von Henrik | 01.08.24 | Laufen, Wettkampfbericht
“Wir machen wieder unser traditionelles Foto!” Brigitte und ich haben eine schöne Tradition, die 2014 auf Gran Canaria begonnen hat. Immer, wenn wir gemeinsam auf der Strecke sind und uns begegnen, machen wir ein gemeinsames Selfie. Das hat zwar seit der Premiere beim Transgrancanaria 2014 nie mehr geklappt. Aber wir hören nicht auf, es zu versuchen. So auch wieder bei den Davos X-Trails.
Ich habe wunderbare Erinnerungen an den K42 im Jahr 2015 -mein schnellster Bergmarathon ever- und den K78 im Jahr 2017 mit dem Triathleten. Leider hat sich der Swissalpine nach 2017 selbst zerlegt und aus einem traditionsreichem Trail-Event ohne Not das Konzept radikal verändert. Gerade der Verlust des K78 war tragisch – das war ein Kultlauf. Ein schneller Ultratrail, den wir 2017 in unter 9,5h absolvierten. Die Pandemie hat dem neuen Swissalpine den Rest gegeben, so dass es zum Glück im Jahr 2021 “back to the roots” hieß. Die Veranstaltung wurde umbenannt und bewegte sich wieder auf den bekannten Strecken. Als längste Distanz fungiert nun der Diamond Run über 68 Km und drei Gipfel. Daneben werden die Strecken Gold (42 Km) sowie Silber (23 Km) und Bronze (10 Km) angeboten.
Die Anreise nach Davos gestaltet sich mit dem Swiss Runners Ticket sehr einfach. Innerhalb der Schweiz fährt man also kostenfrei mit der Bahn nach und ab Davos. Und die Rhätische Bahn allein ist ein Erlebnis. Start und Ziel sind in Davos im Stadion, eine perfekte Location für das Event. Am Freitagnachmittag traf ich in Davos ein, holte meine Startnummer und checkte im Hotel ein. Mit Brigitte, Didi und Schweizer Läuferinnen saßen wir beim Pastaessen, um dann pünktlich ins Bett zu gehen, wie immer kein Auge zuzumachen und dann um 7:00 Uhr am Samstagmorgen auf die Strecke zu gehen.
Schön kühl war es beim Startschuss und es ging auf dem Asphalt raus aus Davos ins Dischmatal. Langsam, aber stetig kletterten wir hoch zum Scalettapass. Das ist schon anstrengend, weil man viele Körner verbraten kann auf einer kurzen Strecke. Ich versuchte mich zurückzuhalten und mich von Anfang an gut zu verpflegen. Das Feld war noch gut beisammen, als die ersten 300 Höhenmeter ins Land gingen. Mit dem Support der Hornbläser und weniger Zaungäste waren wir recht schnell am Scarlettapass und stürzten uns runter auf den Panoramatrail.
Der Name ist Programm, wie man auf dem Bild erkennen kann. Hier wurde ganz schön Druck gemacht und da der Weg leicht runter führt, wollten das gerne viele laufen. Für meinen Geschmack war es stellenweise sehr schmal. Der Veranstalter hatte gewarnt, dass der Trail an einigen Stellen abgebrochen ist. Als nicht so guter Scharfseher hielt ich mich deshalb zurück und ließ einige Läufer*innen passieren.
Im Großen und Ganzen lief der Panoramatrail fluffig und der zweite Gipfel mit dem höchsten Punkt (2.739 m) lag schon vor uns. Auf dem Sertigpass pausierte ich ein paar Minuten, genoss die Szenerie und freute mich über einen weitgehend harmlosen Aufstieg. Ich war noch ganz gut im Plan, was mein Ziel von unter 10 Stunden anging. Jetzt ging es erstmal runter und nur der erste Teil des Abstiegs ist etwas technisch. Ich blieb ruhig und trudelte ins Tal, ohne großes Risiko einzugehen. Ich war noch nicht sicher, wie der Fuß auf die lange Belastung reagieren würde. Und sonderlich trittsicher nach der langen Pause war ich nicht.
Etwa 6 Km zieht sich der Abstieg runter auf 1.900 m, der auf breiten Forststraßen bis zum VP weitergeht. Hier stoppte ich bereits mehrmals an den Tränken, um mein Cap nasszumachen und mich abzukühlen. Denn es wurde nun sehr warm und die Sonne war unerbittlich. Unten angekommen darf man sich entscheiden. Umbuchen auf den GOLD, dann geht es weiter talwärts Richtung Sertig Dörfli oder weiter auf den großen Runde des Diamond Runs. Der Rennarzt fragt jeden Diamond-Läufer persönlich, wie es geht und ob man sich fit für die große Runde fühlt. Da man aber eine Weile runtergelaufen ist und es einem entsprechend gut geht, dürfte kaum jemand die Option auf Umbuchung angenommen haben. So auch ich nicht.
Aber ich hatte die “Extra-Runde” unterschätzt. Es sind nicht nur 25 Km zusätzlich, es wurde sofort ein anderes Rennen. Gleich am ersten Hang merkte ich, dass das heute noch sehr hart werden wird. Gute 5 Km galt es nun zur Fanezfugga hochzuklettern. Zum Glück war es nun bewölkt und die Sonne machte eine Pause. Ich war sehr langsam unterwegs und musste mich auf den laufbaren Passagen zurückhalten. Die fehlenden Grundlagen, sie machten sich spätestens hier bemerkbar. Und es war noch nicht mal Halbzeit! Nach der Abzweigung des GOLD-Runs war es nun einsamer auf der Strecke. Ich verlor so einige Positionen, bis ich endlich auf dem Gipfel war. Beim Uphill war ich nicht wirklich konkurrenzfähig. Oben befand sich sogar ein VP. Ich füllte -wie immer- meine beiden Softflasks mit Iso und gönnte mir die erste Cola des Tages.
Wieder waren es nun 5 Km, die bis zum nächsten VP zu laufen waren. Der Downhill nach Monstein war so semi. Ich merkte meine Beine schon heftig und unter dem rechten Fuß machte sich eine Blase breit. Zudem kam nun die Sonne zurück. Wenn ich vorher noch nicht gejammert hatte, nun war es soweit. Sonderlich anspruchsvoll war es nur stellenweise, aber wenn man so lange keine Downhills trainiert hat, kommen einem ein paar Geröllpassagen wie der Berliner Höhenweg vor. Ich wurde auf dem Weg bis Monstein von 2-3 Läufern überholt. Ich war mit den Murmeltieren allein auf weiter Flur.
Brigitte hatte mir geschrieben, dass sie in Sertig Dörfli durch sei – es wurde also wieder nichts mit unserem Foto. Ich war viel zu langsam unterwegs und würde noch mindestens 90 Minuten bis zum VP brauchen. Unruhig machte mich das aber keineswegs. Weiterhin blieb ich bei meiner no-risk-Strategie. Inzwischen stiegen wir wieder auf, die letzte längere Steigung bot nochmal 400 HM. Die Nachmittagssonne tat ihr Übriges und ich hatte so meine Probleme. Weniger mit Kühen als mit den Höhenmetern. Danach geht es kupiert rein ins Davoser Tal. Viele kleine Gegenanstiege lassen nicht den Eindruck aufkommen, dass es tendenziell runtergeht. Der Abschnitt war mein schwächster und folgerichtig musste ich immer wieder Läufer passieren lassen.
Es war eine gefühlte Ewigkeit, bis wir endlich rum waren und in Sertig Dörfli einliefen. Hier war schon nichts mehr los, die Zuschauer waren längst abgezogen und nur wenige diamantene Läufer*innen hielten sich auf. Nur noch 11 Km bis ins Ziel. Die Strecke war mir nun wohlbekannt. Und man sollte sie keineswegs unterschätzen. Es geht auf einem schönen Waldweg ins Tal, aber gefühlt geht es nur hoch. Ich war ziemlich durch und schob mich mit Run & Walk ins Tal. Spaß machte das nicht mehr, aber jetzt aufhören wäre ja auch blöd. Nach etwas mehr als 11 Stunden erreichte ich das Stadion und freute mich sehr über ein gelungenes Comeback auf dem Ultratrail.
Der weite Anfahrtsweg hat sich also gelohnt, obwohl es wieder nicht geklappt mit unserem Foto auf der Strecke. Vielleicht hat sich die Tradition inzwischen aber insofern geändert, als es immer beim Versuch bleiben wird. Wir wissen es nicht und werden es bestimmt im nächsten Jahr wieder versuchen. Wir haben die Davoser Trails gerockt und da tut es als Entschädigung das Foto unter dem Zielbogen. Gruezi, Davos!
von Marek | 21.02.24 | Laufen, Strecken, Trailrunning, Ultra, Wettkampfbericht
“Was ist wichtiger?” fragte großer Panda, “der Weg oder das Ziel?” – “Die Weggefährten”, sagte kleiner Drache.
Warum starte ich mit diesem kleinen Zitat in den Bericht zum ersten Ultra des Jahres? Weil das Gesagte soviel Wahrheit enthält und mir viel mehr bedeutet, als es ein bloßes Finish bei einer Laufveranstaltung jemals sein könnte. Wobei ich die Brocken-Challenge nicht einfach als “Laufveranstaltung” bezeichnen möchte. Das wäre schon fast despektierlich. Es ist soviel mehr, diese 80km von Göttingen auf den höchsten Gipfel des Nordens – den Brocken im Harz – unter die Beine zu nehmen.
Ein einziges Mal konnte ich die Brocken-Challenge bereits genießen. Aber das ist bereits 6 Jahre her. Seitdem hatte es nicht mehr geklappt mit einem Startplatz. Denn: die Brocken-Challenge (kurz: BC) ist ein Einladungslauf, auf den man sich Anfang November bewerben und darauf hoffen muss, dass man aus dem Lostopf gezogen wird. Da immer ein hoher Anteil an Erstteilnehmer:Innen gesetzt ist, sind die Chancen nicht sonderlich groß. Aber im letzten Jahr hatte ich Glück und bekam die Zusage, meine zweite BC zu laufen.
Ein weiterer Aspekt der BC ist der Spendencharakter: organisiert vom ASFM Göttingen werden alle Startgelder gespendet und wohltätigen Zwecken zugeführt. In den 20 Jahren sind dabei 500.000,- zusammengekommen. Das ist eine wahrlich beeindruckende Zahl und es gibt einem ein gutes Gefühl, wenn Markus beim Briefing über die Empfänger ebendieser Spenden berichtet und diese sich auch kurz vorstellen dürfen.
Überhaupt das Briefing: nicht ganz gewöhnlich startet dieses mit einer feinen Musik-Einlage von Markus und einem seiner Söhne auf dem Didgeridoo. Vieles kommt mir natürlich bekannt vor, so habe ich doch meine BC-Premiere vor 6 Jahren immer noch in guter Erinnerung. Nur die Location hat sich geändert. Janos ist mit mir gemeinsam nach Göttingen gereist, für ihn ist es aber wirklich das erste Mal und ich bemühe mich, die ganze Aktion beständig runterzuspielen und so den Druck etwas rauszunehmen. “Wir kommen da schon hoch.” oder “Ist alles nicht so schlimm…”. Manchmal lassen sich Läufer ja auch gerne ein wenig anlügen. Auch das gehört irgendwie dazu. Und ehrlicherweise sitzen mit uns da viele nicht ganz “normale” Menschen: ein bißchen verrückt muss man schon sein, um diese Herausforderung (ein weitaus schönerer Begriff dafür) in Angriff zu nehmen.
Dass das Wetter alles andere, aber nicht winterlich, werden sollte, war bereits am Abend klar. Nicht eine einzige Schneeflocke wurde uns angekündigt. Das ist durchaus ungewöhnlich im oberen Harz zu dieser Zeit, aber auch hier greift der Klimawandel um sich. Man muss es nehmen, wie es kommt. Die Spikes hätten folglich daheim bleiben können. Und natürlich sind diese Bedingungen für schnelle Zeiten hilfreich. Das sollte sich am Samstag um kurz nach 12:00 mit einem neuen Streckenrekord auch manifestieren. Sebastian flog in einer mir unerklärlichen Weise auf den Gipfel.
Janos und Marek
Und so sitzen wir nach dem nächtlichen ÖPNV-Shuttle ins Hotel pünktlich um 05:00 beim Frühstück in der FeG in Göttingen und nehmen unsere Henkersmahlzeit ein. 20min Fußweg sind es bis zum Start an der Kehr. Dort wird der Name abgehakt und ganz schnell ist es schon 06:00, als Markus an der Schranke das Kommando zum Start gibt. Ich filme die Szenerie und komme gar nicht so schnell weg, wie die Meute in den Göttinger Wald wetzt. Mit meiner Lampe bin ich fast zu gut ausgestattet, denn einige haben nur eine kleine Funzel oder auch gar nichts dabei. Das ist durchaus riskant, wenn man nicht schon am Beginn nasse Füße bekommen will.
Bis zum ersten VP in Landolfshausen sind es nur 11km, die aber auch die ersten Höhenmeter bereithalten. Und es muss schon sehr früh gewesen sein, als Pia mich fliegenden Schrittes überholt und ein hohes Tempo anschlägt. Hinter dem VP geht es erstmalig etwas länger nach oben, ich laufe kontrolliert, ohne mich großartig zu zerstören. Ein wenig Erfahrung muss doch über die Jahre bei den langen Kanten zusammengekommen sein!? Die Lampe kann man ab da auch ausschalten, denn der Tag brach an und gab eine wundervolle Aussicht auf das hügelige Harzvorland.
Bis zum 2. VP in Rollshausen kann man es gut laufen lassen. Es geht über längere Passagen stetig bergab. Und das ist gefährlich, da es einen dazu verleitet, zu stark auf die Tube zu drücken. Die Oberschenkel würden es einem danken. In dieser Passage hat die Strecke definitiv Ähnlichkeit mit einem Straßenmarathon. Ist ja nicht so, dass ich das nicht auch mögen würde. Die erste schwierige Stelle taucht bei km25 auf, als wir die Tilly-Eiche passieren müssen. Rund 4km auf den Berg und wieder runter. Nun wird es erstmals anspruchsvoll zu laufen, denn der viele Regen hat den Weg ordentlich aufgeweicht. Das macht sich besonders beim Abstieg bemerkbar, den ich nur mit viel Glück ohne Sturz in dem ganzen Schlamm überstehe. Das kostet viel Kraft und ich bin heilfroh, als wir endlich aus dem Wald rauskommen.
VP3 an der Ruhmesquelle kommt schneller als erwartet. Ich verweile erstmalig etwas länger, habe aber keinen großen Appetit. “Ihr seid alle so bescheiden.” bekomme ich zu hören, als ich nur etwas Wasser verlange. Zusammen mit Marcel mache ich mich auf den Aufstieg. Die Erinnerung an 2018, als ich hier größere Probleme hatte, ist noch sehr präsent. Doch ich bleibe ruhig und ziehe langsam nach oben, während Marcel mir davonläuft und noch ein weiterer Läufer mich kassiert. “Die Frau da ist ja irre stark!”, raunt er mir zu. Ich kann das nur bejahen. Bis zur Marathonmarke in Barbis ist es wellig. Längere Bergaufpassagen über die Felder kosten Energie. Trotzdem läuft es flüssig und ich ziehe sogar an Marcel wieder vorbei. Ca. 1km vor Barbis geht mir dann ohne Vorwarnung der Saft aus. Ich walke durch den Ort und schleppe mich gerade noch zum VP, wo ich mich erstmal sammeln muss. Micha nimmt meine Lampe an sich. Nun beginnt die eigentliche BC, also der zweite Teil des Namens: die Herausforderung. Pia gebe ich noch die Aussicht auf den Streckenrekord der Damen mit, aber sie will davon nicht wirklich etwas hören. Dann bin ich schnell alleine, weil ich die steile Rampe zum Entsafter wieder nicht laufen kann und will.
Kurz hinter Barbis
Next Stop: Jagdkopf bei km53. Der Weg dahin ist unspektakulär und zieht sich stetig leicht bergauf. Man muss es wollen, hier im Laufschritt hochzuziehen. Ich will es nicht. Und das ärgert mich ziemlich, weil hier viel Zeit in den Gehpassagen draufgeht. Namensvetter Marcel zieht mit einem anderen Läufer locker vorüber. Ich bin so langsam, dass mir tatsächlich kalt wird. Der Wind geht hier ordentlich und als ich endlich am Jagdkopf ankomme, ziehe ich mir gleich meine Jacke und meine Handschuhe über. Die Brühe erhält mich das erste Mal am Leben. Weiter geht es Richtung Lausebuche, nun folgt ein Auf und Ab und man könnte es gut rollen lassen. Könnte. Meine Oberschenkel haben etwas dagegen. Die 55km sind eben doch nicht ganz spurlos an ihnen vorüber gegangen. Ich erkenne wenig von der Strecke wieder, war doch hier 2018 schon alles schneebedeckt. Nur eines ist sicher: mehr Bäume sind es nicht geworden. Die Landschaft im Oberharz sieht wirklich fürchterlich aus. Kaum ein gesunder Baum ist noch erhalten. Ein Wahnsinn, wie sich das in nur 6 Jahren verändert hat.
“Wie schaffst du es durchzuhalten?” fragte kleiner Drache. “Manchmal” sagte großer Panda, “ist selbst der kleinste Schritt besser als gar keiner.”
Genau diese Taktik versuche ich anzuwenden. Schritt für Schritt dem Gipfel entgegen, auch wenn es nur sehr kleine sind. Ich bin gerade wieder mit mir selbst beschäftigt, als Henrik wie aus dem Nichts vor mir steht. Hatten wir nicht Oderbrück ausgemacht? Km 72? Nun steht er schon nach 59km vor mir. Er hatte sich schon Sorgen gemacht, wo ich denn bleibe. Kein Wunder, nach der Marke in Barbis hatte ich es doch wieder gut schleifen lassen. Also geht es von nun an gemeinsam los! Die Twins wieder vereint und das schon so früh im Jahr. Es hätte schlimmer kommen können, denke ich mir.
Die Lausebuche ist schnell erreicht, Micha berichtet natürlich von der kurzzeitigen Twin-Verwirrung, aber wir sind diese Stories natürlich schon lange gewöhnt. Irgendwie ist es auch lustig. Lustig finde ich meinen körperlichen Zustand weniger. Aber: das Knie, was mir noch zwei Wochen vor dem Start jegliches Laufen verboten hatte, muckte nicht und das wertete ich als positives Signal. Ultra: das heißt Probleme verwalten. Eines davon sind meine Oberschenkel. Bis zum VP in Königskrug sind es nur 6km. Wir treffen auf Daniel, der leichte Navigationsprobleme hat und mehrfach falsch abbiegt. So bleiben wir dann zusammen und klagen uns gegenseitig unser Leid. Henrik agiert als Dauermotivator und zieht und schiebt und feuert an, was das Zeug hält. Es hilft ungemein.
Am VP werden wir wieder sehr nett empfangen, ich muss einfach die bequemen Stühle ausprobieren. Henrik nutzt die Zeit für ein paar schöne Bilder. Dann wartet schon der letzte Zwischenstop in Oderbrück auf uns. Vorher geht es noch ein sehr matschige Passage zum Parkplatz herunter, die Füsse sollten einfach nicht trocken bleiben. Hier fliegt die Steffi an uns vorbei, wir können nur staunen ob der Geschwindigkeit. Ein letzter Drink muss es noch sein und dann geht der Kurs Richtung Endgegner, es sind nochmals 300 Höhenmeter bis zum Gipfel.
Wir laufen an Britta und Markus (Mr. BC) vorbei, die uns frenetisch anfeuern und auch die Brockenbahn zischt an uns vorbei nach unten. Der Weg an der Bahn ist gut laufbar (wenn man denn kann) und auch die Motivation der Wanderer gibt einem nochmal einen Schub.
Als wir auf die Brockenstraße einbiegen, ist es nur noch etwas mehr als 1km. Das Stück kennen wir beide sehr gut. Ich frage Henrik, ob wir es noch unter 8:30 schaffen würden. Und siehe da, wir sind uns einig: dit kann noch klappen. Und so werden es noch einige Laufpassagen auf diesen allerletzten Metern. Im Nebel ist nicht viel zu erkennen, aber die Tröte des Empfangskomitees ist unüberhörbar. Wir klatschen uns mit dem Team ab und die Erleichterung bricht sich langsam Bahn. Es ist geschafft. Herausforderung Brocken-Challenge ist zum zweiten Mal gemeistert!
“Bist du zufrieden?” werde ich im Anschluß oft gefragt (mich selbst frage ich das auch). Ich glaube, es ist völlig egal, mit welchen Erwartungen man an diesen Lauf herangeht. Oben anzukommen und die schöne Holzschnitzerei in Empfang zu nehmen, verpflichtet einen förmlich, zufrieden zu sein. Natürlich schaue ich auch auf Platzierung und die Zeit, dafür bin ich einfach zu sehr ein Racer. Aber hier interessiert das ziemlich niemanden und das ist auch gut so. Jeder, der im Goethesaal eintrifft, bekommt den verdienten Applaus. Völlig egal, ob man in 6h oder in 13h diese Strecke absolviert hat.
Zusammen mit Janos walken wir wieder nach Oderbrück zurück, versuchen alle auf dem Weg nach oben zu motivieren und kommen gerade auf dem Parkplatz an, als die Dunkelheit hereinbricht. Wir klatschen noch den letzten Läufer ab. Auch er wird es schaffen. Und hat damit die gleiche Herausforderung bewältigt wie alle anderen, die nur etwas schneller oben waren.
der ASV Zeuthen komplett: Rob Deafrunner holt sich den Gipfel
Was ist so besonders an der BC? Es sind eben die Weggefährten. Und damit meine ich nicht nur alle Läufer:Innen. Dazu gehören die vielen Helfer und Unterstützer und Supporter (danke Henrik!) und einfach alle, die ihren Anteil leisten, ohne die solch ein Event gar nicht möglich wäre. Sie alle machen die BC aus. Und ich weiß, dass dies nicht nur dahingesagt ist. Sogar Henrik war dankbar, dass er “die Vibes der BC” spüren konnte. Ich glaube fast, im nächsten Jahr könnten wir die Rollen sogar tauschen…
(Ein bißchen Werbung am Ende)
Zum Equipment haben wir nichts groß geschrieben. Aufgrund der frühlingshaften Temperaturen habe ich auf das bewährte Unterzieh-Shirt von adidas gesetzt. Als Schuhwerk haben normale Trailschuhe völlig ausgereicht. Spikes waren nicht nötig. Das kann sich natürlich im nächsten Jahr wieder ändern.
von Marek | 08.12.23 | Allgemeines, Ausrüstung, Laufen, Trailrunning, Zukünftiges
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Weihnachten naht so unaufhaltsam wie jedes Jahr. Zeit, den finalen Abgesang auf 2023 zu verfassen!? Vermutlich ja. Denn seien wir ehrlich, so richtig viel wird dieses Jahr nicht mehr passieren, was Euch (oder uns) in irgendeiner Weise vom Hocker reißen könnte. Blicken wir also kurz zurück, bevor wir uns dem widmen, was 2024 so alles Großartiges in der Lauf-Pipeline sein wird.
– Henriks letzter Ausflug in sein “Wohnzimmer” zum Transgrancanaria: Da lief nicht alles perfekt an diesem langen Tag und die Problemchen des Jahres deuteten sich leider hier schon an. Trotzdem hat er sich wacker durchgekämpft und somit nur ein einziges DNF dort stehen (natürlich mit Marek).
– Mareks Exkurs auf die Straße beim Leipzig-Marathon: mit ein wenig mehr taktischem Geschick wäre hier eine Zeit unter 02:50h möglich gewesen, aber das mit der Taktik hat Marek einfach nicht so gut drauf.
– Rennsteig-Supermarathon Nr. 5 für Marek: wenn man von den letzten 10km einmal absieht, war das ganz sicher eine passable Performance. Ob es dort irgendwann mal in Richtung 6h geht? Wer weiß…
– Unser Wochenende auf dem Berliner Höhenweg: ganz glasklar eines der absoluten Highlights 2023! Über 30h auf den Trails des Zillertals waren eine gigantische Erfahrung, die wir nicht missen möchten. Wir mussten an unsere Grenzen gehen und das so ganz ohne Wettkampf. Dafür hat das eigene Zeitlimit nicht ganz ausgereicht, aber das war am Ende irrelevant.
– Auf den Stubaier Gletscher beim Stubai Ultratrail: gab wohl kein gemeinsames Rennen zuvor, bei dem Marek öfter an ein DNF gedacht als auf den Trails im schönen Stubaital. Aber der Zwillingsbruder hat uns da irgendwie huckepack auf diesen kalten Gipfel geschleift. Wie das konkret abgelaufen ist, lässt sich aufgrund der lückenhaften Erinnerungen nicht mehr rekonstruieren. Es gibt jedenfalls ein Zielfoto von uns an diesem denkwürdigen Tag!
– 2er Staffel auf unserem Berliner Mauerweg: nach 7 Jahren Abstinenz in dieser Kategorie wollten wir es nochmal wissen und haben auf die Karte “Sieg” gesetzt. Irgendwie stach der Trumpf an diesem Tag aber nicht und so mussten wir uns mit der Silbermedaille begnügen. Klingt gut, aber es war ein verdammt hartes Ding an einem Tag, der für uns beide nicht der beste war. Ja und?
– Pyrenäen, oh diese Pyrenäen: mit wenigen Erwartungen sind wir in Spanien angetreten und haben eine Woche im Trailrunning-Rausch erlebt, die seinesgleichen sucht. Wir fanden schon keine richtigen Worte mehr für die Eindrücke, die wir in diesen sieben Tagen gesammelt haben. Und offenbar ist etwas hängengeblieben: scheinbar steht ein deutsches Team wieder in der Starterliste für 2024. Wie konnte das nur passieren?
Mit mehr Events wollen wir hier niemanden langweilen. Lief doch ganz gut, dieses 2023?! Und was kommt in 2024? Wir haben es auf unserer kleinen Seite aufgeschrieben. Erhebt jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
An einem Sonntag im Juli irgendwo in den Alpen
Last but not least: wir sehen die Schatten bereits, die 2024 voraus wirft. Wir sagen DANKE an adidas, die uns in diesem Jahr beim Equipment ein wenig unter die Arme gegriffen haben. Was bei Amanal Petros mit seinem Deutschen Rekord geklappt hat, funktioniert also auch bei weniger talentierten Sportlern (zumindest bilden wir uns das ein). Ab Januar wird uns ein neuer Ausrüster helfen, unsere hochgesteckten Ziele zu erreichen. Aber erstmal warten wir auf den Weihnachtsmann.
Und nun wirklich zum Schluß: wir freuen uns sehr, wenn ihr den Post bis hierhin gelesen habt und überhaupt freuen wir uns, wenn noch jemand anderes (außer wir) diesen Blog liest. Und deshalb: lasst uns doch bitte einen kurzen Kommentar da, wenn ihr uns ein bißchen cool findet und ab und zu einmal auf dieser Seite vorbeischaut. Damit habt ihr auch die Chance, in unsere erlesene Groupie-Gruppe aufgenommen zu werden :-). Das ist nämlich ähnlich hart wie der Türsteher im Berghain.
Frohes Fest an Euch da draußen und rutscht gut rein in dieses hoffentlich geile 2024.
Eure (in die M45 wechselnden) Running Twins
von Henrik | 30.07.23 | Laufen, Trailrunning, Trainingstagebuch, Ultra
Vorgeplänkel
Einige Berichte hatten wir ja gelesen. Ein Riesenpaket Verpflegung mit wahrscheinlich 10.000 kcal hatten wir im Gepäck. Frische Hoka Speedgoats wurden angelegt. Den Wetterbericht haben wir in der ganzen Woche immer wieder rauf- und runtergelesen. Alle wichtigen Wegpunkte wurden auf die digitale Karte gezeichnet. Gemeinsam “trainiert” hatten wir zwei Wochen zuvor beim Stubai Ultratrail. Die Packliste wurde genauestens befolgt.
Möglichst wenig sollte schiefgehen auf unserem lange geplanten Abenteuer “Berliner Höhenweg an einem Wochenende”.
Die Zahlen sind beeindruckend: 88 Km mit etwa 7.000 Hm auf konstant über 2.000 m Höhe. Und weil das nicht reicht, extrem technisches und wenig laufbares Terrain. Wie es sich für einen zünftigen Höhenweg gehört. Warnungen kann man genug lesen. Es stürzen immer wieder Menschen ab, einzelne Abschnitte sind so lang und schwer zu begehen, dass man diese nicht ohne Erfahrung und gute Ausrüstung betreten sollte.
Wir waren trotz allem optimistisch, dass wir es packen werden – wenn das Wetter mitspielt.
Mayrhofen – Gamshütte
Um 1:19 Uhr fiel der Startschuss vor dem unromantischen Parkhaus in Mayrhofen. Geschlafen hatten wir nicht, wir fuhren direkt vom Münchner Flughafen nach Mayrhofen, um möglichst früh zu starten. Blöderweise verließen wir auf meine (Henrik) Idee hin das Parkhaus Richtung Innenstadt und liefen somit in die falsche Richtung. Erst, als die Edelhütte angeschlagen war, fiel uns das Malheur auf. Und so übten wir für 2 Km schon mal den Zieleinlauf. Die Navigation fiel uns trotzdem weiterhin schwer. Richtung Teufelsbrücke ging es schon kräftig hoch.
Aber der Regen hatte aufgehört und wir legten zum ersten Mal die Regenjacken ab.
Vor dem Start in Mayrhofen
Den Einstieg auf den Herrmann-Hecht-Weg ist gut beschildert und zackig sind wir auf dem nassen und steinigen Singletrail. Die Füße sind schlagartig nass. Dennoch kommen wir gut voran und ziehen für unsere Verhältnisse zügig die etwa 1.000 Hm hoch. Nach guten 2:45h checken wir an der Gamshütte ein und ziehen die Jacke wieder an. Ein paar Grad kühler ist es knapp unter 2.000 m schon. Das Schild “Friesenberghaus 9h” nehmen wir stillschweigend zur Kenntnis.
Läuft doch ganz gut bis hierher!?
Die Gamshütte – der erste Meilenstein
Gamshütte – Friesenberghaus
Der Euphorie folgt sehr schnell Ernüchterung an den ersten Überquerungen der Wasserfälle. Es kommt so viel Wasser runter, dass es mir jedes Mal schaudert, wenn ich auch nur das Rauschen hören konnte. Mit viel Geduld und ganz kleinen Schritten schlagen wir uns auf einen etwas laufbareren Trail durch. Es wird hell und auch die Stimmung hellt sich merklich auf. Das Tuxer Tal lag im dichten Nebel. Wir kommen jetzt besser voran und sind überrascht, wie grün und verwachsen der Höhenweg ist. Ich nenne diesen Abschnitt “Madeira”. Der Weg verläuft zwar weit unterhalb des Grats, erfordert aber trotzdem volle Konzentration. Vor der Pitzenalm kommen zum ersten Mal laufbare Abschnitte und die Sonne zeigt sich ab und an.
Mit jedem Wegweiser nehmen wir 1-2 Stunden von der Gehzeit bis zum Friesenberghaus runter.
Auf dem langen Weg zum Friesenberghaus wird es hell
Das grobblockige Gelände (oder anders gesagt: Gesteinshalde from hell) bereitet uns noch keine Probleme. Zwei Wanderer fragen uns, ob wir auch am Rennen teilnehmen, in 20 Minuten kämen Streckenmarkierungen. Eine schöne Motivation. Denn wir stoßen wir auf die Strecke des “Schlegeis 3000” und als ob wir uns verabredet hätten, fliegt der Führende an uns vorbei. Mit offenem Mund schauen wir ihm nach. Wir können es nicht fassen, wie schnell man sich in diesem Gelände bewegen kann. Der letzte Wegweiser zeigt nur noch 30 Minuten bis zum Friesenberghaus an.
5:30h nach der Gamshütte kippen wir uns die erste Cola des Tages rein.
Friesenberghaus
Friesenberghaus – Olperer Hütte
Runter geht es nur kurz, bevor noch der Aufstieg zur Friesenbergscharte auf etwa 2.600 m folgt. Hier kommen uns weiterhin Läufer entgegen, die wir bestmöglich motivieren. Hinter der Scharte fliegt Martin an uns vorbei auf dem Kampf gegen den Cut-off. Der wurde aufgrund des Wetters derart verschärft, dass es selbst Erfahrene nur bis zum Friesenberghaus schafften.
Die “nur” 4,5 Km bis zur Olperer Brücke ziehen sich ziemlich. Auf das beliebte Motiv auf der Olperer Brücke verzichten wir, denn der Stausee war sowieso kaum zu erkennen. Die Hütte ist trotz des unsicheren Wetters gut besucht.
Wir sind auf dem touristischsten Stück des Berliner Höhenwegs angekommen.
Schlegeis-Stausee und Olperer Hütte
Olperer Hütte – Alpenrosenhütte
Ein langer, aber sehr schöner und vor allem laufbarer Abstieg folgt zum Schlegeis-Speichersee. Immer wieder bekommen wir den Karibik-blauen See zu sehen. Kontrolliert schieben wir auf dem gut frequentierten Weg die 600 Hm runter. Wir rütteln nicht an unserem Plan, den See linksseitig abzulaufen. Aufgrund der düsteren Wetterprognose für den Nachmittag wollten wir das Schönbichler Horn umlaufen. Damit verließen wir den Berliner Höhenweg. Der Zieleinlauf des Schlegeis 3000 war auf der Staumauer. Der nächste Navigationsfehler führt uns bis zum Ende der Staumauer, um dann festzustellen, dass es hier nicht weiterging.
Der Regen hört schlagartig auf -Regenbogen inklusive- und es arbeitete in unseren Köpfen.
Regenbogen vom Staudamm betrachtet
Die Sonne zeigt sich und Marek spricht es aus: “Doch Richtung Furtschaglhaus aufsteigen?”. Ich horche in mich hinein, die Beine würden uns schon hochtragen auf das Horn und zeitlich liegen wir gerade noch im Plan. Aber das Wetter hatte heute schon mehrmals sehr schnell umgeschlagen. Ich habe einfach kein gutes Gefühl und entscheide auf Abstieg. Wir sind gerade unten angekommen unterhalb dieser imposanten Staumauer, als sich das nächste Gewitter entlädt.
Wahrscheinlich hätten wir es nicht mal bis Furtschaglhaus geschafft.
Abstieg zum Stausee
Auf dem Abstieg ins Zemmgrundtal entscheiden wir uns für die Straße und gegen den Wanderweg. Beim Durchlaufen der Tunnel gelingen uns die schnellsten Kilometer des Wochenendes. Das Abbiegen ins Tal vor dem Zemmbach lässt Marek zweifeln, ob wir über den Bach kommen. Meine komoot-Karte sagt aber, dass es eine Brücke gibt. Und so marschieren wir im strömenden Regen wieder 600 Hm hoch. Der Forstweg ist breit, immer wieder kommen uns Wanderer entgegen. Die Uhren melden 50 Km. Auf den letzten Metern vor der Alpenrosenhütte kommt die Sonne raus und wir feiern ein wenig.
Nach exakt 14 Stunden halten wir die Uhren an und können den Tag 1 sacken lassen.
Die letzten Meter vor der Alpenrosenhütte
Alpenrosenhütte – Greizer Hütte
Tag 2 beginnt pünktlich um kurz nach 5 Uhr. Mit diesem Zeitpunkt zum Start in die nächste Runde wollen wir gegen 18:00 wieder da angekommen sein, wo wir Freitag Nacht losgezogen sind: in Mayrhofen.
Dass das Vorhaben viel zu ehrgeizig ist, sollten wir aber erst viel später realisieren.
Wir starten um kurz nach 5 Uhr Richtung Berliner Hütte
Und so läuft es mit ausgeruhten Beinen sehr fluffig vorbei an der Berliner Hütte, die jedoch nur ein Wegpunkt auf dem Trail zum höchsten Punkt unserer Strecke ist: der Mörchener Scharte auf 2759 m. Es geht malerisch an einem Bergsee vorbei, wir kreuzen die ersten Schneefelder. Der letzte Teil ist dann etwas klettriger, aber problemlos zu bewältigen. Der Blick von oben verspricht wettertechnisch einen großartigen zweiten Tag. Seilversichert steigen wir nun über 35% ab und treffen in der Morgensonne auf einen gut laufbaren Trail ins Tal.
“Wann kommt denn endlich die Greizer Hütte?”
Sonnige Aussichten auf dem Weg zur Mörchenscharte
Wir beide erwarten die Greizer Hütte aber zu früh. Zunächst müssen weitere Kletterpassagen absolviert werden. Die Leiter ist eine schöne Abwechslung auf dem Weg nach unten. Unten angekommen verweile ich ein wenig, als ich auf Henrik warte und entscheide mich glatt für die falsche Route: die Hütte lag nämlich weitere 500 Höhenmeter aufwärts und nicht im Floitental. Zum Glück bemerkt Henrik meinen Fauxpas und pfeift mich zeitnah zurück.
Aber wieder waren 20 Minuten unseres Zeitplans weggeschmolzen.
Abstieg ins Floitental
Henrik macht nun ordentlich Druck und so erreichen wir zügig um 9:30 Uhr die Greizer Hütte. Dass wir hier schon hinter unserem Zeitplan liegen, kommt mir überhaupt nicht in den Sinn. Wir sind doch ordentlich unterwegs? Aber gut: viele laufbare Abschnitte gab es nicht und auch die Fotostopps summierten sich auf.
Greizer Hütte – Kasseler Hütte
Auf der Hütte trinken wir schnell jeweils zwei Cola, während am Nebentisch eine Familie ein Brettspiel spielte. Flaschen aufgefüllt und weiter geht es! Weitere 500 Höhenmeter warten bis zum Aufstieg auf die Lappenscharte. Ich gehe voran und wieder unterläuft mir ein Navigationsfehler. Ohne auf die Uhr zu blicken, laufe ich einem Pärchen nach und verpasse den Abzweig zur Kasseler Hütte.
Vielleicht hätten wir in diesen Passagen enger beisammen bleiben müssen?
Der Weg zur Hütte ist noch weit
Auf der falschen Scharte angekommen, diskutieren wir erstmal über den Weg, da auch noch mein GPS ziemlichen Murks anzeigt. Aber Henrik hat natürlich recht und so müssen wir ausgerechnet den technisch ekligen Teil zurückklettern, um dann bei Sonnenschein die Lappenscharte zu übersteigen. Oben machen es sich einige Wanderer gemütlich, aber uns beiden wird langsam bewusst, dass viel Trödeln nicht mehr angebracht war.
Der Weg nach Kassel, er war noch weit.
Auf dem Weg zum Talende im Stillupgrund
Der Downhill geht überraschend gut. Zumindest am Anfang. Dann wechseln sich steinige Passagen, sumpfige Wiesen und sogar Schneefelder ab. Kurzzeitig kommen wir gar vom Weg ab. Über klettrige Wege geht es nun wieder hoch. Kurze Zeit später fragt mich Henrik, ob ich denn die Hütte auf der anderen Seite des Tals erkenne. Und da war sie, die Kasseler Hütte. Alles easy also? Die Sache hatte aber einen Haken: sie lag auf der anderen Seite des riesigen Tals. Und mir schwante Böses, als ich mir ausmalte, wie lange wir wohl für die Umrundung benötigen werden.
“In einer Stunde sind wir rum.” Henrik kommentierte meine nicht ganz ernst gemeinte Einschätzung lieber nicht.
Wir konnten die Kasseler Hütte schon sehen
Denn wer hätte jetzt laufbare Wege vermutet? Wir kreuzen nun die unzähligen Wasserscheiden, die sich mit gerölligen und rutschigen Abschnitten abwechseln. Das ist harte Arbeit. Wir bleiben immer auf ähnlicher Höhe, jedoch machen sich die wenigen Höhenmeter kaum bemerkbar in unserer Geschwindigkeit.
Endlos erscheint der Weg bis zur Hütte, die partout nicht näher kommen will.
Hängebrücke 30 Minuten vor der Kasseler Hütte
Wir überholen einige Wanderer, die mitunter größere Schwierigkeiten mit dem Gelände haben. Nach einer gefühlten Ewigkeit überqueren wir eine schöne Hängebrücke und queren eine Art Fenster. “Kassel” ist erreicht. Henrik knickt kurz vorher galant um und auch das macht beim Blick auf die Uhr wenig Hoffnung: es ist bereits 13:30, als wir unsere Cola trinken. Erst jetzt wird mir schlagartig klar, dass wir es nicht bis 18:00 packen würden. Physisch geht es uns beiden noch recht ordentlich.
4 h von Greiz nach Kassel – das war unter dem Strich zu langsam.
Auch die letzten Meter vor der Hütte: anspruchsvoll
Kasseler Hütte – Edelhütte
Eine Chance gibt es noch, dass ich den Flieger um 21:30 aus München erreichen würde: Henrik erwähnt etwas von einer Seilbahn in der Nähe der Edelhütte. Dass die aber noch 3 Km von der Hütte weg ist, wissen wir natürlich beide nicht.
Und es sollte auch überhaupt keine Rolle spielen.
Edelhütte: 9h
Anfänglich kommen wir absteigend noch recht ordentlich voran. Es kommen uns sogar noch Wanderer entgegen. Die Stimmung kippt erst, als wieder 9 Stunden bis zur Edelhütte angeschlagen sind. Ich lache noch etwas dabei, aber genau dieses Lachen vergeht mir recht schnell. Denn der folgende Teil ist nicht nur verdammt lang, sondern enthält einige richtige Schmankerl für den ambitionierten Trailrunner bereit.
“Grobblockig” ist eine feine Bezeichnung für diesen Abschnitt.
Das Gelände wurde immer unerbittlicher
Die Geröllfelder werden immer größer, länger und anspruchsvoller. Mit geht es nun richtig mies. Noch 1.000 Höhenmeter? No way. Der Puls rast nun. Es ist ein Kampf gegen mich selbst. Zum Glück haben wir uns beide. Henrik kann in diesen schweren Momenten sehr gut aushelfen und zieht mich irgendwie weiter. Die nächste Scharte überquere ich mit letzter Kraft.
Es geht sehr langsam von Kar zu Kar. Steine, Steine, Steine.
Hinter der Nofertensmauer auf dem Weg in das nächste Gesteinsfeld
Komischerweise ändert sich das Bild immer sehr schnell. Runter geht es wieder besser. Aufgrund des lädierten Außenbandes geht es für Henrik nun noch langsamer über die Steine. Ich nutze die Gelegenheit und telefoniere mit dem letzten Akku nach Hause. “Wir werden es nicht rechtzeitig schaffen.” Was das allerdings genau bedeutet, weiß ich zu dem Zeitpunkt noch nicht.
Es wird sogar knapp, die Edelhütte im Tageslicht zu erreichen.
Henrik verschlungen von den Steinen
Eine einfache Rechnung hätte es schon getan: von 14:00 (Kasseler Hütte) bis 20:30 (Sonnenuntergang) sind es 6,5h. Ich versuche, mich etwas zu beruhigen und nicht panisch zu werden. Wir hatten Trinken, Essen, warme Sachen und die Lampe. Es würde schon irgendwie gehen, auch in der Nacht.
Auf dem Höhenweg übernachten? So hatten wir uns das nicht vorgestellt.
Lagebesprechung auf der Krummschnabelscharte
Und es sind nochmal zwei Scharten zu queren. Die letzte zudem noch mit einem anspruchsvollen seilversicherten Abstieg. Wir sitzen ein wenig auf der Scharte und hätten die Abendstimmung gerne länger genossen. Der Weg auf die letzte Höhe ist nun gut erkennbar. Er liegt in steinlosem!, grünen Gelände, das sich leicht bergauf zieht. Das allerletzte Geröllfeld vorher ist der Endgegner. Henrik steht vor manchem Stein und kommt nicht mehr weiter.
Unsere Kräfte sind am Ende.
Es war wirklich hart.
Auf halbem Weg bergauf lege ich meine Nachtausrüstung an. Henrik zieht derweil vorbei – er will jetzt unbedingt die Hütte sehen. Ich ermahne ihn, dass wir nun doch bitte enger zusammenbleiben sollten. Kurze Zeit später stehen wir aber bereits auf der Scharte und sehen -endlich- die rettende Hütte. Die restlichen Meter absolvieren wir nun zügig und stehen in der Dämmerung am Zaun. Es ist kurz vor 21:00, als wir eine heiße Nudelsuppe inhalieren.
Henrik legt die Optionen vor, wir können hier übernachten.
Rettende Nudelsuppe auf der Edelhütte
Edelhütte – Mayrhofen
Die Entscheidung fällt einstimmig. Ich will nur ungern bleiben. Erst am Montag runtersteigen, das will nicht in meinen Kopf. Ich will so früh wie möglich zurück, denn Sohnemann hat Geburtstag. Um kurz nach 9 schalten wir die Lampen an und ziehen runter in Richtung Mayrhofen. 12 Km und 1.400 Höhenmeter abwärts warten auf uns.
Aus prognostizierten zwei werden am Ende etwa drei Stunden, aber das spielt so gar keine Rolle mehr.
Start des Abstiegs nach Mayrhofen
Wir sind beide im Modus Autopilot und schieben gut runter. Es wird immer wärmer. Ich ziehe mir sogar das Shirt aus. Wir reden nur noch das Nötigste – die Energie muss auch jetzt noch gut eingeteilt werden. Dazu kommen gesperrte Abschnitte, einen Hang rutschen wir auf dem Hintern runter. Nichts gibt es hier geschenkt. Als wir schließlich auf der Talstraße ankommen, sind wir beide so leer, dass wir uns gar nicht richtig freuen können.
Erst langsam sickert es bei uns durch…,
dass dieser Weg, den wir Freitag Nacht um 01:19 begonnen haben, gleich ein erfolgreiches Ende finden wird. 47h später. Fast zwei ganze Tage, die wir gemeinsam auf diesem so anspruchsvollen aber auch so wunderschönem Weg verbracht haben. Ein Biest, denke ich mir. Im Parkhaus stoppen wir kurz nach Mitternacht die Uhren und umarmen uns. Keiner von uns beiden realisiert in dem Moment, was wir geschafft haben. In mir macht sich ein Gedanke breit, der mich schon den ganzen Weg begleitet hatte: Dankbarkeit. Dieses große Privileg, so etwas erleben zu dürfen. Alles andere als selbstverständlich.
Am Ende knüppelhart erkämpft, aber doch so unendlich befriedigend.
Angekommen und völlig fertig
Nachgeplänkel
Ihr erinnert euch? “Nur wenig sollte schiefgehen”. Es ist auch nicht viel schiefgegangen. Für das Wetter am Tag 1 konnte niemand was. Die Fehler am Tag 2 summierten sich leider auf und wir hatten weder den umgeknickten Fuß noch den brutalen Einbruch nach der Kasseler Hütte, wo wir unbedingt hätten essen müssen, eingepreist. Wir waren auf den 2. Tag nicht so gut vorbereitet wie auf den ersten. Es war ein Trugschluss zu glauben, dass man es am Tag 2 “nur noch ins Ziel laufen müsse”. Wir haben uns oft auf die 12 Km Downhill nach Mayrhofen gefreut. Aber man darf den Berliner Höhenweg nicht vom Ende her denken. Das Gelände an Tag 2 ist noch unerbittlicher.
Wir waren am Samstagnachmittag etwas zu “besoffen”.
Aber: Durchkommen in 2 Tagen – das haben wir geschafft. Dieser Höhenweg ist ein Biest, und das durchgängig. Es gibt einfach keine Passagen zum Erholen oder “laufen lassen”. Eigentlich überhaupt nichts für uns. Umso größer ist der Stolz, dass wir es geschafft haben. Die Kraft, die wir aus diesem gemeinsamen Erlebnis ziehen, ist unendlich im Vergleich zu den 10.000 kcal unseres Verpflegungspakets.
Es gibt soviel zu sehen, soviel zu fotografieren, soviel zu besprechen, soviel zu genießen auf diesen fast 100 Kilometern in den Zillertaler Alpen.
Bilder Best-of
Friesenberghaus 09:45 Uhr
Schlegeisstausee 12:14 Uhr
Alpenrosenhütte 15:21 Uhr
Mörchenerscharte 07:09 Uhr
Krummschnabelscharte 19:00 Uhr
von Henrik | 25.06.23 | Laufen, Reisen, Trailrunning
Das war mal wirklich spontan: im Mai habe ich eine Story vom schnellen Jannick auf Instagram gesehen, in der er das Ausdauerhelden Trailcamp in Grindelwald angepriesen hat. Und das passte zeitlich genial auf den Feiertag am besagten Donnerstag (falls ihr für einen Freund fragt: das war Fronleichnam) in Kombination mit dem Brückentag am Freitag. Zack, gebucht. Ob das so belastungstechnisch nach dem Laufcamp in Südtirol mit der RUNNING Company und eine Woche vor dem Mozart100 Sinn macht, darüber könne ich mir ja Gedanken machen, wenn es soweit ist. Spoiler: natürlich machte das keinen Sinn. Aber das hat uns bekanntlich noch nie von Dummheiten abhalten können.
Ich wusste nicht mal, wo Grindelwald eigentlich liegt. Aus München kommt man mit dem Zug via Zürich und Interlaken in etwa 7,5h recht einfach hin. Interlaken – da war doch was? Richtig, vor einigen Jahren bin ich dort mal auf dem Brienzer Grat vom Brienzer Rothorn nach Interlaken gelaufen. Wenn Grindelwald auch nur halb so spektakulär ist, dann… Spoiler: das ist es. Am frühen Donnerstagnachmittag traf ich also in Grindelwald ein und machte mich auf den Weg zum “Chalet”. 2,5 Km Fußweg vom Bahnhof, das kannste easy gehen. Blöd, dass das Haus gute 150 m höher als der Bahnhof liegt. Leicht durchgeschwitzt nahm mich der Chef Malte in Empfang.
Am Vorabend gab es noch einen kurzen Lauf für die versammelte Meute von 11 Campern, so zur Akklimatisierung. Mit etwa 400 HM schon mal ein knackiger Einstieg in die Trailwelt der Umgebung. Hier klaffte das Leistungsvermögen der Gruppe schon deutlich auseinander, aber ich war ganz froh, dass ich nicht so hetzen musste angesichts meines Trainingszustands. Abends wurde gekocht, im Haus galt Selbstverpflegung, übrigens 100% vegan. Fleischliebhaber sind aber auch willkommen. Ein ganz dicker Pluspunkt. Malte gab einen Überblick, was uns die kommenden drei Tage erwartet. Das war nicht wenig und als erfahrener Camper wusste ich, wie lang diese Tage werden. Also zog es mich zeitig in meinen Hüttenschlafsack.
Der Freitagvormittag hielt einen Lauf auf die andere Talseite unterhalb des Eigers mit Jannick bereit, an dem die “Profis” (O-Ton Malte) teilnahmen. Vorab gab es noch ein How-to-use-poles-Training mit Malte. So waren wir nur zu viert (Sarah, Jannick, Jan und ich) auf den 20 Km hoch in die Marmorschlucht und auf einem traumhaften Hangweg entlang der großen Steins. Zurück ging es auf den Spuren des Eiger Ultratrails 100, der entlang der Bahn runter nach Grindelwald führt. Als ich ebenjene Bahn erwähnte und Sarah sich umdrehte, knickte sie galant auf dem Downhill um. Zum Glück war es nicht so schlimm. Merke: erst stehenbleiben, dann schauen. Diese Panorama-Runde war vom Ausblick her nicht mehr zu toppen.
Am Nachmittag zog es die Meute hoch auf das Pfingstegg, hier gab es ein Fotoshooting. Die Sonne ballerte ordentlich auf den Hang, so dass ich mit den 400 HM so meine Probleme hatte. Nachdem einige sogar im Naturpool oberhalb des Pfingsteggs gebadet hatten und die Fotos im Kasten waren, rollten wir einen schönen, aber anspruchsvollen Downhill runter nach Grindelwald. Unser Haus lag ja auf der anderen Seite und am Ende des Tages blühten also immer diese 150 HM. Malte kooperiert mit dem Backdoor-Shop in Grindelwald City, dort kann man sich also jederzeit Testschuhe ausleihen. Sogar die NNormal-Treter waren im Angebot. Ein schöner Service für die Trailrunner.
Das Finale furioso folgte am Samstag mit dem längsten Lauf über den Bachalpsee und den First. Meine Gruppe hatte sich nicht verändert. Die Tour hatte es in sich und das Wetter war uns noch nicht so wohlgesonnen am Samstagmorgen. Auf Forstwegen schlugen wir uns etwa 600 HM zur Bussalp hoch und stiegen dann auf 2.300 m hoch. Der Bachalpsee konnte auf eigentlich gesperrten Trails nur durch Schneefelder erreicht werden. Das war sehr mühsam und kostete viel Zeit.
Die Sonne zeigte sich leider weiterhin nicht und bei kühlen 10 Grad zogen wir schnell zur Bergstation des First weiter. Auch hier gab es in der Nebelsuppe auf dem Skywalk nichts zu sehen. Ein letzter Anstieg führte uns auf einen Pass, der dann auf dem Romantikweg runter zur Großen Scheidegg führte. Der Abstieg nach Grindelwald war nochmal ein Rausch, zu dem uns nun die Sonne begleitete. Wir blieben etwas oberhalb und kreuzten die Firstbahn, bevor uns ein letzter Mountainbike-Trail(!) direkt zu unserer Hütte führte. Wasne Runde!
Ziemlich abgekämpft, aber happy genossen wir das Zielbier und sammelten uns für den Grillabend und die abendliche Runde in der Bar. Bei einem oder zwei oder drei Kaltgetränken ließen wir das Camp ausklingen. Jannick bot noch einen early-bird-run für den Sonntag an, die Beteiligung hielt sich aber in Grenzen. Der Morgen stand ganz im Zeichen des Aufräumens, Saubermachens und Packens. Um kurz nach 10 ging mein Shuttle nach München. Auf der Fahrt konnte ich die Tage resümieren.
Die Grindelwald Trails sind weltklasse. Die Aussichten auf den Eiger sind immer wieder faszinierend. Wenn es ein Trailrunning Paradies gibt, Grindelwald kommt sicher in die engere Auswahl. Wenn auch als teuerstes Paradies, denn die Schweiz hat ihren Preis. Übernachtung und Verpflegung sind brutal teuer, es sei denn, man bucht im Ausdauerhelden Trailcamp im Chalet Teufi. Mit 55 EUR pro Nacht und 15 EUR Verpflegungspauschale kommt man lächerlich günstig weg – für Schweizer Verhältnisse. Mir hat das ganze Setup getaugt und die Teilnehmer:innen waren allesamt richtig gut drauf und haben das Camp abgefeiert. Die Bilder sprechen für sich. Eine klare Empfehlung für Trailliebhaber & Friends, die ungezwungen zusammen laufen wollen.
Grindelwald – wir sehen uns wieder.
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