MotivationSchnödes Trainingsprogramm – so lautete die Devise für die vergangene Woche. Da gibt es wahrlich nichts Spannendes zu berichten. Ja, es waren zwei harte Einheiten dabei. Am Mittwoch und Freitag habe ich mich jeweils kurz vor Mitternacht nach draußen geschoben und im Münchner Dauerregen den Trainingsplan abgespult. Solche Einheiten sind allein gelaufen völlig spaßbefreit, mögen mir Motivationsspezialisten erzählen, was sie wollen. Da laufe ich um 1 Uhr morgens unter Ausschluss der Öffentlichkeit 7x um die Theresienwiese und stelle mir gefühlte 10 Mal die Frage

WAS TREIBT UNS AN?

Diese Frage wird von der allgemeinen Verständnislosigkeit für das Trainingsprogramm noch angefacht. Da bekomme ich oft zu hören, dass ich doch meine Gesundheit ruiniere bzw. zu dieser Zeit schlafen müsse. Und dass ich abgenommen hätte wegen der ganzen Lauferei. Wobei Bemerkungen solcher Art noch in die nettere Urteilskategorie fallen. Inzwischen geht das ins eine Ohr rein und direkt aus dem anderen wieder raus. Wobei es ja absolut unstrittig ist, dass Bett und Couch attraktive Alternativen zum Wintertraining sind. Wo kommt sie also her, die Motivation?

Zum einen ist da natürlich das große Frühjahrsziel in Form des Transgrancanarias am 2. März. Ohne dieses sähe es jetzt wohl anders aus. Genau an Weihnachten 2012 habe ich etwas Torschlusspanik bekommen (“nur noch 10 Wochen bis Anfang März!”) und das Training hochgefahren. Dahinter steht einzig und allein der Gedanke, in den Bergen der Insel nicht einzugehen und das Rennen abseits der unvermeidbaren Quälerei zumindest abschnittsweise genießen zu können. Mit einem großen Fragezeichen hinter dem Trainingszustand an der Startlinie eines Marathons zu stehen, ist erfahrungsgemäß gar kein gutes Gefühl. Also bildet sich der Antrieb vor allem aus dem Wunsch, dass der Wettkampf belohnt für die Trainingsanstrengungen und nicht das Leiden noch verlängert. Doch es muss viel mehr als das sein.

Machen wir uns nichts vor, das Ego wird schon gelegentlich gestreichelt von Menschen in der “peer group”, die zumindest Respekt gegenüber der sportlichen Leistung zeigen. Der Motivationsklopfomat liefert mehr oder weniger sinnreiche Aussprüche von Menschen ab, die Laufen nicht nur als Hobby, sondern als eine Ausprägung ihrer Lebenseinstellung und Mittel zur Selbstfindung betrachten. Eine Nebenbeschäftigung in der Freizeit ist das Laufen schon lange nicht mehr. Wer einmal einen Marathontrainingsplan durchgezogen hat, weiß, dass mind. 12 Wochen eine Beschäftigung Priorität eins hat. Es ist auch eine emotionale Beschäftigung mit sich selbst. Man hat auf den endlosen Runden im “Flow” ganz viel Zeit zum Nachdenken, bekommt ständig Gedankenanstöße einfach nur dadurch, dass man etwas auf der Strecke sieht. Und wenn nicht gerade das Todes-Tempointervall auf der Uhr angepiept wird, vollzieht das Hirn wahre Gedankensprünge. Es ist erwiesen, dass Ausdauersport die geistige Aktivtät anregt. Aber auch der physische Verfall wird durch regelmäßiges Laufen nachweislich gebremst. “Fit bleiben” klingt als höhere Motivation wenig konkret. Wenn ich aber schneller die U-Bahn-Treppen hochlaufe als die Rolltreppenbenutzer fahren, macht sich das Plus an Lebensqualität auch im Alltag bemerkbar. Allein das ist ein täglicher innerer Vorbeimarsch.

“Wenn du laufen willst, lauf eine Meile. Wenn du ein neues Leben kennenlernen willst, dann lauf Marathon.”

Wie der große Emil das gemeint haben könnte, muss wohl jeder selbst erfahren, der auf einen Marathon (oder gar einen Ultra) hintrainiert. Der Weg zum Marathon hält so viele schöne Momente bereit, die ohne das Laufen schwer vorstellbar sind. Da ist das Erkunden der Umgebung. Als überzeugter Innenstadtbewohner habe ich so die Umgebung von München step-by-step erlaufen und berauschende Strecken und Plätze gefunden. Da sind die Menschen, die ich auf dem Weg kennengelernt habe. Es sind nicht unbedingt Freundschaften für’s Leben, die da entstehen. Ob im Training oder bei Wettkämpfen, ich freue mich immer wieder über das Fachsimpeln, das gemeinsame Training und das gegenseitige Anspornen. Niemand aus dem Kreise macht das professionell, und doch ist Laufen für die meisten ebenso mehr als ein Hobby. Laufen verbindet. Und bringt uns dazu, auch mal verrückte Dinge zu tun. Und daran denke ich auch, wenn mir zum x-ten Mal auf der langen Wiesnrunde die Frage nach dem Warum aufkommt.

(c) Foto: TimekillerGestern gab es auch wieder so eine schöne Belohnung. Mit den Olympiabergziegen Lars-Peter, Timekiller Heimo, Hans-Martin und Steffen (beide erstmals dabei) ging es zum dritten Mal auf die Strecke Starnberg-München. Und obwohl das immerhin 30 Km sind, der Schneefall noch nicht aufgehört hatte, das Thermometer knapp über 0° anzeigte, wollte ich zu keinem Zeitpunkt auf der Couch oder im Bett sein. Am Ziel auf dem S-Bahnhof Starnberg Nord baten wir einen älteren Herrn, von uns ein Foto zu schießen. So ganz glauben konnte er nicht, dass wir aus München gelaufen sind. Nicht für jeden muss man die große Frage beantworten, was uns antreibt.

WAS TREIBT EUCH AN?