichtbar und ich laufe wieder vorbei. Ich kenne natürlich keines der verschlafenen Münchner Vorstadt-Nester. Den Zuschauern ist das ungläubige Erstaunen über die durchziehenden Läufer anzusehen. Es wird angefeuert, abgeklatscht und geschrien. Auch die Helfer an den VP tun alles Menschenmögliche. Aufgrund reduzierter Gehirntätigkeit wird schonmal das ISO mit dem Wasser verwechselt und über den Kopf gekippt (“da vorne gibts auch Wasser” – ahhhhhhhh). Was zählt, ist die Flüssigkeit. An meinem vorletzten VP verweile ich wie alle anderen etwas länger. Hier fällt mir zum ersten Mal die klasse Stimmung unter den Läufern auf. Um Zeiten oder Kilometer geht es jetzt anscheinend nicht mehr. Jeder, der sich noch irgendwie fortbewegen kann, gibt sein Bestes. Auf der Gerade mit fiesem Gegenwind motivieren diejenigen, die laufen, alle walkenden Teilnehmer. Zwei Minuten später ist es andersherum. Jetzt macht es sogar wieder Spaß!

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Ich vernehme das Catcher Car aus der Ferne (die Fahrer motivieren per Lautsprecher alle nochmal zu einem Schlusssprint) und bin auch froh, dass es dann nach knapp 38 Km für mich vorbei ist. Ein bißchen abspacken für das Video gehört dazu, bevor mich der Staub der Autokolonne auf dem Schotterweg alleine zurück läßt. Eine Läufergruppe sammelt sich 200 m weiter und keine 5 min später nimmt uns der Bus zur Fahrt nach München auf. Auch hier eine schöne Atmosphäre: jeder neue “Fahrgast” wird mit Applaus begrüßt und es wird Anerkennung für die Leistung gezollt. Wir werden im Olympiastadion unter erneutem Applaus der Zuschauer entlassen und erklimmen die Treppe. Hier höre ich erstmals das Ergebnis der Frauen. Trotz sagenhaften knapp 52km muss sich Bianca mit dem 2. Platz begnügen. Die Enttäuschung über die eigene Leistung bricht sich nun Bahn. Hätte, wäre, wenn…!?

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Was nehmen wir mit? Dass hohe Temperaturen für ein schnelles langes Laufen ungeeignet sind, wußten wir ja bereits. Umso größer ist unser Respekt für alle, die an diesem Sonntag über sich hinaus gewachsen sind. Mehr als einen längeren harten Trainingslauf können wir also nicht verbuchen. Am Event selbst gab es viel Lob und Kritik, aber das lassen wir jetzt einmal außen vor und machen einen fetten Haken dran. In knapp zwei Wochen stehen wir morgens um 6 in Eisenach an der Startlinie. Das Rennsteiglied muss ja schließlich auch noch gelernt werden.