„Laufen kannst du dort auch.“ Das hörte ich oft von einem meiner Lieblingsmenschen, wenn wir über seine Heimat sprachen und ich rumblödelte, dass ich irgendwann einmal hinfahren und dort die Trailschuhe schnüren würde. Nur, dass es halt um Gambia ging und nicht um Gran Canaria. Ein kleines Land an der Westküste Afrikas, dass -wenn überhaupt- mal in unseren Nachrichten auftaucht, wenn es um auf den Kanaren ankommende Geflüchtete aus eben diesen „Subsahara-Ländern“ geht.

Als ich an einem sehr kalten Januarmorgen in ein Flugzeug mit Zwischenstopp in Barcelona stieg, mir schon klar, dass es in den nächsten Tagen weniger ums Laufen gehen würde. Wer schöne Laufstrecken in unberührter Natur oder Urban Trails mit guter Infrastruktur sucht, sollte eher woanders aufsetzen als in Banjul. Aber nun war ich da.

Die Hauptstadt des kleinen Landes (2,5 Mio. Einwohner*innen) liegt auf der Nordspitze der Südseite des Gambia Rivers. Wachsen kann Banjul nicht mehr, weshalb sich mit Serrekunda etwa 30 Kilometer südlich von Banjul die nächstgrößere Besiedlung anschließt. So richtig weiß man nie, wo eine Gemeinde anfängt und endet. Ortseingangsschilder sind genau wie Verkehrsschilder entbehrlich.

Ich wagte hier vormittags einen Lauf von meiner ersten Bleibe zum Senegambia Beach, dann am Strand und zurück. Man muss darauf vorbereitet sein, dass man als weißer Mann gnadenlos auffällt und ständig angesprochen wird. Mit locker dahinlaufen ist es nicht so einfach. Ich schwang mich in die Carbon-Trailschuhe und legte den Laufrucksack an. Aber auch ohne Signalfarben fällt man auf. Zum einen, weil niemand in Serrekunda auf die Idee kommen würde, in der Mischung aus Abgasen, Rauch, Schmutz und Sand eine längere Strecke zu laufen. Zum anderen, weil Sport eine Luxusbeschäftigung ist. Es gibt schlicht und ergreifend Wichtigeres zu tun.

Da es keine Gehwege gibt und nur die „Highways“ asphaltiert sind, läuft man zick-zack um Menschen, Verkaufsstände, Autos, Esel, Tuk Tuks, Hunde und alles, was sich irgendwie bewegen kann. Um den Kreisverkehr am Senegambia Beach als Fußgänger zu überqueren, muss man schon eine gesunde Portion Optimismus mitbringen. Aber beim zweiten Mal war es schon nicht mehr so schlimm.

Serrekunda Senegambia Beach

Wenn man sich zum Strand durchgeschlagen hat, ist es gigantisch schön zu laufen. Bei Ebbe öffnet sich eine riesige Spielwiese, die in Gambia vor allem zum Kicken genutzt wird. Als ich ein paar Minuten zuschaute bei Fünf-gegen-Fünf, fragten die Jungs, ob ich mitspielen will. Die sind aber technisch so beschlagen und steigen so brutal ein, so dass ich lieber weiterlief. Mit der Plantarsehne hatte ich schon genug Probleme.

Es gibt alle paar hundert Meter eine Juice Bar, wo man sich für 150-200 Dalasi (etwa 2 EUR) einen frischen Baobab-Saft gönnen kann. Aber Obacht: schnell geht in Gambia gar nichts und so saß ich dann eine Stunde mit Dennis im Schatten und wir plauderten und rauchten – es war sowieso viel zu heiß zum Laufen.

Auf dem Rückweg traute ich mich auf die „Nebenstraße“ des Highways, eine Sandpiste. Auch hier fing mich sogleich wieder ein Gambier ab und lief in Adiletten neben mir her. So ganz langsam war ich nicht, aber er ließ sich nicht abschütteln. Ich musste erstmal lernen, dass es besser ist, den Leuten kein Geld zu geben. Die Geschichten ähneln sich immer. Kein Job, keine Bleibe, kein Geld für das Essen. Nun wusste ich vorher, dass in Gambia zumindest niemand Hunger leiden muss. Trotzdem war ich beeindruckt von meinen Begegnungen auf dem ersten Lauf in Gambia.

Aufs Laufen habe ich dann erstmal verzichtet und mich lieber im Auto (als Beifahrer!) durchs Land bewegt. Das ist schon Abenteuer genug. Aber wenn man sich erstmal an die „Fahrweise“ der Einheimischen gewöhnt hat, macht es sogar ein wenig Spaß. Es ist nicht nachvollziehbar, warum so wenig Unfälle passieren.

Serrekunda - Manjai Daily Business

Nachdem ich mit meinem Freund Banjul erkundet hatte und wir auch den bekannten Fischmarkt in Tanji besucht hatten -ein verstörendes Erlebnis für geruchsempfindliche Veganer- zog ich in ein Hotel in Bakau, um hier wenigstens noch ein wenig zu trainieren vor dem Lanzarote Laufcamp.

Der Strand ist gigantisch und morgens ist man fast allein. Fast – denn einige sportliche Jungs machen tatsächlich um 7:00 Uhr Kraftübungen am Strand oder laufen. Auch hier wurde ich so einige Male angesprochen, ob ich nicht Laufsachen oder Schuhe hätte. Fast hätte ich mein Shirt ausgezogen und es verschenkt. Die Trailschlappen brauchte ich ja noch für Lanzarote! Es hat mich mit etwas ratlos zurückgelassen, dass ich etwa 50 Laufshirts und 25 Paar Laufschuhe im Schrank habe und hier wären die Jungs schon über eines froh. Gelaufen wird barfuß oder in Flip-Flops. Ja, das geht.

Bei meinem Abschiedslauf habe ich am Strand beim Müllsammeln geholfen. Der gute Mann, der damit beauftragt war, wirkte nicht sonderlich motiviert und leider schwimmt ziemlich viel Müll rum. Sonderlich pfleglich gehen die Gambier nicht mit der Natur um, aber wie schon erwähnt: es gibt andere Prioritäten.

Ich wäre gern entlang der Küste bis nach Banjul gelaufen, aber dafür war nicht genug Zeit. Man muss auch die Gezeiten gut abpassen, damit man am Strand laufen kann. Bei Ebbe ist es ein Träumchen. Entweder man läuft sehr früh morgens oder kurz vor Sonnenuntergang. Es wird tagsüber auch am Wasser sehr heiß, 35 Grad sind im Januar durchaus üblich. Getränke muss man eigentlich nicht mitschleppen – die Juice Bars bieten Gelegenheit für Flüssigkeitsaufnahme, aber man versackt hier schnell und plaudert mit den Jungs über Gott und die Welt.

Mich hat das nicht gestört, wie sonst erfährt man etwas über Land und Leute? Der Sound ist leider oft negativ – viele wollen weg aus dem Land ins gelobte Europa. Dass die Menschen inzwischen in Europa nicht mehr ganz so willkommen sind, schreckt keinen einzigen ab. Die Zahlen der Flüchtenden auf der Kanaren-Route (Mauretanien – El Hierro/Teneriffa) sind im Januar explodiert. Unter den Geflüchteten sind viele Gambier. Mich hat das sehr nachdenklich gemacht und auch deshalb war Laufen nicht das dominierende Thema meiner Reise an die “Smiling Coast of Africa”.

Als ich dann für das RUNNING Company Laufcamp auf Lanzarote aufsetzte, kam ich erstmal nicht klar. Und ich merkte ganz schnell, warum. Unter den meckernden Deutschen und Engländern, die sich nicht benehmen können, vermisste ich schlagartig: die Herzlichkeit und Lässigkeit der Menschen in Gambia.