von Henrik | 01.03.23 | Laufen, Trailrunning, Ultra, Wettkampfbericht
Als die Iberia-Maschine mitten in der Nacht vom Flughafen Las Palmas abhob und die Lichter der Stadt verschwommen, fühlte es sich schon nach einem Abschied für länger an. Zehn Mal habe ich nun am Transgrancanaria teilgenommen. Ein letztes Mal über die Insel laufen und noch einmal das gesamte Gefühlschaos dieses Ultratrails mitnehmen, das war der Plan für dieses Jahr. Das mit dem Gefühlschaos hat zumindest wieder zuverlässig geklappt.
“Nur” der Advanced sollte es werden. Dieser wurde mal wieder deutlich verändert auf nun wieder stolze 84 Km und 4.900 Höhenmeter und der Start nach Agaete im Nordwesten der Insel verlegt. Von der Küste an die Küste klingt richtig gut. Das Getingel zum Start ins Bergdorf Artenara entfiel damit. Alles gute Zutaten für einen letzten Auftritt auf der Kanareninsel. Nach dem Lanzarote Laufcamp fühlte ich mich ganz gut in Form, allerdings bereitete mir ein Sturz über einen Fahrradständer zum Ende einige Sorgen. Bis zum Abflug nach Gran Canaria war die Prellung aus dem Knie noch nicht raus und behinderte mein Training in den drei Wochen davor.
Michael Raab kam am Mittwoch mit dreien seiner La Gomera Trails-Schützlinge rüber nach Gran Canaria, um auch am Rennen teilzunehmen. Ich hatte wirklich geglaubt, dass der Lauf unter 12 Stunden zu schaffen ist, auch wenn dafür ziemlich viel passen muss. Dass ich am Ende mehr als 15,5 Stunden auf der Strecke war, hatte wie immer so einige Gründe. Es war wieder ein Abenteuer.
Um 8:00 Uhr sollte die Meute loswetzen und alle hatten vor, möglichst bald im Südpark von Maspalomas anzukommen. Von Küste zu Küste stimmte also nicht ganz, denn der “Parque Sur” ist gute 4 Km vom Strand entfernt. Aber wen interessierte schon dieses Detail. Ich war sehr müde, aber guter Dinge. Vor allem aufgrund der Wettervorhersage. Es wurde selbst im Norden Sonnenschein vorhergesagt. Das “Cold Kit” wurde auf die lange Hose beschränkt, ich hatte trotzdem langes Shirt, Handschuhe und Mütze im Gepäck.
Die ersten 600 HM kamen mir sehr bekannt vor, hier liefen wir 2017 beim Classic hoch. Ich konnte ganz gut mitgehen, ohne mich abzuschießen. Meine Hoffnungen auf einen durchgängig starken Lauf bekamen bereits auf dem ersten Abstieg nach San Pedro einen Dämpfer. Ich fand den echt steil und blieb vorsichtig, aber die Spanier überrannten mich einfach. Ich ließ mich nicht verrücktmachen. Downhill-Training war halt seit dem TAR nicht mehr vorhanden. Nun folgte einen fast 20 Km laaaaanger Anstieg nach Artenara mit kleineren Unterbrechungen. Das ist eine kritische Phase. Wer hier überdreht, bekommt früher oder später die Quittung.
Vor allem das Stück nach El Hornillo hoch tat mir nicht gut. Es war stellenweise noch matschig von der Nacht und halt wieder sehr steil. Da ging so mancher Trailrunner an mir vorbei. 2:09h zeigte die Uhr am ersten VP, das war doch deutlich länger als erwartet. Ich füllte meine beiden leeren Flasks auf, aß zwei Orangenviertel und ein paar Nüsse. Erst ab dem Stausee “Los Perez” kam ich wieder etwas ins Laufen. Ab Km 10 nur noch gehen, das würde nicht mal für den Cut-off reichen. Aber es fiel mir sehr schwer, obwohl ich schon zwei Spring Energy reingehauen hatte.
Als Artenara mit seinem Wahrzeichen, dem Mirador de Los Poetas, endlich in Sicht kam, standen schon über 3,5h auf der Uhr. Wir liefen den VP über den Sportplatz der Schule an. Dort verpflegte ich mich gut und in aller Ruhe mit ein paar Kartoffeln. Ich wusste ja, dass nochmal 600 HM bis zum Cruz de Tejeda folgen würden. Die Stimmung in Artenara war förmlich ausgelassen, da war richtig was los. Kein Vergleich zum letzten Jahr, als wir ausgekühlt drinnen saßen und auf den Bus warteten. Vorbei am Aussichtspunkt fragte ich mich schon, was das denn heute werden würde/könnte. Für mein Ziel von 12h war ich schon jetzt viel zu langsam unterwegs.
Zusetzen konnte ich auch nach dem VP nicht. Ganz im Gegenteil. Zum ersten Mal musste ich auf dem Uphill Pausen einlegen und mich hinsetzen. Meine Performance verschlechterte sich zunehmend, auch die kurzen laufbaren Abschnitte latschte ich nur. Nach einer Ewigkeit war ich um den Berg rum und erblickte den Roque Bentayga im strahlenden Sonnenschein. Bis zum Cruz de Tejeda war es nicht mehr weit und dort führte ein neuer Trail nach Tejeda. Ich fand das überhaupt nicht gut, denn der breite und nicht zu steile Downhill nach Tejeda war immer eines meiner Highlights. Und wie ich es befürchtet hatte, es folgte ein steiler Singletrail. Die Sonne brannte nun gnadenlos.
Immerhin, es war nicht rutschig und nur stellenweise matschig. Es ging dann auch noch auf sehr schmalen Pfaden durch die Hinterhöfe von Häusern und als ich die Kirche endlich erblickte, durfte man wieder hochzuckeln nach Tejeda. Mir war heiß, mir war etwas übel und so richtig hatte ich keine Lust mehr. Als ich dann auf die Uhr schaute, sah ich nur ein blaues Display. Dass auch noch die Suunto 9 den Geist aufgibt, ruinierte meine Motivation vollends. Im VP setzte ich mich erstmal für 10 Minuten und bemitleidete mich. Weitermachen? Aufhören? Es ging mir nicht gut, aber so richtig beschissen auch nicht. Also beschloss ich, nach dem Rauslaufen Marek anzurufen.
Das tat dann gut. Überhaupt, die Spanier machen das cleverer. Die laufen oft zu zweit und labern in einer Tour. Das hilft sehr bei der Ablenkung und man kann sich gegenseitig motivieren. Allein auf so einem Brett ohne Crew an der Strecke ist halt härter. Und so gestaltete sich dann auch der Anstieg zum Roque Nublo. Auf einem neuen Trail ging es direkt 200 HM nach La Culata runter, um dann an einem Stück zum Roque hochzusteigen. TGC Legende Luca Papi zug schnatternd an mir vorbei. Hatte ich erwähnt, dass ich die 3 Km Asphalt immer super fand? Auf dem Aufstieg lieferte ich mir ein Duell mit einer spanischen Wandergruppe. Ich überholte sie, dann sie wieder mich. Mehrere Male fragten sie mitleidig, ob es mir gut gehe.
Nach etwa 8 Stunden schlug ich auf dem Roque an und ließ meine Zwischenzeit nehmen. Da ich annahm, dass meine Uhr kaputt sei, war mir gar nicht so klar, dass ich schon zwei Stunden hinter meinem Plan war. Die Sonne hatte zu meinem großen Glück Erbarmen und ballerte ab dem Roque nicht mehr durchgängig. Nachdem ich mir eine Dose Coca Cola beim Imbiss am Roque Nublo Parkplatz gekauft hatte, lief der Aufstieg nach Garañon überraschend flüssig. Meine Flaschen waren leer. Vor dem Campingplatz feuerte eine ganze Meute von Zuschauern an und klatschte jeden hoch. Vamos!
Im gut organisierten Basiscamp gab es Warmes zu essen und heiße Brühe. Da nahm ich auch die 10 Minuten Anstehen in Kauf. Meine Dropbag verschmähte ich diesmal nicht, denn ich lud jeglichen Ballast bis auf die Pflichtausrüstung ab. Regelrecht beschwingt machte ich mich auf nach Tunte. In der Kühle des Nachmittags lief es plötzlich wieder. Meine Schritte wurden größer und ich überholte Läufer um Läufer. Und wieder mal die Erkenntnis: Sonne ist nicht mein Laufwetter. Es folgte mein bester Abschnitt auf der Tour. Unterhalb des Picos de las Nieves wurde es neblig, einfach herrlich. Schön kühl, aber kein Wind.
Den legendären Römerweg passierte ich so schnell wie nie. Ans Aufhören verschwendete ich ab jetzt keinen Gedanken mehr. Runter nach Tunte ist es ein laufbarer, etwas verblockter Weg mit zahlreichen Stufen. Der ist wirklich erträglich und bietet sich zum Pacen an. Um kurz vor 20:00 Uhr krachte ich mit dem letzten Tageslicht am VP in Tunte rein. Flaschen nochmal auffüllen, ein Stück Pizza rein und weiter. Ich wusste ja genau, was mich noch erwartet.
Mein schwaches räumliches Sehvermögen macht es mir in der Dunkelheit noch schwerer. Aber es war trotzdem nicht unterirdisch, wie ich mich den vorletzten Anstieg hochkämpfte. Der Franzose vor mir hatte nicht mal seine Stirnlampe angeschaltet(?). Immer wieder erstaunlich, was für Typen auf diesen Ultratrails unterwegs sind. Auf der Spitzkehre angekommen gelang mir noch ein wackliges Foto des Himmels, bevor der Rechtspfeil auf den Trail nach Ayagaures deutete. Der ist stellenweise richtig giftig. Und so musste ich Läufer um Läufer passieren lassen. 12 Km sind es von Tunte bis zum Paella-Verpflegungspunkt in Ayagaures.
Sobald der Zaun rechts auftaucht, hat man es fast runter geschafft. Es geht dann nochmal gute 2 Kilometer durch den dunklen Ort auf der Straße, bevor man auf die Pendelstrecke zum VP kommt. Dort wurde richtig aufgefahren, eine riesige Paella-Pfanne wartete auf die Läufer. Hunger hatte ich nicht, ich wollte mich lieber nicht zu lange aufhalten, um nicht auszukühlen. Das Selfie zeugt nicht mehr von großartiger Motivation. Aber jetzt steigt man nicht mehr aus.
Ich nötigte mir wieder Brühe ein und latschte zum Staudamm, denn das finale furioso im Barranco de Vincentes erwartete mich. Der allerletzte Anstieg ist ein breiter Forstweg mit 200 HM, das ist unproblematisch. Und wenn ich ehrlich bin, so dramatisch war dann das Flussbett auch nicht mehr. Mich überholten zwar weiterhin so einige Advancer und Classicos(!), aber ich war mir seit Tunte sehr sicher, dass heute nichts mehr anbrennen würde. Man kann sagen, jetzt brachte ich es mit Erfahrung und einer Portion Lässigkeit zu Ende.
Am Ausgang des Flussbetts wartete Arista noch mit dieser schönen Projektion auf dem Felsen auf. Da ging mir richtig das Herz auf und ich kam etwas ins Grübeln. See you soon beim Transgrancanaria? Eigentlich hatte ich das nicht mehr vor. Obwohl man natürlich auf Gran Canaria auch ohne diesen Ultratrail wunderbar laufen kann.
Die letzten 3 Km konnte ich dann durchdschoggen. Jetzt überholte mich wirklich niemand mehr. Am Eingang zum Stadion wartete Matthias auf mich und er nahm diesen schönen Clip vom Zieleinlauf auf. 15 Stunden, 37 Minuten, 36 Sekunden zeugen von einem langen, aber trotzdem unvergesslichen Tag auf den Trails beim Überqueren von Gran Canaria.
Nein.
Ich war ganz und gar nicht enttäuscht. Am Ende standen fast 87 Km auf der Uhr, die doch noch (mit Bildschirmschoner) weiter ihren Dienst verrichtete. So eine lange Strecke ist nur begrenzt planbar. Ich habe es dann doch wieder unterschätzt. Aber meine 10. Teilnahme am Transgrancanaria konnte ich mit der 9. Medaille krönen. Manchmal ist eben Ankommen das Maximum, hat ein lieber Bekannter sehr richtig kommentiert. Und eine andere liebe Freundin meinte, andere seien gar nicht erst losgelaufen.
Doch noch ein weiteres Mal laufen? Kann ich mir gerade nicht vorstellen. Auch wenn Marek gerne noch die offene Rechnung von 2022 begleichen würde, als uns der Regen in der Nacht vom Berg gefegt hat. Wir werden reden. Da wird sehr viel Überredungskunst (und seriöses Wintertraining) erforderlich sein, damit das Flugzeug mit mir und der 10. Medaille von Las Palmas abhebt.
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Mitte: Ildiko, rechts: Eva
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Marathon Impression
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Robert Pkemoi, Sieger 45k
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Vor dem Start
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Puerto de las Nieves
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Vor El Hornillo
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Aufstieg El Hornillo
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Hinter San Pedro
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Artenara VP Km 23
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Artenara VP Km 23
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Vor El Hornillo
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Römerweg nach Tunte
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Hinter Tunte
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von Henrik | 19.02.23 | Laufen, Reisen, Strecken, Trailrunning
Lanzarote und Trailrunning – ist das eine gute Kombination? Ja und nein. Auf der Kanareninsel gibt es kein ausgewiesenes Netz von Wanderwegen. Genau genommen ist der einzige Wanderweg der GR-131, der Orzola im Norden und Playa Blanca im Süden auf etwa 70 Kilometern verbindet. Der Weg lohnt sich meiner Meinung nach nicht, es sei denn, man ist sowieso auf dem Wanderweg über alle Kanarischen Inseln. Für Trailrunning schon gar nicht.
Aber es gibt sie. Die Perlen der Trails, von denen man auf den weiten Atlantik schauen kann und die laufbares bis richtig anspruchsvolles Terrain bereithalten. Auf denen der Passatwind ins Gesicht bläst und auf denen man immer wieder innehält für ein tiefes “Hach, wie schön”. Ich nehme euch mit auf die Küstentrails!
Beide Wochen durfte ich wieder im RUNNING Company Lanzarote Laufcamp als Coach und Guide dabei sein. Im Zuge meines siebten Aufenthalts auf der Insel habe ich es fast geschafft, die Insel an der Küste zu umrunden. Und dabei wundervolle Spots gesehen. Man muss die Erwartungen an das pure Trailrunning-Erlebnis im Vorfeld etwas dämpfen. Denn wie eingangs erwähnt gibt es nicht die perfekt vermessenen und breitgetretenen Wanderwege. Viele Menschen trifft man auch nicht, aber dafür mit etwas Glück sogar Bergziegen.
Puerto del Carmen – Playa Blanca
You can call it a Klassiker. Wenn ein Trail einfach zu laufen ist, weite Aussichten bietet und gut zu kalkulieren ist, dann wohl der Weg vom geschäftigen Touristenort Puerto del Carmen nahe des Flughafens zur Bettenburg von Playa Blanca an der Südspitze der Insel.
Unterschätzen sollte man diesen jedoch nicht. Und vor dem Lauf gut überlegen, welche Richtung ob des Windes einfacher zu laufen ist. Denn der Passat kann richtig eklig werden auf den langen Passagen an der Küste. Meiner Erfahrung nach ist die Richtung Nord nach Süd meistens cleverer. Windjacke und Sonnenbrille sind Pflichtausrüstung. Aus dem Hafen von Puerto del Carmen geht es über den “Catwalk” am Yachthafen auf Treppen und gepflasterte Serpentinen hoch auf die Promenade.
Es folgt ein schöner Abschnitt bis zum Yachthafen von Puerto Calero. Man bleibt immer oben auf dem Trail und durchquert mehrere “Barrancos” auf Treppen oder Trails. Weitere etwa 3,5 Km später folgt das Fischerdorf Playa Quemada. Außer ein paar Fischrestaurants am Ufer gibt es hier nichts zu sehen. Am Ende des Ortes wartet der Einstieg auf den Trail in Form einer “Wanderkarte”. Auf dieser ist aber nichts mehr zu erkennen. Es geht recht steil hoch zum ersten Aussichtspunkt. Wanderer trifft man ab hier kaum noch. Nicht verwunderlich, denn der nächste Verpflegungspunkt ist gute 15 Km entfernt.
Nach einem recht steilen Abstieg zum Playa La Casa kann man den “geheimen Garten” am Ufer bewundern. Es gibt geführte Wanderungen bis hierhin. Man muss nun den Barranco ein ganzes Stück reinlaufen, da es an der Küste keinen direkten Weg mehr gibt. Das heißt, gute 3 Km gegen den Wind und mit viel Sand. Sicher der ödeste Teil der Route. Einige Höhenmeter und einen Barranco später landet man wieder auf dem Küstentrail.
Und so geht es immer weiter, es ist ein ganz schönes Getingel mit viel Auf und Ab. Bis auf eine kurze Kletterpassage aber immer gut laufbar. Die wunderschönen Papageien-Strände erreicht man 15 Km nach Playa Quemada. Wer sich alles geben will, läuft den Südzipfel ganz aus, man kann aber auch einen direkten Weg zum Restaurant oberhalb des Strandes einschlagen. Dort lässt es sich sehr gut entspannen und den Sonnenuntergang genießen.
Um einen Bus oder ein Taxi zu erwischen, muss man aber noch das letzte Stück bis Playa Blanca laufen. Etwa 5 Km sind es vom Papagayo Beach bis zum Busbahnhof, wovon man einen Teil auf der recht hübschen Promenade laufen kann. Ein paar Höhenmeter und eine tolle Sicht auf Playa Blanca kommen zum Finale noch dazu.
- Länge: 28-30 Km
- Höhenmeter: +800
- Schwierigkeit: leicht bis mittel
- Highlights: “Catwalk”, Geheimer Garten am La Casa Strand, Papagayo Strände
- Strava Route zum Download
Caleta de Famara – Guinate
Im Nordwesten Lanzarotes versteckt sich das idyllische Dorf Caleta de Famara. Insider:innen wissen um die sehr guten Fischrestaurants mit Meerblick. Bekannter ist der Ort aber für seinen Strand, der die Surfer in Scharen anlockt. Famara ist der Surf-Hotspot auf Lanzarote. Und Ausgangspunkt für einen spektakulären Küstentrail.
In Komoot ist der Trail gestrichelt gezeichnet. Ich traue seit meinem idiotischen Ausflug auf einen D-Klettersteig in Südtirol den Komoot-Karten nicht mehr, und hier ist das auch sehr angebracht. Hinter den “Famara Bungalows” geht es auf einem staubigen Weg hoch. Vom Strand aus kann man den Verlauf gut erkennen. Im letzten Jahr bin ich von hier den Trail etwa 500 HM zur Wetterstation hochgestiegen, diesmal bleibe ich aber auf dem Weg entlang der Küste.
Mit jedem Meter wird der Weg enger und bockiger. Einige Höhenmeter muss man gewinnen, um an der Steilküste entlang zu pirschen. Eine kritische Stelle folgt schon nach 3 Km – der Weg ist abgebrochen und man muss klettern. Mit Höhenangst würde ich spätestens hier umdrehen. Es bleibt anspruchsvoll, wirklich laufbare Passagen gibt es kaum noch, da der Weg größtenteils zugewachsen und von der Witterung zerschossen ist.
Es folgen noch so einige Passagen, die Trittsicherheit und Schwindelfreiheit erfordern. Belohnt wird man mit irren Aussichten in beide Richtungen. Zunächst auf Famara, den Nationalpark mit den Feuerbergen, dann auf die “achte” Kanareninsel La Graciosa, die Stück für Stück am Horizont auftaucht. Spektakulärer geht es wohl kaum.
Etwas knifflig wird es bei der Frage, bis wohin man denn laufen soll. Nach etwa 10 Kilometern führt der Weg wieder nach unten Richtung Wasser und wird laufbarer. Da die Sonne bereits abtauchte, nahm ich den direkten Anstieg hoch nach Guinate und Ye. Den Einstieg verpasst man sehr leicht, wenn die Route nicht auf der Uhr ist. Der Trail führt jedoch weiter zum Strand und ich bin nicht sicher, ob man an der Nordspitze rumlaufen kann. Ich vermute, es ist wie so oft auf Lanzarote: Dead End.
Einige Serpentinen und einen geschrotteten Trailschuh später -ich bin an einer Treppenstufe hängengeblieben- gelangt man zum Aussichtspunkt hinter dem Monte Corona. Hier trifft man wieder Menschen, denn den Punkt kann man mit dem Auto anfahren.
- Länge: 13-14 Km
- Höhenmeter: +650
- Schwierigkeit: schwer
- Highlights: It’s the view, baby!, Schrottauto mitten auf dem Trail
- Strava Route zum Download
Costa Teguise – Orzola
Auch die Ostküste bietet Spektakel. Auf eine sehr ruhige Art. Die Touristenhochburg -wenn man auf der beschaulichen Insel davon überhaupt sprechen kann- Costa Teguise kann man getrost knicken. Also rauf auf den Küstentrail Richtung Norden! Und immer schön daran denken: der Gegenwind ist dein Freund. Es wird einiges geboten.
Der Weg ist gut laufbar und man kommt immer mal wieder durch Zivilisation. Los Cocoteros ist der erste Meilenstein. In den bewohnten Dörfern gibt es einige sehr ruhig gelegene Ferienhäuser abseits der Bettenburgen. Dazu auch sehr schöne Meerwasser-Schwimmbäder. Denn baden entlang der rauen Küste kann man außerhalb der Ortschaften nur gelegentlich. Außer man findet zwischen Charco del Palo und Arrieta einen natürlichen Pool. Ohne Barfußschuhe sind diese aber kaum begehbar – Vorsicht!
Sehr schön ist der Küstenort Arrieta. Hier kommen auch immer wieder die Rennradler:innen auf ihren Touren über die Insel durch. Nette kleine Cafés und Restaurants laden zum Verweilen ein. Auch für einen Abstecher zum Mittagessen lohnt es sich, hier mit dem Auto anzuhalten. Weiter geht es auf sandigen Wegen zur Ortschaft Punta Mujeres. Es läuft sich bis hierhin recht flüssig von Meilenstein zu Meilenstein.
Danach wird es einsamer und der Trail führt größtenteils über das schwarze Vulkangestein. Mit einigen Kilometern in den Beinen braucht es viel Geduld und Ausdauer. Ich sag nur: gestrichelter Weg auf der Komoot-Karte. Den Touristen-Hotspot “Jameos del Agua” kann man getrost links liegen lassen und bis nach Orzola direkt am Wasser auf den Steinen trailen. Der Weg wird immer wieder mit den Meilensteinen angezeigt. Da mir die Zeit ausging, um den Nachmittagsbus in Orzola zu erwischen, lief ich die letzten 7 Kilometer auf der Straße.
- Länge: ca. 35 Km
- Höhenmeter: +380
- Schwierigkeit: leicht bis mittel
- Highlights: Meerwasserpools, Arrieta
- Strava Route zum Download
Caleta de Famara – El Golfo
An der Westküste kann man auch Richtung Süden trailen. Das ist aufgrund des Windes unbedingt empfehlenswerter als in die andere Richtung. Von dem schön laufbaren Weg ab Famara sollte man sich nicht täuschen lassen: der Trail durch den Timanfaya Nationalpark wird zum Geduldsspiel und zum Belastungstest für jeden Trailschuh.
Lockere 10 Kilometer schnupft man schnell weg, sobald man Famara verlassen hat. Ein gut befestigter Weg bringt einen nach La Santa – bekannt durch den bei Triathleten beliebten Club La Santa. Hier überwintert so mancher Profi gerne mal und schrubbt Kilometer auf dem Rennrad und im 50 Meter-Pool des Klubs. Laufen sollen sie wohl auch in der Umgebung. Aber ich habe keinen Triathleten in Laufschuhen gesehen. Im Ort sollte man seine Vorräte auffüllen, denn bis zum Ziel in El Golfo muss man damit haushalten.
Nach 15 Km wartet der Montana Bermeja, auf diesen Gipfel führt ein brutal steiler Weg hoch. Hier muss man aufpassen, dass einen der Wind nicht vom Berg fegt. Es sieht so aus, dass man auch an der Küste den Berg umklettern kann, aber probieren wollte ich es nicht. Auch beim Abstieg muss man im Vulkansand aufpassen. Und danach die Steinchen aus dem Schuh holen.
Der zweite Anstieg wartet am Eingang zum Nationalpark – “Calle Halcón de Eleonor” heißt das Segment auf Strava. 150 HM klingen nicht viel. Die Aussicht wird immer besser, der Weg allerdings nicht. Ich bin auf dem Abstieg schon im letzten Jahr von Tinajo gelaufen. Es ist ruppig, aber nachdem die Straße zur Küste überquert ist, beginnt die Show erst so richtig. Der Trail ist stellenweise durch Randsteine markiert. Man kommt aber immer wieder vom Weg ab und muss zurückklettern. Das ist kräftezehrend und es geht nur langsam voran.
Laufen kann man auf einzelnen Passagen durchaus. Aber man ist durchgängig auf dem scharfen Gestein unterwegs. Garniert mit dem einen oder anderen Höhenmeter wird das zum Geduldsspiel. Wer in El Golfo ankommt, hat 20 Kilometer brutales Terrain hinter sich. Die Cola ist wohlverdient. Der Altra Timp 3 hat den Lauf überlebt, aber die Sohle ist nicht mehr zu gebrauchen.
- Länge: ca. 42 Km
- Höhenmeter: +640
- Schwierigkeit: bis Nationalpark mittel, dann schwer
- Highlights: Montana Bermeja, Nationalpark, Klippen vor El Golfo
- Strava Route zum Download
von Henrik | 07.03.21 | Laufen, Trailrunning, Wettkampfbericht
Bild: racephotos.es
Und das Licht war wieder aus. Wie 2017 saß ich als einziger Gast am Verpflegungspunkt in Ayagaures. Das war auch noch verboten, weil man dort gemäß der Hygieneauflagen gar nicht verweilen durfte. Die Crew hatte aber auch schon lange keine Lust mehr, die Läufer zu ermahnen. Irgendwann waren alle einfach müde. 20 Minuten vorher war ich mit dem allerletzten Tageslicht aus dem Downhill raus. Eine gute Stunde früher als vor vier Jahren. Ich folgte dem Ritual, einen Tee zu trinken, die Cola-Flask aufzufüllen. Aber ich merkte, wie mein Körper jetzt runterfahren wollte. Seit mehr als 20 Stunden war ich nun auf den Beinen und es waren noch 18 Km bis zum Leuchtturm. Ich blickte den Hang hoch und sah nicht ein einziges Licht auf dem letzten Anstieg. Ich musste das wirklich ganz allein zu Ende bringen.
Dass mein 9. Transgrancanaria ein besonderer Wettkampf werden würde, war vorher klar. Alle waren dankbar, dass er überhaupt stattfand. Ein paar Hygieneregeln beachten – na und wenn schon. Dazu eine Wettervorhersage, die viel vorhersagte, aber nicht das Wetter. Und zu guter Letzt meine Vorbereitung ohne wesentliche Höhenmeter, die im besten Fall als “gerade so ausreichend” zu beschreiben war. Eine schwierige Gemengelage. Und hätte ich mich nicht auf meine Erfahrung auf der Strecke verlassen können, ich hätte wie die anderen 130 von 310 Gestarteten das Ziel nicht gesehen.
Das Skurrile an Nachtläufen ist, dass man die Nacht mit dem Tagesanbruch gleich vergisst. Das Licht hat so viel Kraft, mit einem Schlag sind die Strapazen der Nacht vergessen. Ich hatte mich mehrmals hingelegt in der Nacht, einmal hielt ich mich an einem Drahtzaun fest und schnitt mir schön die Finger auf. Es passiert einerseits so gut wie gar nichts. Man ist nur darauf bedacht, sich vorwärts zu bewegen. Andererseits aber so viel, dass man nie in einen Trott kommt oder dass es gar langweilig wird.
Bild: racephotos.es
Früher hätte ich mich innerlich noch aufgeführt, als der Lehmboden unter dem Schuh klebte und ich gefühlt eine Ewigkeit gebraucht habe, um den Hang nach Teror hochzukommen. Ohne Stöcke übrigens sinnfrei. Als der Regen hinter Los Peres einsetzte und der fiese Wind die Läufer zermürbte. Als es an jedem VP nichts außer Bananen, Müsliriegel, Wasser, Gatorade(!) und Pepsi gab, für das man anfangs auch noch anstehen durfte. Dass man immer noch Helfer einteilt, deren Englisch sich auf “no” beschränkt. Sich aufregen heißt nur, kostbare Energie zu vergeuden.
Die Startaufstellung hätte mir Warnung genug sein können. Fünf Minuten vor dem Schuss gab es einen kurzen Wolkenbruch. Schnell die Regenjacke angezogen. Die Ärmlinge hatte ich drunter, damit ich sie in der Sonne schnell ablegen kann. Aber ich werde sie bis zum Finish nicht mehr ausziehen, denn Sonne gab es schlicht und ergreifend für mich nicht. Gestartet wurde im 5s-Abstand. Das führte dazu, dass ich etwa 23:05 Uhr auf die Strecke gehen durfte. Das war schon ein erhebendes Gefühl, endlich wieder ein Wettkampf, der erste nach dem TGC vor einem Jahr. Innerlich gejubelt habe ich, als ich durch den Sand losstapfte. Kilometer 2 gleich mal in 4:18 min. Da war dann doch Adrenalin angestaut.
Viele Erinnerungen an die erste Nacht habe ich nicht. Stand wirklich oberhalb von Las Palmas ein “125 Km”-Schild? Der Weg durch den Barranco de Tenoya ist beschwerlich, mit Laufen ist nicht so viel. Überraschenderweise liefen hier einige Gruppen dicht beieinander und ich war nicht allein. Der erste steilere Anstieg nach Santidad war noch harmlos, aber schon sehr rutschig. In Arucas wartete der erste VP. Und da gleich mal anstehen, weil jeder einzeln reingebeten wurde. Ich hatte echt Durst und meine Flaschen ausgetrunken, weil ich diese nicht vollgemacht hatte vor dem Start. Es war aber keine Zeit für Auffüllen, Trinken, Auffüllen. Es musste halt so gehen. Mit der Zeit wurde es aber immer leerer an den VP. Leider krampfte mein Magen in sicheren Abständen. Das war zuviel Gel vor dem Start.
Auf dem Anstieg nach Teror wurde ich zum ersten Mal durchgereicht. Ich feierte die Stöcke, ohne die hier wohl Ende gewesen wäre. Es war einfach zu steil. Erste Zweifel an dem Vorhaben kommen auf. Wenn du nicht mal das irgendwie hinkriegst, was soll das noch werden? Aber einen Ultra denkt man nicht zu Ende, sondern genau bis zum nächsten Meilenstein. Und der kam mit dem Checkpoint in Teror sehr bald. 31 Km, ein Shot Gel, erste Cola, die Kirche und der mir wohlbekannte Weg durch Teror gaben mir neuen Mut. Wie oft bist du hier schon lang, in alle möglichen Richtungen. Das Rennen begann so langsam und ich leckte Blut. Noch war ich im Plan, nach 10h in Artenara zu sein.
Mein Magen beruhigte sich etwas und einige Betonpisten nach Fontanales halfen mir sehr. Ich überholte hin und wieder auf den flachen Anstiegen und arbeitete eifrig mit Stockeinsatz. Klack-klack, die nachtaktiven Tiere mussten genervt gewesen sein. In Fontanales war der Marathon geschafft und ich nahm eine Videobotschaft auf. Noch gut 20 Km bis zur Halbzeit, das lief doch ganz gut!? Nun folgte aber das einzige Stück, das ich noch nie gelaufen war. Das Stück mit dem steilsten Anstieg und dem steilsten Abstieg der Route. Und es wurde einfach nicht hell.
Der Downhill in die Schlucht von Los Perez war dann noch schlimmer als erwartet. Eng, zugewachsen, matschig, dunkel und endlos. Das war so überhaupt nicht mein Terrain. Ich sehe gerne, wo ich hintrete. Wieder flog das halbe Feld an mir vorbei und ich brauchte eine gute Stunde bis unten. Eine Geduldsprüfung, die mit dem irren Setting belohnt wurde. Die Wanderung lohnt sich, und mit dem einbrechenden Tageslicht sah das ganze nochmal imposanter aus. Es geht nur 50 Meter flach, dann folgt der Anstieg hoch zum Stausee. Der Downhill hatte viel Reserven gekostet und ich war froh, dass wir eine ganze Weile auf der Straße aufstiegen. Der Regen wurde nun stärker und am VP trank ich zum ersten Mal einen Tee.
Das Tageslicht und der Tee verhalfen mir zu einem der wenigen Hochs. Der Weg hoch war zwar lang, aber niemals wirklich steil. Das gab mir Gelegenheit, ein paar Läufer einzusammeln. Ich glaubte ständig, gleich in Artenara sein zu müssen. Aber es war noch viel weiter als gedacht. Mit jedem Höhenmeter wurde der Wind ekliger. Meine Hände waren schon taub und ich hatte Schwierigkeiten, die Stöcke zu handhaben. Der Nebel hing tief. Dementsprechend war auch niemand an der Strecke. Es war ein einsames, langes Dahintrailen bis Artenara. Als ich endlich eintraf um 10:23 Uhr, waren die Advancer schon fast 90 Minuten los. Jetzt realisierte ich erst, wie langsam ich unterwegs war. Aber Ultra ist, sich immer wieder anzupassen und den Moment zu managen. Was brachte es mir jetzt schon darüber zu sinnieren, ob ich zu langsam los bin? Nichts. 19 Plätze hatte ich gutgemacht seit Los Perez. Aber nicht, weil ich so Viele überholt hatte. Die sind zur Halbzeit ausgestiegen.
Das kam für mich nicht in Frage. Ich zog die Regenjacke wieder an und kletterte hoch. 600 HM folgten nun, bevor mein Lieblingsdownhill nach Tejeda folgen sollte. Aber der Wind fegte uns fast vom Berg. Ich war schon angeschossen, fluffig ging hier gar nichts mehr. Überraschend? Nein. Ich brauchte wieder eine gefühlte Ewigkeit bis oben und am Cruz de Tejeda realisierte ich, das wird hier heute wohl bis ins Ziel reichen. Ich behaupte immer, wer es bis hierher schafft, hat gute Chancen, auch durchzukommen. Der Downhill war anfangs schlammig, so dass ich fast geheult hätte und im Schlamm gesurft bin. Aber er wurde griffiger und laufbarer. In Tejeda hielt ich mich nicht lange auf. Wasser, Cola, Tee, Banane. Es wurde nicht mehr kreativer.
Auf der Straße rief ich ins RUNNING Company Headquarter durch, weil ich mit irgendjemanden sprechen wollte. Die Einsamkeit fühlte sich streckenweise sehr schön, streckenweise aber auch beunruhigend an. Ich brauche ab und zu Gesellschaft, jemanden, der auch gerade ein Tief hat oder dem man was Gutes tun kann. Respekt hatte ich schon vor dem Anstieg zum Roque Nublo. Aber ich bin oft genug hochgeklettert. So steil ist der nicht. Und so war es dann auch. Im Regen erreichte ich den Checkpoint unterhalb des Steins nach 15 Stunden und 28 Minuten. Ja, das war schon 2-3 Stunden hinter meinem groben Laufplan. Ultra heißt aber, sich auf das A-Ziel -ankommen- fokussieren zu können.
Der kurze Anstieg nach Garañon machte mir viel Angst, aber ging dann leichter als gedacht. Ich freute mich auf etwas Festes zu essen. Das ist der 88 Km Checkpoint. Aber dank Hygienekonzept gab es nichts indoor. Die kalten Nudeln durfte man unter einem Pavillon essen. Ich trank eine Brühe dazu, immerhin die war warm. Und entschied mich gegen meine Dropbag und den Wechsel der Klamotten. Es war einfach zu kalt und ich hatte die Befürchtung, dass ich zu sehr auskühle, denn ich hätte mich draußen umziehen müssen. Als ich den VP verließ, rief ich Marek an und gab ihm den Status durch. Noch schnell hoch zum höchsten Punkt der Strecke. Das Wetter wollte sich einfach nicht einkriegen. Vielleicht auf der anderen Seite der Cumbre?
Mir taten inzwischen die Fußsohlen heftig weh. Beim Runterlaufen wurde das zunehmend zum Problem. Den spektakulären Römerweg meisterte ich mit Lässigkeit, auch der Downhill zum Cruz Grande ist mir wohlgesonnen. Und endlich. Es war trocken. Vom Cruz Grande kann man Tunte sehen. Der Downhill ist schön, aber ziemlich ruppig. Auch hier musste ich einige Läufer ziehen lassen. Ich rollte langsam runter. Die 100 Km sind wichtig. Der VP wurde verlegt weg vom Kirchplatz auf die Wiese. Das erspart den Ab- und Aufstieg im Dorfkern. Zum ersten Mal ließ sich die Sonne blicken. Die Musik war dermaßen laut und schräg, dass ich mich nicht lange aufhielt. Ihr wisst schon, Wasser, Cola, Tee, Banane. Ich Esel packte meine Mütze ein und holte tatsächlich Cap und Sonnenbrille raus.
Der vorletzte Anstieg! 400 HM bis hinter den Kamm dauerten, aber hoch ging es noch erstaunlich gut. Um kurz nach halb sechs war ich raus aus Tunte – es war klar, dass ich heute mindestens 23 Stunden brauchen würde. Jetzt galt es, noch soviel Meter wie möglich im Sonnenuntergang zu schaffen. Der Downhill nach Ayagaures ist gute 10 Kilometer lang und ist stellenweise ruppig, stellenweise aber laufbar. Ich holte nochmal alles raus. Im letzten Jahr bin ich mit meinem Neffen hier aufgestiegen. Man sieht die Sonne förmlich runterfallen. Immer wieder anlaufen, immer wieder über die Steine. Raus aus dem Downhill und ohne Stirnlampe ging nichts mehr.
Jetzt aufhören? Ich verstehe jeden, der auch hier noch aussteigt. 18 Km bis zur Küste klingen lächerlich in der Gesamtabrechnung. Aber es ist noch ein Höllenritt durch den Barranco de Vicente. Ein bißchen Angst hatte ich, dass der Akku der Stirnlampe nicht durchhält. Mit der iPhone Taschenlampe durch das Flussbett. Oha. Ich stapfte die 200 HM hoch und stolperte auf der anderen Seite wieder runter. Laaaaangsam. Sehr langsam. Links: eine schwarze Wand. Rechts: eine schwarze Wand. Nur du und deine Stirnlampe. Ich tippelte immer wieder an. Die Füße brannten. Aber läuferisch war ich noch nicht am Ende. Ich konnte immer wieder in einen Trab mit 7er Pace gehen. Trotzdem, es war mühselig. Aber mein Kopf war viel klarer und stärker als vor 4 Jahren. Ich wusste genau, wieviel von den acht Kilometern noch übrig waren. Und dann sah ich eine Stirnlampe.
Ich hatte tatsächlich den Letzten des Advanced eingeholt. So doof es klingt, ich habe mich gefreut über Gesellschaft. Ich hätte davon”laufen” können, aber der Plausch mit dem Johannes tat mir sehr gut. Der war schon mehr als 12 Stunden auf der 66,5 Km-Strecke unterwegs. Wir kämpften uns die drei Kilometer gemeinsam raus aus dem Barranco. Wen interessierte schon noch die Zeit. Meine Uhr hatte ich vor einigen Stunden schon in den Ultra-Batteriesparmodus geschaltet und ich war nicht sicher, ob sie durchhalten würde. Aber auch mein Akku war längst leergesaugt.
Als wir raus waren, trabte ich wieder los. Das Licht von Playa del Inglès zog mich magisch an. Jetzt hatte ich keinen Zweifel mehr, der Leuchtturm wird mich sehen. Es war kein gutes, aber auch kein schlechtes Finish. 1500 Meter vor dem Ziel überholte ich tatsächlich noch einen Läufer – im Vorbeigehen. Das Ziel war auf dem offenen Feld aufgebaut und ich dachte nicht mehr an so viel. Du hast es mal wieder geschafft. 23 Stunden und 47 Minuten. Ein langer Tag, mal wieder.
Die totale Zerstörung war es nicht. Mir ging es viel besser als damals. Ein netter Helfer rief mir ein Taxi, ich machte ein Selfie mit der Medaille und wartete auf den Johannes. Wirklich bewerten kann man das alles mit den übrigen Gehirnzellen nicht mehr. Meine Füße waren ziemlich ruiniert. Details zum Ausziehen der Socken erspare ich uns. Ich wollte einfach nur schlafen. Und paradoxerweise ging selbst das nach 38 Stunden wach nicht wirklich gut.
Dass ich die letzten Kilometer traben konnte, hat mir wieder gezeigt, dass die Distanz in läuferischer Hinsicht lange nicht das Ende der Fahnenstange ist. Ich muss aber an meinen neuralgischen Punkten arbeiten. Zum einen brauche ich eine gute Schuh-/Sockenstrategie. Die stechenden Schmerzen beim Auftreten waren ein Problem. Im Prinzip hatte sich die Haut unter dem gesamten Vorfuß in Auflösung befunden. Die Innensohle des linken Schuhs war zur Seite gerutscht. Das hat das Problem noch verschlimmert. Zum anderen herrschten die perfekten Bedingungen für mein Problem, dass ich viel Flüssigkeit über die Nase verliere. Hohe Luftfeuchtigkeit und Wind führen immer dazu, dass die Nase permanent läuft. Ich hatte aufgehört zu schneuzen, um die Nasenschleimhaut nicht vollends zu ruinieren. In der Regel geht das bei mir auch mit Nasenbluten einher. Das wurde erst besser mit dem Nachlassen des Windes ab Km 90. Auch hier brauche ich eine Taktik, um das zu kontrollieren.
Nach dem Frühstück um 08:00 Uhr am Sonntagmorgen kehrten die Lebensgeister zurück. Ja, es war eine spezielle Ausgabe des Transgrancanarias. Wieder hat es nicht gereicht, im Tageslicht in Maspalomas anzukommen. “Nur” eine Stunde schneller als 2017 klingt erstmal enttäuschend. Aber nüchtern betrachtet, unter welchen speziellen Voraussetzungen ich 24h vorher in das Rennen gegangen bin und dass die Strecke 5 Km länger war: it was not too bad. Ultra heißt eben auch, dass man erstmal ins Ziel kommen muss. Es wird der Tag kommen, da wird das Licht erst nach dem Finish ausgeknipst.
von Henrik | 18.01.21 | Allgemeines, Laufen, Trailrunning, Ultra, Zukünftiges
Nun ist es schon ein Jahr her, dass die Corona-Welle angerollt ist und uns in gewisser Weise überrollt hat. Anfang März 2020 fand noch gerade rechtzeitig der Transgrancanaria statt und damit für mich die erste und letzte Laufveranstaltung des Jahres 2020. Nun stecken wir mitten in oder vielleicht auch am Anfang der zweiten Welle und der Termin für das Event 2021 rückt näher. Ich wollte unbedingt wieder dabei sein, um die offene Rechnung aus 2017 zu begleichen. Und überhaupt, zwei Wochen zum Abschluss des Winters in der Sonne, das ist doch quasi ein deutsches Grundrecht. Nur ist heuer alles etwas komplizierter.
Das Anmeldeformular hatte ich schon am ersten Tag ausgefüllt, nachdem der Veranstalter Arista die Anmeldung im Sommer geöffnet hatte. Die Gesamtsituation hatte sich über die Sommermonate merklich entspannt und niemand (auch ich nicht) wollte wahrhaben, dass es uns nochmal so richtig böse erwischen könnte. Auch der Veranstalter hatte sich das nicht träumen lassen. Im November reagierte man und halbierte das Starterfeld für alle 6 Rennen. Ansonsten gab es keine Kommunikation, was ich mal darauf zurückführe, dass die Unsicherheit unverändert groß ist. Wird vielleicht doch noch abgesagt? Der Zeitplan über den Haufen geworfen? Seit 20.12. sind die kompletten Kanaren wieder RKI-Risikogebiet. Das erschwert die Ein- und Ausreise. Ob sich das wirklich so viele Läufer:innen antun und sich nach Retoure in die Heimat z.B. in eine 10-tägige Quarantäne begeben werden, ich kann es mir nicht vorstellen. Ich bin hin- und hergerissen. Sollten die Bedingungen aber so bleiben, werde ich starten. Es wird halt ein einsames Rennen so ganz ohne Zuschauer.
Ein wenig habe ich schon ins Training investiert und mich so darauf gefreut, nochmal in die Schlacht am Roque Nublo zu ziehen. Im November habe ich mein Training wieder angezogen und das verkorkste Jahr 2020 noch einigermaßen würdevoll abgeschlossen. Noch im Dezember habe ich die drei größten bayrischen Seen umrundet und endlich wieder lange Läufe unternommen. Für Februar habe ich mir noch Tempoarbeit vorgenommen. Diverse neue HOKAs sind in das Portfolio gewandert. Noch trägt mich die Vorfreude, auch wenn die Rahmenbedingungen anders sein werden. Ja, man kann argumentieren, dass mit den ganzen Einschränkungen das Flair eines Trailrunningwettkampfs verloren geht. Natürlich ist es nicht geil, mit Maske ins Ziel zu laufen. Keine Pastaparty, Startnummer abholen mit ganz viel Abstand. Die ganzen Rahmenveranstaltungen entfallen wahrscheinlich komplett.
Aber trotzdem kann ein Wettkampf stattfinden. Wem das nicht reicht, der möge einfach zu Hause bleiben. Als Laufveranstalter weiß ich, wie brutal der Aufwand ist, um alles coronakonform (was für ein Wort!) zu organisieren. Ich finde, das Orga-Team hat es verdient, dass wir laufen. Und wir lernen mehr zu schätzen, wie großartig diese Events unter “normalen” Bedingungen sind. 26.02. 23:00 Uhr Ortszeit. Wir werden sehen, ob ich am Playa de las Canteras stehen werde. Und nur die Wellen des Atlantiks und nicht Corona-Wellen rauschen.
von Henrik | 22.04.18 | Laufen, Planung, Reisen, Strecken, Ultra, Zukünftiges
In einem Moment des Größenwahns muss ich im letzten Jahr die Anmeldung für den Transvulcania 2018 ausgefüllt haben. Der Triathlet und ich hatten relativ erfolgreich den Supertrail beim ZUT und den Swissalpine K78 gefinished, da kam es uns in den vernebelten Sinn, doch im nächsten Jahr den Transvulcania zu laufen. Immerhin einer der härtesten Ultratrails auf diesem Kontinent mit seinen 4.350 Höhenmetern auf fast 75 Km Laufstrecke.
Leider sind die Voraussetzungen nicht so brilliant wie bei meinen letzten Abenteuern auf den Kanaren. Das Training war leider sehr dürftig seit November letzten Jahres und ich habe nicht mal annähernd den Kilometerumfang auf die Straße gebracht wie in den Vorjahren. Zudem null Struktur, aber ein Trainingsplan hätte auch nicht viel genutzt angesichts der beruflichen Herausforderungen. Im Dezember und auch nochmal im Januar hat es mich gleich zwei Mal krankheitsbedingt außer Gefecht gesetzt – auch ein Novum in den letzten 5 Jahren. Das RUNNING Company Toskana Laufcamp hat wieder ein wenig Mut gemacht. Aber die 300 Km in den beiden Wochen waren weitestgehend flach. Das kann man von dem brutalen Profil des Transvulcanias nun wirklich nicht behaupten. Wir werden erst am Mittwoch auf die Insel fliegen und kaum Zeit für Akklimation haben.
Bild: transvulcania.info
So what! Der Triathlet und ich werden natürlich trotzdem hinfahren und das Beste draus machen. Ein Finish ist keineswegs selbstverständlich. Am Roque de los Muchachos sind schon bekannte Laufpersönlichkeiten gescheitert. Das Wetter wird überhaupt nicht mein Fall sein. Die Sonne knallt erfahrungsgemäß erbarmungslos. Es wird folglich um das nackte Finish in Los Llanos gehen. Diesen Satz werde ich mir vor diesem Rennen nochmal einhämmern. Und danach besser nicht wieder so einen Moment des Größenwahns produzieren.
Start:
Samstag, 12.05.2018 06:00 Uhr Ortszeit (7:00 Uhr MESZ)