Zu zweit läuft's besser.

Dämpfung extrem: HOKA ONE ONE

Dämpfung extrem: HOKA ONE ONE
16. Oktober 2015 Henrik

Der Barfußtrend ist definitiv vorüber. Ab 2012 bis ins letzte Jahr hinein mussten alle Hersteller unbedingt Barfuß- und Lightweight-Schuhe auf den Markt werfen. Dass der Trend abgeebbt ist, sieht man recht schnell in den Regalen. Nicht nur das: das Pendel ist mit Eintritt der Franzosen von HOKA ONE ONE in die andere Richtung ausgeschlagen. Plötzlich stehen Schuhe mit Dämpfung im Schaufenster, für die man vor drei Jahren mindestens belächelt, wahrscheinlich aber für chancenlos erklärt hätte. Bei der Ironman Weltmeisterschaft auf Hawaii waren die HOKAs die drittmeistgenutzten Schuhe.

Wir haben zwei Modelle von HOKA ONE ONE über einen längeren Zeitraum probegelaufen.

huakaHUAKA (gelaufen von Henrik)

Der Huaka ist die Allzweckwaffe von HOKA. Ein Maximalschuh mit Minimalgewicht und minimaler Sprengung – wie passt das zusammen? Ich würde den Schuh im Straßenlaufsegment verorten, aber vielleicht tue ich ihm damit unrecht. Auch auf Trails der Kategorie Forst- und Waldwege macht der Huaka eine gute Figur. Der erste Lauf war durchaus gewöhnungsbedürftig, eine Art Schwebezustand tritt ein, ich hatte das Gefühl, wie auf Watte zu laufen. Aber daran gewöhnt man sich sehr schnell. Der Schuh ist trotz dieser klobigen Sohle unglaublich direkt. Ob Tempodauerlauf auf Asphalt oder gemütliches Dahintraben im Wald – der Schuh fühlt sich wie ein altbekannter Begleiter an, der auf alle Situationen vorbereitet ist und den nichts aus der Ruhe bringen kann. Selbst auf nassem Untergrund bietet die Sohle überraschend viel Grip – besser als so mancher ausgewiesene Trailschlappen. Sagenhafte drei Zentimeter dick ist der Schaum unter der Ferse. Trotzdem beträgt die Sprengung nur 2 mm, weil auch der Vorfuß auf dem Schaumbett arbeiten darf. Mit einer derart üppigen Dämpfung eignet sich der Huaka selbstredend für die langen Kanten und Ultraläufe. Ich hatte den Schuh sowohl beim Ultramarathon in Stockholm (50 Km) als auch beim 6h-Lauf in München (66 Km) an. Bei beiden Läufen war zum Ende hin unterhalb des Knöchels ein leichter Druck zu spüren. Von Blasen bin ich verschont geblieben. Die Schnellschnürung ist klasse, man muss aber etwas aufpassen, dass man sie nicht zu eng zieht. Für lange Straßenläufe inkl. Marathons kann ich den Huaka bedenkenlos empfehlen. Auch für leichte Trails ist der Schuh prima geeignet. Im Gelände mit technischen Wegen sehe ich den Huaka nicht, hier vertraue ich weiter auf die Trail-Spezialisten. Im Training laufe ich ihn nur gelegentlich, ich bleibe ein Verfechter des Schuhwechselns, um den Fuß nicht an einen Schuh zu gewöhnen.

DESIGN: 4/5
DÄMPFUNG: 5/5
FLEXIBILITÄT: 4/5
PASSFORM: 4/5
PREIS: 2/5
GESAMTEINDRUCK: 3,8/5

clifton2CLIFTON 2 (gelaufen von Marek)

Wenn man den Clifton das erste Mal erblickt, kommt man nicht sofort auf die Idee, dass dies ein Laufschuh sein soll. Wirkt er doch sehr klobig und schreit förmlich nach viel Gewicht. Doch der erste Eindruck täuscht gewaltig: in US12 bringt der Schuh gerade mal 277g auf die Waage. Das ist nun wahrlich kein Leichtgewicht und weit von den Regionen der Minimal-Schuhe entfernt, aber kann locker mit den stabilen Varianten der Konkurrenz mithalten. Das Laufgefühl ist: einfach anders. Die sehr gute Dämpfung im Vorder- und Hinterbereich ist äußerst bequem, auch wenn ich beim Clifton nicht das gleiche Gefühl vom Fliegen wie beim Huaka hatte. Trotzdem läuft es sich sehr leicht und locker. Ein erster Härtetest der Schuhe fand beim 6h-Lauf in München im September statt. Mit den wechselnden Untergründen bin ich bestens klargekommen, am Ende stand eine Blase am rechten äußeren Zeh. Das kommt bei neuen Schuhen durchaus öfters vor, so dass ich dem keine große Bedeutung beigemessen habe. Wofür ist der Clifton denn nun geeignet? Tendenziell bieten sich längere Läufe geradezu an, Asphalt ist mit Sicherheit die bevorzugte Wahl, aber auch ein festerer Waldboden ist unproblematisch. Ich hatte den Schuh auch schon bei Tempoläufen an und konnte keinerlei Einschränkungen bei der Geschwindigkeit wahrnehmen. Ein wenig Probleme macht mir teilweise die Zunge, die nicht so bequem geraten ist und manchmal etwas zu sehr auf den Fuß drückt. Insgesamt ist der Clifton aber ein richtig guter Schuh, der für den langen Straßenlauf geradezu prädisteniert erscheint. Als alleinigen Schuh würde ich den Hoka aber nie laufen, sondern immer die Füße auch mit wenig gedämpften Latschen “verwöhnen”. Trotz des abgeflauten Barfuß-Themas glaube ich nachwievor an die kräftigende Wirkung des minimalistischen Laufens. Gerade im Hinblick auf die üblichen Läuferbeschwerden ist zuviel Dämpfung sicher nicht im Geiste des Erfinders.

DESIGN: 3/5
DÄMPFUNG: 5/5
FLEXIBILITÄT: 3/5
PASSFORM: 3/5
PREIS: 3/5
GESAMTEINDRUCK: 3.4/5

13 Kommentare

  1. Wie bereits wo anders erwähnt, habe ich die Marke vergangenes Jahr bei der Marathonmesse in Chicago live gesehen. Dort und nun auch auf Hawaii habe ich noch nie zuvor so viele davon an Füßen gesehen. Wobei dort auch das andere Extrem der sehr leichten und wenig gedämpften Schuhe für lange Strecken wohl häufiger eingesetzt wird. Auf jeden Fall eine interessante Entwicklung. Ich kann mich nicht so recht an das Design gewöhnen. Wobei sie an anderen Füßen gar nicht schlecht aussehen. Interessant, dass sich der Huaka auch so gut im Gelände schlägt.

  2. HarleRunner 9 Jahren vor

    Ich hatte ja auch schon beide Schuhe im Test. Es scheint ziemlich individuell zu sein, ob einem diese Schuhe zusagen oder nicht. Immer wieder höre ich von Läufern mit Fersensporn oder Achilles-Sehnen-Problemen, bei denen die Hoka-Schuhe eine reine Wohltat waren.

    Ich komme mit dem Clifton zum Beispiel sehr gut zurecht, wurde mit dem Huaka aber nicht so richtig warm.

    • Natürlich, Schuhe sind immer sehr individuell. Absolut verständlich, dass mehr Dämpfung bei solchen Fußbeschwerden erstmal wohltuend sind. Nur, ob sie langfristig zur Heilung beitragen, steht auf einem ganz anderen Blatt. Daran glaube ich nämlich überhaupt nicht. Es wird nur temporär helfen, überhaupt laufen zu können. Ist natürlich auch schon was 🙂

  3. FlowRunner 9 Jahren vor

    Hi,

    der Barfuss-Boom scheint in der Tat abzuebben. Als einen bloßen Trend würde ich das Barfuß bzw. das Laufen mit Minimalschuhen aber nicht abtun. Aus meiner Sicht war das nicht weniger als ein Paradigmenwechsel. Es gibt klare, kaum widersprochene Argumente für das Barfußlaufen. Ist einfach zu logisch und schlüssig. Das gilt auch weiterhin.

    Aber es erfordert eben eine Umstellung des Laufstils. Der ist mitunter langwierig und aufwändig ist. Das wurde einfach zu wenig betont. Außerdem ist die Umstellung körperlich vielleicht nicht mehr für jedermann möglich.

    Deswegen finde ich es nur logisch, dass es jetzt in der Tat einen kleinen Trend in die Gegenrichtung gibt. Aber nicht weil sich die Lehrmeinung oder Argumente geändert hätten.

    Nein. Ich glaube, es ist schlicht einfacher, Laufprobleme mit Schuhen zu bekämpfen als mit einer Änderung des Laufstils.

    Und auf der anderen Seite kommt die Mehrheit der Läufer ja auch mit einem Fersenaufsatz gut zurecht. Der verträgt sich aber nicht mit minimal gedämpften Schuhen.

    Das Phänomen Hoka erklärt sich für mich dadurch, dass es ein offensichtlich funktionierendes Mittel gegen die Symptome von Laufverletzungen und Überlastungen ist.

    Das sehe ich ähnlich wie bei der Medikamenteneinnahme. Wer heute z.B. gesundheitliche Wehwehchen hat, die offensichtlich auf den Lebenswandel zurückzuführen sind, nimmt auch leichter erstmal ein paar Tabletten als gleich den ganzen Lebenswandel zu ändern – oder?

    Sicher bin ich, dass Minimalschuhe nicht mehr wegzudenken sind, aber ebenso, dass sich der momentane Ausschlag in die Gegenrichtung wieder abschwächen wird.

    Für die Sportschuhindustrie ist es so auf alle Fälle gut: Probieren werden die Dämpfungswunder viele. Und da sie offenbar gut funktionieren, werden zumindest Läufer langer Strecken hin und wieder auch dabei bleiben. Und dann hat Dämpfung zum Glück für die Industrie auch noch eine sehr begrenzte Haltbarkeit, d.h. alle paar Monate müssen neue her – gehts besser?

    In manchem US-Blog wird schon geschrieben, dass für jeden Ultra eben ein neues paar Schuhe her muss, da die Dämpfung nach wenigen hundert Kilometern sicht- und spürbar schwindet.

    Positiv am abgeschwächten Minimal-Boom ist aber sicher, dass man als Läufer wieder leichter mal nachdenkt, was zum eigenen Körper und Laufstil wirklich passt.

    Ich mag es auch weiterhin minimal 🙂

    Es grüßt der FlowRunner

  4. Frank 8 Jahren vor

    Hi,

    im Stil der meinungsformenden Medien, die sich vor allem mit dem Konsumverhalten der Nutzer befassen, muss es natürlich “Trends” geben – nur: das Laufen folgt keinem Trend. Genausowenig, wie das Wassertrinken keinen Trends folgt, da Flüssigkeit (Wasser) zum Menschen gehört wie der Höcker zum Kamel.

    Die Frage steht doch nicht, ob mal dicke und mal dünne Schuhe Mode sind – gut ist nur das, was dem Läufer nützt. Das ist keine Mode- und keine Trendfrage.
    Diese Problematik der verheerenden Moden hat in den 80-er und 90-er Jahren zur Fehlversorgung der Läufer geführt, weil man die Sau durch’s mediale Dorf trieb, alle bräuchten Pronationsstützen. Ich bin eines der “Opfer” dieser Fehlleitung.

    An Trends ist nur die Industrie interessiert, die am besten auf ahnungslose Käufer trifft, die sich an oft wiederholte Meinungen hält, weil sie meint, je öfter eine Meinung auftaucht, um so richtiger muss sie sein.

    @FlowRunner:

    “Nein. Ich glaube, es ist schlicht einfacher, Laufprobleme mit Schuhen zu bekämpfen als mit einer Änderung des Laufstils.

    Und auf der anderen Seite kommt die Mehrheit der Läufer ja auch mit einem Fersenaufsatz gut zurecht. Der verträgt sich aber nicht mit minimal gedämpften Schuhen.”

    Laufprobleme mit Schuhen bekämpfen? 😀 Du löschst Feuer bestimmt auch mit Benzin?
    Kleiner Tipp vom Marathonläufer mit 30 Jahren Lauferfahrung: Der Laufstil ist der Schlüssel zum gesunden Laufen. Und nur dieser. Alles andere hat die Industrie kolportiert, um ihre teuren Botten loszuwerden.

    Die “Mehrheit der Läufer” kennt niemand. Sie ist eine Masse. Hat die Masse recht, weil sie die Masse ist? Haben 10 Leute Recht, die gegen eine Wand laufen und einer hat Unrecht, weil er stehen geblieben ist?

    Dass etliche Läufer den Fersenaufsatz für okay halten, hat meist nur einen Grund: Sie sind laufsportlich ahnungslos und haben meist auch kein Interesse, bestimmte Geschwindigkeiten und Strecken effizient und verletzungsfrei zu laufen.
    Dass Leute, die schlecht laufen, natürlich auch nicht mit eigentlich korrekten Schuhen klarkommen, ist logisch. Man sollte in Betrachtungen nur nicht die Wahrheiten verdrehen.

    “Gut zurecht” kommt der, der seine Probleme nicht bemerkt. Oder der andere – der sich auskennt. Zwei Welten, verschiedene Erkenntnisse.

    MfG

    • Marek 8 Jahren vor

      Hi Frank,

      jeder, der mal “Born to run” gelesen hat, ist sich der Widersprüchlichkeit von natürlichem Laufen und den Schuhen bewußt. Laufschuhe sind halt Teufelszeug, wenn es darum geht, Fußfehlstellungen und Verletzungen zu verursachen. Das ist leider zu wenigen bewußt. Und die Industrie tut natürlich auch nicht viel, um diesen Sachverhalt den Konsumenten zu verdeutlichen. Sonst würde ja auch niemand mehr Laufschuhe “konsumieren” 🙂 Ich denke, die Minimalschuhe sind da schon ein guter Kompromiss. Man darf eben auch nicht außer Acht lassen, dass wir im täglichen Leben auch mit Schuhen unterwegs sind und barfuß zu laufen für die meisten doch eher die Ausnahme ist. Ich bin mir jedenfalls ziemlich sicher, dass ich meine Fersenproblematik gut mit Minimalschuhen in den Griff bekommen habe!

  5. Frank 8 Jahren vor

    Hi Marek,

    mir geht es vor allem um eine fachlich korrekte, sachliche Diskussion beim Laufschuhthema. Es gibt zuviele schlechte bzw. bezahlte oder fahrlässig selbstherrliche, launige Beiträge im Internet über dieses Thema.

    Übrigens “Born to run” ist so mit das Schlimmste, das ich je gelesen habe. Für mich ist das kein Buch, sondern eine hysterische Bratpfannenwerbung. – Ich war konsterniert. Jedes Anfänger-Laufbuch bietet mehr vom Fach und Inspiration. Sage ich. – Und für Indianergeschichten haben wir noch Karl May. 😉

    Beste Grüße
    Frank

    • Marek 8 Jahren vor

      Den ersten Punkt teile ich. “Schuhtests” sind einfach zu individuell, um daraus eine Aussage für die Allgemeinheit ableiten zu können. Dessen sollte sich jeder Schuhkäufer bewußt sein.

      “Born to run” fand ich dagegen ein klasse Buch, das entgegen dieser ganzen Lauf-Fiebeln einmal die andere Seite dargestellt hat. Hinterfragt hat, woher denn die ganzen typischen Verletzungen kommen und was denn dagegen machbar ist. Da gibt es nicht viele Bücher, die sich so vehement gegen die Laufschuhindustrie stellen. Es ist ja in dem Sinne auch kein Fachbuch, sondern eher ein Erfahrungsbericht eines verletzten Läufers. In jedem anderen Laufanfängerbuch wirst du keinen Hinweis darauf finden, dass du die Schuhe mal im Regal stehen lassen solltest.

  6. Frank 8 Jahren vor

    Hi Marek,

    ich habe eine Menge Bücher seit 1985 bezüglich des Laufens gelesen. Sogar 2011 (?) kaufte ich, als alter Hase, die Laufbibel von Marquardt. Also das ist ein Buch, das ich einfach nur als exzellent bezeichnen kann und das sich ja nun dermaßen sichtbar GEGEN die Laufschuhindustrie aufstellt… Wer das liest (und versteht), kommt auch mit dem Laufen klar und ist weniger verletzt bzw. gar nicht mehr (Ich schreibe aus eigener Erfahrung.).

    Ich war auch ab und zu “verletzt” – die Ursachen waren so klar, ich musste sie nur begreifen wollen (Früher wollte ich bestimmte Zusammenhänge nicht wahrhaben.). Ich brauchte dafür kein Abenteuerbuch, zumal in “Born to run” zum Ende hin auch ein paar Binsenweisheiten vermittelt werden, die eben schon seit Jahrzehnten in jedem Standard-Laufbuch zu finden sind.
    Zusammenfassend kann ich mich heute wiederholen: Das Problem der Leute ist meist ihr unangemessenes Training bzw. eine unpassende Einstellung zur Sportart. Sie verweigern sich einfachen Erkenntnissen (Das ist wohl das größte Problem).
    Zudem fehlen mithin Mindestkenntnisse im Bereich der Sportmedizin/Physiotherapie. – Klar, wenn man nicht weiss, wie Füße, Knie, Hüften, Schultern und Arme zusammenspielen (90% der Läufer haben einen derart grauenvollen Laufstil…), versteht man seine Probleme ganz sicher nicht. Da liegt das dann immer woanders dran. 🙂

    Sportliche Grüße
    Frank

    • Marek 8 Jahren vor

      Da sind wir einer Meinung Frank. Danke für deine Anmerkungen! Sehr schön!

  7. Sportmagazin PULSTREIBER 8 Jahren vor

    Ich fand “Born to Run” ganz interessant, aber McDougalls neues Werk “Handbuch des Helden” ist fast schon eine Frechheit. Da wird auf dem Hype des ersten Buches aufgebaut und dem Leser ein Sammelsurium an Geschichten und “Geheimnissen” aufgetischt, dass es einen graust. http://www.pulstreiber.de/buecher-dvds-lesen/buchvorstellung-handbuch-des-helden.html

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