Als wir am frühen Samstagabend in der Abendsonne am Leuchtturm von Maspalomas vorbeispazierten, liefen bzw. gingen immer noch Marathonteilnehmer ins Ziel. Seit dem Start der mittleren Distanz über 44,1 Km beim Transgrancanaria waren schon stolze 8 Stunden vergangen. Trotzdem wurde jeder Finisher gefeiert. An der Farbe der Startnummer konnten die Zuschauer erkennen, in welchem Wettbewerb gestartet wurde. Dunkelblau war die Startnummer der Königsdisziplin, dem eigentlichen Transgrancanaria über 125 Km, der bereits am Freitag um Mitternacht im Nordwesten Gran Canarias gestartet wurde. Türkis trugen die Ultraläufer der Advanced-Kategorie über 84 Km. Rot blieb den Marathonis vorbehalten, die um 10:00 Uhr in Garañon auf die Strecke geschickt wurden und in die ich mich auch in diesem Jahr wieder einsortierte. Die Wettbewerbe Starter über 31,5 Km und Promo über 15 Km rundeten das Portfolio nach unten ab. Damit waren mehr als 3.000 Teilnehmer über alle Distanzen gemeldet – neuer Rekord. Aber auch ein höherer Anspruch an die Qualität der Organisation durch den Veranstalter Arista ging damit einher. Zielschluss für den Transgrancanaria war erst am Sonntagmorgen um 6 Uhr, also 30 Stunden nach dem Start. Nach dem nicht ganz so planmäßigen Rennen im Vorjahr sollte in diesem Jahr nicht so viel schiefgehen, obwohl die Strecke ab dem Marathonstart komplett geändert wurde und nun nach Süden führt. Selbst das in den Bergen so wechselhafte Wetter spielte artig mit und so wurde es ein fast optimaler Lauf vom höchsten Punkt der Insel bis auf Meereshöhe in Meloneras.
El Garañon – Tunte (12 Km)
Bei meiner Streckenerkundung am Montag lagen auf dem Pico de las Nieves noch vereinzelt Schneehaufen. Das Wetter war am Rennsamstag derart sonnig, dass ich selbst die Handschuhe auszog. Das nervige Gekreische des Moderators auf spanisch wurde von Rammstein-Musik untermalt, für meinen Geschmack ein etwas zu martialisches Warmup. Los ging es aber um 10:00 Uhr noch nicht, die ersten drei Ultras (Chaingneau, Vera, Sandes) wurden noch durchgelassen. Diese lagen unglaublich knapp beieinander. Dann ging es endlich los über das Gelände des Campingplatzes. Nach 500 Metern hatte sich das Laufen bereits wieder erledigt, ich reihte mich artig in die Schlange ein, im Gänsemarsch ging es ca. 300 Höhenmeter auf den Pico de las Nieves hoch, dem höchsten Berg Gran Canarias. Timothy Olson wurde durchgelassen, der lautstark fluchte über den heftigen Anstieg. Ich schwamm artig mit und verortete mich im ersten Viertel des Feldes. Ganz nach Plan. Denn Überholen war hier unmöglich und ich hatte mir vorgenommen, ganz kontrolliert hoch- und nach Tunte wieder runterzukommen, ohne aber im Verkehr steckenzubleiben. Da ich beim Runterlaufen auf den sehr steinigen Wegen vorsichtig blieb, ließ ich einige Läufer passieren. Wir kreuzten nach dem spektakulären Gratweg die Bundesstraße 60 und liefen runter nach Tunte. 90 Minuten Zeit hatte ich für diesen Abschnitt eingeplant. Schön Körner aufsparen und nicht eingehen wie im Vorjahr. Vor mir knickte eine Läuferin böse um. So schnell kann das Rennen beendet sein. In Tunte füllte ich nur die Trinkflasche nach und ging die Dorfstraße mit Gregor hoch, der mich hier erwartete und meine Ärmlinge übernahm. Es waren gerade mal 80 Minuten auf der Uhr und ich fühlte mich noch frisch. Wieder ganz nach Plan.
Tunte – Arteara (15 Km)
Vorbei am malerischen Berghotel »Viverde Las Tirajanas« führte die Strecke nun zügig wieder nach oben. Auch hier machte ich keine Anstalten, auch nur an laufen zu denken. Es reicht völlig aus, zügig zu gehen. Auch so kann man schon Läufer einsammeln. Der Weg führt hinter dem Bergkamm im Schatten weiter, wo man wieder laufen konnte. Es war nun einsam auf der Strecke, ein Schotterweg mit leichtem Gefälle zog sich über ca. 5 Km, angenehm zu laufen. Nach dem letzten Bergaufstück folgte der enge und steinige Abstieg nach Arteara, der mir schon auf der Streckenbesichtigung Respekt eingeflößt hatte. Hier liefen wir auf die ersten Läufer der 31,5 Km-Distanz auf. Ich schob mich konzentriert runter, auch wenn ich die Steine sicher Hundert Mal verfluchte. Die Füße beschwerten sich zunehmend, da man bei jedem Schritt über den Vorderfuß schieben musste. Der wohl anspruchsvollste Abschnitt des Marathons war nach ziemlich genau 3 Stunden geschafft und ich konnte am Verpflegungspunkt auftanken. Ich trank das kalte Iso etwas zu schnell und hielt mich mind. 3 Minuten auf. Schnell noch zwei Viertelbananen rein und raus aus dem Zelt. Gregor sagte mir, dass RUNNING Company-Läuferin Brigitte nur 6 Minuten vor mir durchlief. Ich würde sie also relativ schnell einholen. Die Stimmung war gut, auch wenn Abschnitt 2 Kraft gekostet hatte. Wie erwartet.
Arteara – Maspalomas (17 Km)
90 Minuten hatte ich auch für den letzten Abschnitt eingeplant. Das war schnell Makulatur, da es noch ein letztes Mal hochging. Vor dem Ende des Aufstiegs entdeckte ich Brigitte und wir legten einen Fotostopp ein. Das Selfie gelang nicht und so half uns eine andere Läuferin des Starters aus. Soviel Zeit musste sein! Ich hatte gehofft, nun Fahrt aufzunehmen und bis zum Ziel durchzulaufen, aber das gelang nur halbherzig. Hatte noch jemand seit Mittwoch Hügel auf die Strecke gebaut? Es ging dann aber schnell besser und ich lief im 6er Schnitt Richtung Meer. Den einen oder anderen Marathoni sammelte ich ein. Meine Renntaktik ging nun endlich auf. Bei Km 34 hatte das rote Kreuz einen außerplanmäßigen VP mit Cola eingerichtet und in Machacadores wartete bei Km 37,5 der letzte Checkpoint auf die Läufer. Der war richtig gut besucht und nachdem ich fast über den Hund stolperte, den eine Läuferin mit sich führte(!), füllte ich ein letztes Mal die Trinkflasche. Nun lief ich ohne Gehpause bis zum Beginn des Flussbetts in Playa del Ingles. Wieder ließ ich einige Marathonis stehen. Ca. 3 Km zieht sich das breite -so tauften wir es- “Flussbett des Grauens” in der knalligen Mittagssonne bis nach Maspalomas – zum Schluss noch eine echte mentale Herausforderung. Durch die verwunderten Touristen hindurch schlängelte ich mich langsam aber laufend zum Leuchtturm. Immerhin unter 5 Stunden stoppte ich die Uhr und war heilfroh, gesund angekommen zu sein. Im Vorjahr war ich noch enttäuscht angesichts der Zeit, aber schon vor Zieleinlauf war ich sicher, dass ich nicht so schlecht lag. Zumal die Strecke vier Kilometer länger und keineswegs anspruchsloser war.
Feierlichkeiten
Im Ziel warteten Gregor und meine Eltern auf mich und wir konnten gemütlich meine Sachen trocknen und auf Brigitte warten. Das letzte Gel haute ich mir gleich rein, auch die Verpflegungsplanung mit 5 Gels und 3 Liquid Gels ging damit auf.
Die Strapazen wurden mit einem ordentlichen 41. Platz bei etwas weniger als 600 Startern belohnt. Damit bin ich hochzufrieden. Man beachte die Aufholjagd: Platz 71 nach 12 Km, Platz 61 nach 27 Km, Platz 51 nach 37 Km und Platz 41 im Ziel. Sicher wäre noch mehr drin gewesen, aber dafür hätte ich ein viel höheres Risiko eingehen müssen. Die Gefahr “trockenzulaufen” ist durchaus da. Vorjahressieger Seb Chaingneau hat es 30 Km vor dem Ziel erwischt. Außerdem soll ja noch Luft bleiben für 2015. Im Spaß haben wir schon über den Advanced spekuliert, aber 84 Km sind eine ganz andere Hausnummer und keine Distanz, die man sich spontan vornimmt. Auf jeden Fall freue ich mich schon auf 2015 mit einem hoffentlich wieder so schönen Transgrancanaria. Vielleicht verschiebt sich mein Einlaufzeitpunkt dann auch in die Abendsonne von Meloneras.
Danke an den persönlichen Rennfotografen Gregor für die großartigen Bilder!
21 Kommentare
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Toller Bericht. Lief scheinbar deutlich besser als letztes Jahr.
War Scott Jurek jetzt vor Ort?
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Autor
Scott war vor Ort und hat neben seiner Buchpräsentation auch am 125 Km-Lauf teilgenommen. Nach sehr “gemütlichen” 70 Km ist er aber in Teror ausgestiegen. Warum, konnte ich noch nicht nachlesen.
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Hm. Bin mal gespannt. Hast du dein Autogramm bekommen 😉
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Henrik, wieder ein toller Bericht.
Und ja, ich überlege… . Du musst dann immer schön vor mir laufen und die Steine aus dem Weg räumen ;-). Das mag ich als Asphalt-Biene nicht so 😉-
Autor
Die richtigen Schuhe hast du schon!
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Well done Bruderherz! Liest sich ja schon fast wie der Bericht eines alten Trail-Hasen. Kein Einbruch, Zeit für ein Foto unterwegs, Verpflegung gut eingeteilt, tolle Zeit – was will man mehr? Chapeau vor dieser Leistung – großartig!!!
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Toller Bericht, schöner Lauf, da vergisst man fast die Blasen an den Füssen…..
Unser Foto ist eine super Erinnerung an den Lauf.
Nächstes Jahr schon wieder??? Schau ma mal…-
Autor
So langsam machen wir eine Tradition draus, Brigitte.
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Hallo, Hendrik, liest sich gut
herrlicher Himmel
dann noch die Eltern und Co. im Ziel
was kann schöner sein ?
?-lichen Glückwunsch
43. Platz super
das machen nur die regelmäßigen Vorbereitungen an der Ostsee
ganz sicher ! 😎-
Autor
Danke, Margitta, die Vorbereitung in den Bergen schadet sicher auch nicht ;).
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Hey Henrik, das klingt nach richtig viel Spaß und einer tollen Strecke. Danke für den Bericht, habe ich mir für nächstes Jahr vorgemerkt!
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Autor
Hi Hendrik, der Advanced würde dir sicherlich gefallen, eine irre Strecke. Vielleicht sehen wir uns im nächsten Jahr auf Granne.
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Da bekomm ich ja sofort Fernweh und Lust bei dem Rennen auch mal mitzulaufen…Schöner Bericht und Glückwunsch zum tollen Ergebnis.
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Starke Bilder, starker Lauf. Glückwunsch dazu und gute Vorbereitung für den Advanced nächstes Jahr. Das habe ich doch richtig verstanden, oder? 😉
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Autor
Ähm. Wir sprechen nochmal Anfang 2015 darüber ;).
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Schöner Bericht, tolle Fotos, super Ergebnis – Gratulation! Sieht ja nicht ganz so einfach aus die Strecke 😉
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Klasse Leistung, Respekt! Klingt ja nach nem wiklich schönen Lauf, kann man nur hoffen, dass es nächstes Jahr wieder so schönes Wetter hat… Wobei Du wahrscheinlich auch nix gegen etwas kühler hättest? 🙂
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Autor
Kühler wird schwierig auf Gran Canaria. Aber in den Bergen ist es angenehm kühl, da muss man sich halt sich etwas länger aufhalten ;).
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Oh Wahnsinn! Und du siehst so locker und zufrieden dabei aus! Großartige Leistung. Mein tiefster Respekt.
Ein wirklich schöner Laufbericht, wunderbare Eindrücke und Foto es hat Spaß gemacht, so einen Hauch davon miterleben zu können.