Zu zweit läuft's besser.

Valencia – der schnellste Marathon der Welt

Valencia – der schnellste Marathon der Welt
18. Dezember 2022 Henrik

Etwa 30.000 Läufer:innen fliegen auf dem hellblauen Teppich ins Ziel. Das kann nur in Valencia sein!

Ich hatte im Sommer eine Einladung des Tourismusbüros erhalten, mir zusammen mit anderen Influencern und Journalisten die Stadt anzuschauen und den Marathon mitzuerleben. Warum denn nicht, dachte ich mir. Schließlich hatte ich schon oft die ganzseitigen Anzeigen des Valencia Marathons in den einschlägigen Presse entdeckt und mir gedacht “da musst du auch mal hin”. Was ich auch gedacht habe: bestimmt hast du im Winter auf dem Weg zum Lanzarote Laufcamp im Januar noch eine gute Form und kannst bei der Gelegenheit bei angenehmen Temperaturen mal wieder eine schnelle Marathonzeit einfahren.

Dieser Teil des Plans ist nicht so ganz aufgegangen. Aber dafür war der andere Teil umso gelungener: ich durfte ein verlängertes Wochenende in einer tollen Stadt verbringen und mich von der Lauf-Begeisterung der Valencianos anstecken lassen.

Wie? Es gibt sogar Absperrgitter mit der Prägung “Ciudad del Running”? Ja, in Valencia ist -zumindest in der Marathonwoche- das Thema Laufen allgegenwärtig. Man stelle sich das in der selbsternannten “Sportstadt” München vor – in der Marathonwoche sieht man in der Stadt: nichts. Ein sehr schönes Gefühl, in einer laufbegeisterten Stadt zu sein.

So machte ich mich am Donnerstagabend nach meiner Ankunft direkt auf einen Lauf in den Jardi del Turia. Angepriesen als der längste Stadtpark Europas zieht sich das Naherholungsgebiet Valencias schlechthin über 10 Km durch die Stadt. Hier gibt es eine beschilderte und in Teilen vermessene Laufstrecke, die am Vorabend noch gut besucht war. Sogar ein Tor mit der Werbung für den “Marathon der Marathons” hat der Veranstalter über die Laufstrecke gespannt. Wirklich hinweisen auf das Mega-Event muss man aber eigentlich nicht mehr. Man spürt und sieht es an jeder Ecke, welches Event am Sonntag bevorsteht. Der Valencia Marathon ist spätestens im Frühjahr ausverkauft. Und viele der Teilnehmer:innen trainieren natürlich im Jardi del Turia.

Ein perfektes Laufrevier: keine Ampeln, gut befestigte Wege, zwei ausgewiesene 5 Km-Strecken mit Schildern alle 100m und zahlreiche Brücken, unter denen man durchläuft. Denn der Park ist ein trockengelegtes Flussbett. In dem langen Streifen gibt es zahlreiche Cafés, Spielplätze und Sportplätze. Kurzum, hier trifft man sich. Im Winter ist allerdings nicht so viel los. Im Sommer sieht das ganz anders aus.

Viel Aussicht auf die Stadt gibt es aber nicht, da man permanent unterhalb des Straßenniveaus läuft. Richtung Küste mündet der Turiel-Park an der “Ciudad de las Artes y las Ciencias” – der Stadt der Künste und Wissenschaften. Dieser futuristische und spektakuläre Gebäudekomplex ist das Wahrzeichen Valencias. Mir hat das schon mal richtig gut gefallen.

Ich lief bis zum Stadtrand und kehrte dort auf einem Aussichtshügel um. Auf dem doch recht windigen Rückweg wollte ich noch ein paar Kilometer im Marathontempo laufen. Das fühlte sich gar nicht so übel an. Mein Trainingspensum aus den letzten Wochen war nicht der Rede wert. Die beiden Favoriten liefen mir entgegen und wollten sich offensichtlich auch noch lockermachen vor dem großen Tag.

Kurz danach passierte dann leider das Malheur. Auf einer Kante knickte ich in einem Moment der Unachtsamkeit mit dem linken Fuß um, es knackte und fühlte sich so gar nicht gut an. Ich humpelte noch ein paar Meter weiter und bedauerte mich selbst ob dieser Blödheit. Nach ein paar Minuten lief ich dann langsam weiter – vielleicht war es ja nicht so schlimm?

Auf dem noch recht langen Rückweg zum Hotel steuerte ich eine Apotheke an und holte mir die Voltaren-Tube. Im Hotelzimmer sah ich dann aber das Ausmaß der Verletzung. Der Fuß war schon ordentlich geschwollen. Und als ich abends nochmal durch die Straßen spazierte, legte ich den Marathon am Sonntag zu den Akten. Mehr als humpeln war nicht drin und der Schmerz beim Auftreten war stechend.

Am Freitag stand die Pressekonferenz der Elite-Runner auf dem Programm, das das Tourismusbüro zusammengestellt hatte. Die PK fand allerdings auf dem Außengelände der “Hemispheric” statt. Die zwei kenianischen Athleten froren schon vor Beginn der Pressekonferenz in dem zugigen Areal. Ziemlich langatmig referierte dann der Marathon-Chef auf spanisch und gelegentlich fiel ihnen dann auf, dass man doch auch mal was auf Englisch sagen könne.

Ich zog schnell von dannen, um zumindest meine Startnummer abzuholen und einmal über die Marathonmesse zu schlendern. Einige Meter muss man schon zurücklegen, das Goodie Bag mit Shirt gab es erst nach dem Einsacken der Startnummer. Alles sehr gut organisiert. Zumindest gab es keinen Plastikbeutel, sondern eine Papiertüte, in der kein einziger Flyer drin war. Nachhaltigkeit scheint man also wirklich ernst zu nehmen. Und das beschränkt sich übrigens nicht auf den Marathon. In der ganzen Stadt konnte ich keinen Müll entdecken. Im Gegensatz zu Madrid und Barcelona ist Valencia überraschend sauber. Alles wirkt sehr aufgeräumt.

Was macht man hier anders?

Am Samstag lud Reiseleiter David zu einer Fahrradtour durch die Altstadt mit anschließendem Mittagessen am Strand. Mit der internationalen Gruppe aus diversen Influencern und Journalisten fuhren wir nochmal den Jardi del Turiel ab und kurvten durch die Altstadt am Torres de Serranos und Plaza de la Virgen. Es war allerdings so voll, dass wir nur sehr langsam vorankamen. Am Marathon-Wochenende platzt Valencia aus allen Nähten.

Das Fahrradwegenetz ist sehr gut ausgebaut und tatsächlich hatte ich den Eindruck, dass man mit dem Bike in Valencia sehr gut vorankommt. Nicht gerade an diesem Wochenende. Valencia scheint schon gut vorangekommen zu sein in Sachen Verkehrswende. Die Stadt hat den Titel “European Capital of Smart Tourism 2022” gewonnen. Vielleicht kann sich manche hiesige Großstadt etwas abschauen?

Am Abend zog ich mir nochmal die Laufschuhe an und probierte, ob der Fuß nicht doch halten würde. Und zu meiner Überraschung hatte ich zumindest keine Schmerzen mehr. Also würde ich es zumindest versuchen. Da die Strecke zickzack durch die Innenstadt führt, wäre ein Aussteigen kein großes Problem. War das vernünftig? Sicher nicht. Vor allem nicht angesichts meines dürftigen Trainingszustands.

Um kurz nach 7 gab ich schon meine Dropbag ab, nachdem ich gute 5 Km zu Fuß zum Startbereich zurückgelegt hatte. Punkt 8:15 Uhr rollte der Elite-Block los, mein Block 4 startete um 8:25 Uhr. Mir war am Morgen furchtbar kalt und ich hatte das lange Shirt untergezogen – ein schwerer Fehler, denn bei den 17 Grad mittags hätte es eher das ärmellose Shirt getan. Das Einheizen war wirklich stimmungsvoll. Einen Startschuss hörte ich nicht, die Meute setzte sich schnell in Bewegung. Auf der Brücke war es recht eng.

Trotz einer 4:20min auf dem ersten Kilometer kam ich mir vor wie ein Verkehrshindernis. Die ständigen Ellenbogen nervten ziemlich und es entspannte sich erst nach gut 5 Kilometern. Bis Kilometer 15 fühlte ich mich ganz gut und ich konnte mein am Anfang eingeschlagenes Tempo halten. Dann wurde es a) viel zu warm b) schwierig mit der Wade, weil die Belastung doch ziemlich unrund war c) hart ohne jegliche Tempo-Grundlage d) mimimi-mäßig.

Der Weg von 15 zu 20 fühlte sich schon sehr weit an und nachdem endlich die Hälfte in etwa 1:35h geschafft war, legte ich die erste Gehpause ein. Wirklich überraschend kam das jetzt nicht, aber motivierend ist halt was anderes. Ich rollte mich aber wieder ein und schleppte mich in der sub3:30 Todeszone durch. Aber so ein Marathon wird dann sehr, sehr lang und ich hatte das Gefühl, dass die Kilometerschilder immer seltener wurden.

An den Verpflegungsstationen wurden verschlossene Einweg-0,5l-Wasserflaschen(!) gereicht. Das war der einzige Ausfall in der Organisation, der mich wirklich erstaunte. Am ersten VP stürzte ein Läufer neben mir über die rumliegenden Flaschen. Man musste den Deckel der Flasche abschrauben, was allein schon etwas Kraft kostet und wer trinkt einen halben Liter? Ich nutzte zunehmend das Wasser, um mich abzukühlen. Trotzdem blieb es eine elende Quälerei – bis ins Ziel.

Credit: Valencia Maraton

So ab Km 38 setzt das Alpe d’Huez-Feeling ein. Menschenmassen stehen am Straßenrand und schreien die Läufer:innen ins Ziel. Das habe ich nie erlebt. Die Kids klatschen ab und es ist herrlich, auf den türkisfarbenen Teppich einzubiegen. Ich pfiff auf dem allerletzten Loch und wähnte schon die Zeitläufer für 3:30h hinter mir. Aber zum totalen Debakel kam es nicht. Selten war ich erleichterter, im Ziel zu sein. Das Gehen durch den Zielbereich fiel mir nicht so leicht. Ich hatte mir doch ziemlich viel zugemutet.

Der Weg zurück zur Dropbag war wieder ganz schön weit. Das Ausziehen meiner nassen Klamotten sah eher danach aus, dass ich einen 100 Meilen-Trail hinter mir hatte. Aber es war tatsächlich nur der Valencia Marathon. Die Strecke ist durchaus reizvoll, topfeben ist sie allerdings aufgrund der Brücken nicht. Wer einen schnellen Marathon im Winter zum Saisonausklang bei sehr angenehmer Temperatur laufen will, macht mit Valencia nichts falsch.

Die Statistiken sind in der Tat beeindruckend:

  • 21.813 Finisher, als einziger der großen Marathons konnte Valencia die Finisherzahl im Vergleich zu 2019 steigern
  • die durchschnittliche Finisherzeit liegt bei 3:39:30 (Männer) und 4:00:42h (Frauen), damit ist Valencia der schnellste verglichen mit den “Großen” in Berlin, London, Boston, New York, Paris, Chicago
  • die durchschnittliche Zeit der 10% der schnellsten Männer liegt mit 2:38h fast 8 Minuten vor Boston mit 2:46h – ok es gibt auch weniger Finisher, aber:
  • auch die besten 1.000 männlichen Finisher liefen im Schnitt (2:31h) irre 7 Minuten schneller als die nachfolgenden Berliner (2:38h) und
  • 372 Läufer*innen liefen in Valencia unter 2:30h, das sind stolze 199 mehr als in Berlin

Der Sieger Kelvin Kiptum mit 2:01:53h und die Siegerin Almane Beriso mit 2:14:58h liefen die drittschnellsten Marathonzeiten aller Zeiten(!). Also der schnellste Marathon der Welt? Ich denke, dass dieses Prädikat gerechtfertigt ist.

Credit: Valencia Maraton

Ob mit oder ohne Marathon: Valencia ist eine Reise wert. Ich durfte eine lebenswerte, laufbegeisterte Stadt kennenlernen, die zu jeder Jahreszeit sehenswert ist. Im Jahr 2026 wird Valencia außerdem die Gay Games ausrichten, das Sportfest der LGBTQI+ Community. In einem spannenden Bewerbungsrennen hat sich Valencia im letzten Jahr gegen meine Wahlheimatstadt München und Guadelajara (Mexico) durchgesetzt.

Ein Ereignis jagt also das nächste in der Hauptstadt des smarten Tourismus. Ich werde nicht zum letzten Mal in Valencia gewesen sein. Beim nächsten Mal bin ich hoffentlich besser vorbereitet auf den schnellsten Marathon der Welt.

Die Marathonreise wurde von Visit Valencia gesponsort und organisiert.

2 Kommentare

  1. Marek 2 Jahren vor

    Hast du noch erstaunlich passabel durchgezogen. So ein Marathon ist einfach mal viel zu lang, wenn man nicht gut trainiert hat. Aber die Todeszone hast du ja souverän gemeistert und auch noch eine Zeit abgeliefert, die sicherlich weit weg ist von dem, was du normalerweise leisten kannst, aber die sich so zum Jahresende mit all den Schwierigkeiten trotzdem sehen lassen kann. Und ja, mit einem kaputten Fuß zu flitzen – geht eben nicht so richtig gut….wir kennen das ja schon. Aber wenn so ein Fuß 250km und 15.000HM hält, dann geht’s eben auch mal über 42km 🙂

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