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Für 6,5 Tage hat es mich auf die “Blumeninsel im Atlantik” verschlagen. Vor drei Jahren staunte ich schon nicht schlecht über die Trails und traumhaften Laufstrecken auf Madeira. Damals konnte ich nicht laufen wegen einer Fußverletzung. Nicht so in diesem Jahr! Also habe ich mir gleich die “Tour & Trail Map” beschafft, “Trail” klingt doch schwer nach Laufstrecke. Nur wo fängt man an? Man muss wissen: Madeira ist ein Wanderparadies, das erste Wort, das der (vornehmlich deutsche pauschal urlaubende) Tourist lernt, ist “Levada” und bezeichnet einen künstlichen Wasserkanal. Mehr als 1.000 Km begehbare Levadas gibt es, nicht wenige nehmen spektakuläre Verläufe an steilen Hängen und durch kilometerlange Tunnel, um das Wasser aus dem regenreichen Norden nach Süden auf die Felder zu leiten. Da wir in Ponta do Sol im herrlich warmen Süden direkt an der Küste übernachteten, musste eine Route Richtung Norden her – und die zeigt dann unweigerlich in die Berge. Immerhin bis auf ca. 1.500 m kann man kraxeln. Also habe ich mir eine Route eingezeichnet und mich mit Gregor in Seixal an der Nordküste verabredet. Eine Süd-Nord-Querung also. Zum Glück habe ich nicht weiter nachgedacht über mögliche Schwierigkeiten, jeder Ortskundige hätte uns wohl für bekloppt schwer unvernünftig erklärt.

Photo-E572528B-E507-41B9-A172-9D8DF7DAFCC5-20131109-232505-2048Bewaffnet mit Trinkrucksack, Sonnenbrille, Futter, Stirnlampe und elektronischer Karte ging es um 9 Uhr auf die Piste. Zunächst ordentlich nach oben. Über das Nest Canhas erfolgte der Zugang in Richtung Inselzentrum. Der Plan war, die Hochebene “Paúl da Serra” auf ca. 1500 Meter gegen 12:00 Uhr zu erreichen, ein paar Kilometer auf der Straße zu laufen, um dann auf einem Pfad Richtung Seixal zu gelangen. Der “Abstieg” kann ja nicht mehr so schwer sein! Nach gut 3 Km bin ich schon nicht mehr sicher, ob der Weg der geplante ist. Die letzten Häuser sind passiert, die Sonne knallt erbarmungslos und ich walke einen steilen Weg hoch – der Olympiaberg erscheint mir inzwischen wie ein Hügelchen. Photo-3BFF5ECC-16D7-4E77-B2AD-7450F2B5E76D-20131109-232418-2048Die Vegetation wechselt sehr schnell, plötzlich finde ich mich in duftendem Nadelwald wieder. Die letzten Menschen für eine Weile sind Touris auf einem Jeep, die wohl auf “Safari” in die Berge fahren. Ich laufe weiter rein in das Tal der Ribiera da Ponta do Sol auf einem Forstweg, der nun relativ eben verläuft und gut zu laufen ist. Photo-05BCF055-D08A-4255-8CFF-908B6FD7EEE1-20131109-232452-2048Es wird zunehmend windiger und etwas matschig. Ein Wasserfall wurde nur notdürftig über den Weg geleitet, ich muss im Entengang durch. In der Phase sollte man schon schwindelfrei sein – mit jedem Meter wird die Aussicht auf das Tal besser, das sich nun langsam schließt. Links geht der noch nicht wirklich ausgetretene Pfad mit tiefer Erde ab – nach oben. Ich schnappe mir einen Wanderstock und schiebe mich Schritt für Schritt, Kurve für Kurve hoch. Nach ca. einem Kilometer stehe ich vor einem Tunnel und überlege nicht lange. Es gibt keinen anderen Weg, also Lampe auf und rein. Zum Glück sind es nur 200 Meter, aber mulmig war mir schon. Bis zur Hochebene entlang einer Levada sind es jetzt noch ca. 150 Höhenmeter, die ich bis 12:30 Uhr auch noch unter Sauerstoffnot schaffe.

Photo-6D79F313-AB0F-4B39-B809-7150B8D44F82-20131109-232842-2048Das Windrad auf der Hochebene ist das Zwischenziel, das sich ziemlich laut ankündigt und kräftig dreht – inzwischen bläst ein böiger Wind. Endlich geht es wieder in den Laufschritt über. Die Straße ist schnell gefunden und nach kurzer Orientierung auf der elektrischen Karte laufe ich Richtung Norden. Ein Kleinbus mit Touristen überholt mich. Etwas ungläubig schauen die Leute aus dem Fenster. Es ist neblig und zugig da oben, also will ich so schnell wie möglich wieder runter. Die Straße nach Enceumeada ist gesperrt, aber da will ich ja auch nicht lang. Ich verlasse die Straße nach weiteren 500 Metern und biege auf den “Weg” auf der sumpfigen Wiese ab. Was soll jetzt noch passieren – es geht ja bald wieder runter. Doch ich hatte mir die Karte nicht genau genug angeschaut.

Photo-DE3CAB3E-BC97-480C-8D79-DDDD777CD2C2-20131109-232137-2048Im Moos kreuzten mehrere kleine Seen den Weg, ich gab relativ schnell auf, da rumzulaufen. Augen auf und durch. Das Arbeitstier von Brooks macht artig mit. Alle 10 Minuten kontrolliere ich auf der Karte, ob ich richtig bin. Die Pflanzenwelt ist berauschend, so sattes Grün habe ich noch nie gesehen. Photo-799735EC-6394-4A71-B8F7-490D2BAADD5D-20131109-232247-2048Aber mehr und mehr muss ich mich auf den immer sumpfigeren und schmaleren Weg konzentrieren. Es geht nochmals einige Hügel rauf und runter, bis der Weg -oder das, was das Wasser davon übriggelassen hatte- tatsächlich nach unten führt. Die Sicht ist nur noch ein paar Meter. Ich merke, dass hier seit Wochen niemand mehr langgewandert ist und ärgere mich über die Idee, ausgerechnet diesen schwierigen Weg zu laufen. Als ich dann vor dem rauschenden Wasser stehe, das nicht meinen Weg kreuzt, sondern mein Weg IST, verliere ich fast den Mut. Hundert Meter knöcheltief wate ich durch das Wasser und bin restlos bedient. Was für eine bescheuerte Idee!

Photo-36759A53-7D18-4307-B359-078FF88B234F-20131109-232958-2048Irgendwann wird der Weg zu meiner Erleichterung zu einem Abstieg, der durch große Steine unterstützt wird. Leider sind diese durch die Laubmassen nicht immer gut zu sehen und so setze ich mich sechs Mal unfreiwillig hin, während ich mich Stück für Stück nach unten kämpfe. Ich habe keine Aussicht, aber zumindest der halbwegs befestigte Weg zeigt mir, dass ich zwar noch hoch, aber nicht mehr weit entfernt von Seixal bin. Ca. 1.000 Höhenmeter überwinde ich bei der anstrengenden Kraxelei nach unten. An steilen Stellen setze ich mich gleich hin und rutsche auf dem Laub runter.Photo-94B40568-B55A-4DBB-8129-2AF9714FBEB7-20131109-233048-2048 Als sich das Tal vor mir öffnet, habe ich es fast geschafft, ca. 30 Minuten bis zur Küste müssten es jetzt noch sein. Das Schild weist die Richtung, und ein wundervoller Weg führt mich nach unten in das Fischerdorf. Ich bin heilfroh, dass Gregor unten wartet und inhaliere zwei Dosen Pepsi light – endlich etwas anderes als Wasser trinken. Insgesamt stehen nach 5:10h knapp 27 Km auf dem Tacho, die Beine sind erstaunlich frisch. Leider hat der Forerunner die GPS-Route noch nicht wieder ausgespuckt. Was für ein abenteuerlicher Inselcross!

Im Winter sollte man sich die Routen in den Bergen von Madeira ganz genau überlegen und nicht wasserscheu sein. Ein Überblick über meine Ausrüstung habe ich hier aufgelistet: