Tausche Gran Canaria gegen Schnee. Was erstmal nach einem nicht so guten Deal klingt, habe ich sehr spontan nach dem nicht so gelungenen Transgrancanaria getan. Und mich zum Mountainman Wintertrail im Chiemgau angemeldet. Einen Tag, nachdem ich aus dem Flugzeug von Las Palmas nach München gestiegen bin. Ein wenig übermütig war das schon, habe ich doch im gesamten Winter nicht einen einzigen brauchbaren längeren Lauf im Schnee gemacht. Und selbstverständlich zuckt der Mauszeiger sofort, wenn es um die Auswahl der Distanz geht. “Für erfahrene Trailrunner” steht als dezenter Hinweis unter dem Button für die XL-Distanz. Na dann.
Beim Sachenpacken fiel mir dann erstmals auf, dass ich wie immer ahnungslos bin. Welche Schuhe zieht man denn da an? Tut es ein ordinärer Trailschuh? Eher der waffenscheintaugliche oder das leichte Modell? Und dann die Grödel dazu? Oh wait! Da ist noch der Salming iSpike im Schrank. Ein Schuh mit Spikes, den ich nicht mal eingelaufen habe. Ich packte einfach alle ein und beschloss, mich am Freitagabend vor Ort umzusehen und dann die Entscheidung zu treffen. Bloß nichts vergessen! Also hatte ich mindestens 4 Mützen, 5 Paar Socken, Ärmlinge, Beinlinge, 3 Paar Handschuhe, ein paar Buffs, 2 lange Hosen, 2 Regenjacken, also eigentlich Ausrüstung für ein Etappenrennen in Finnland im Gepäck. Von den 3 Paar Laufschuhen abgesehen. Die Hotelchefin fragte verwundert, ob ich denn wirklich nur allein einchecken möchte. Zu meiner Entschuldigung kann ich vortragen, dass der mitreisende Hund auch viel Gepäck hatte. Denn Tyson und ich waren zum Herrenausflug im Chiemgau eingetroffen.
Der Veranstalter erlaubt sogar Hunde auf der Strecke, für die es dann eine eigene Wertung gibt. Das ist außergewöhnlich. Ich hatte aber nicht vor, Tyson mit auf den Marathon zu nehmen. Ein Senior reicht und deshalb durfte der alte Mann ausschlafen, während sich das Herrchen beim Laufen verausgabte. Der Checkin um kurz nach 7 Uhr morgens war unkompliziert, kein Warten, alle bester Laune und das Wetter: wie gemalt. Ein richtig toller Start-/Zielbereich war aufgebaut, die Jungs und Mädels haben sich wirklich Mühe gegeben. Man konnte sich seine Hände am Feuer wärmen und noch einen warmen Tee trinken. Mit musikalischer Untermalung setzten sich mehr als 100 Marathonis -darunter auch Markus Mingo- um 7:30 Uhr in Bewegung, hundert Meter gehend wegen der Eisschicht – also ein fliegender Start. Und Henrik auf iSpike-Bereifung.
Natürlich hatte ich mir den Streckenverlauf nur rudimentär angeschaut, ich hatte also keinen Plan, wann es hoch geht. Die Spitze bretterte im 4er-Schnitt los und ich hielt mich erstmal zurück. Immerhin waren 42 Km mit 1.300 Höhenmetern zu laufen. Und das auf Schnee und Eis. Meine Schuhwahl überzeugte mich sofort, ich hatte besten Grip und bin im gesamten Rennen nicht ein einziges Mal gerutscht. Der erste Aufstieg zur Hemmersuppenalm war schon kräftezehrend. Es war zum Glück nicht zu steil, so dass ich größtenteils langsam laufen konnte. Wir kletterten von 700 auf 1.250 m, um dann eine etwa 5 Km lange Runde im Skigebiet vorbei an der Alm zu laufen. Die Sonne flutete das Gebiet, so dass ich heilfroh über meine Sonnenbrille war. Als der Loop fast komplett war, kamen mir einige Läufer*innen entgegen. Ich nahm erst an, dass das genau der Weg sei, den wir hochgelaufen waren. Hatte ich ein Schild oben übersehen? Zum Glück kam ein wenig später ein Läufer runter. Der war sich allerdings auch nicht so 100%-ig sicher. Und so liefen wir beide erstmal weiter. Erst an der Nattersbergalm fragte ich eine Zuschauerin, ob hier schon andere Läufer vor mir runtergekommen seien. Alles richtig!
Etwa 22 Kilometer waren gelaufen, als wir über den Parkplatz am Seegatterl liefen. Jetzt gingen wir auf den zweiten Loop und das bedeutete unweigerlich nochmal gute 600 Höhenmeter hoch. Ich fragte mich, wo eigentlich die Verpflegungspunkte waren. Ich hatte keinen einzigen bis hierher wahrgenommen. Zum Glück hatte ich etwa einen Liter Iso und ein paar Gels dabei. Die Piste hoch ging nun nicht mehr so fluffig. Die Mehrheit ging jetzt hoch und ich war sehr, sehr froh, dass ich die Stöcke dabei hatte. Gute vier Kilometer zog sich der Aufstieg nun hin. Ich hielt es mit Walk & Run und kam so ganz gut voran. Auf der Hälfte des Anstiegs flog mir das Führungsduo entgegen, das schon auf dem Abstieg nach Reit im Winkl war. Aufsteigende und absteigende Läufer konnten sich gegenseitig anfeuern. Ganz toll, dass fast jede*r gerufen hat, wie weit noch der Anstieg ist. Das war motivierend und so habe ich es auf meinem Abstieg dann auch gehalten. Auf der Winklmoosalm gab es nach der kleinen Runde noch einen Verpflegungspunkt -mein erster-, an dem ich mich mit Cola und Falafelbällchen eindeckte. Vor dem Abstieg kam mir RUNNING Company Läufer Claus entgegen, der noch ein Bild von mir machte.
Und dann Feuer frei! Ich war immer noch zu vorsichtig, aber die Beine machten sich nach 30 Kilometern nun doch bemerkbar. Gute 7 Km dauerte der herrliche Abstieg, bevor wir am Seegatterl auf die Zielgerade entlang der Deutschen Alpenstraße bogen. 6 Kilometer noch laufen lassen bis ins Ziel klingt leichter als es dann war. Vor Reit kamen noch 2-3 Gegenanstiege dazu. Zusammen mit den Teilnehmern der L- und S-Distanz rollten wir dem Ziel an der Festhalle entgegen. Bei etwa 4 Stunden waren 40 Kilometer geschafft. Den letzten Hang ging ich dann nur noch hoch und genoß den Einlauf auf dem roten Teppich. Ein erhebendes Gefühl, den Wintertrail geschafft zu haben.
Im Ziel warteten die Helfer mit warmen Tee und Kuchen, ich war ganz verzückt angesichts der doch bescheidenen Verpflegung beim Transgrancanaria vor genau einer Woche. Die Stimmung war bestens, die Sonne lachte und ich war mit mir ganz zufrieden ob der Zielzeit von 4:16 h. Mit Streckenkenntnis und weniger Fotos sind wohl die 4 Stunden drin. Aber das war mir sowas von egal. Ich hatte nicht viel erwartet und doch so viel bekommen. Das schreit nach Wiederholung im kommenden Jahr, dieses Gran Canaria gegen Schnee tauschen.